Teile diesen Beitrag "Der 5-Prozent-Trick: Wie man wirklich Glück und Erfüllung findet"
Maike ist 37 Jahre alt. Sie hat vieles. Und will noch mehr. Chefredakteurin sein statt nur Teamleiterin, drei Kinder haben statt nur zwei. Oder Häuser. Oder Füße, damit sie mehr von ihren unendlich vielen Schuhen auf einmal anziehen kann.
Jochen ist 45 Jahre alt. Er hat vieles. Aber das Falsche, denkt er. Er will Reisefotograf sein statt der Chef von Maike, er will in Maike sein statt in seiner Frau, er will beim Iron Man gewinnen statt immer nur beim XXL-Schnitzel-Wettessen.
Also setzen sie sich diese Ziele und weitere, eins nach dem anderen, ohne Lücke, oder alle auf einmal, und hetzen dann von einem zum nächsten (schau nur, Maike ist der Absatz abgebrochen, Jochen hängt noch ein Stück Schnitzel aus dem Mund, es musste schnell gehen).
Im Außen suchen …
Aber warum tun sie das, und warum tun wir das, ich, und Du wahrscheinlich auch, warum setzen wir uns permanent all diese Ziele im Außen?
Das hat immer einen Grund, und immer liegt er unserm Inneren. Wir wollen uns anders fühlen, begehrt und geliebt durch eine Affäre, stark und anerkannt durch eine Karriere, frei und lebendig durch ein Nomadenleben. Vielleicht auch anders sein.
„Wenn ich erst Chefredakteurin bin, dann bin ich selbstbewusst!“
„Wenn ich meine Kollegin ins Bett bekomme, dann bin ich glücklich!“
„Wenn ich meine Berufung lebe, dann bin ich motiviert und erfüllt!“
Wir wollen uns anders fühlen und vielleicht anders sein, ja, aber dass wir etwas anderes haben wollen, das ist nur Mittel zum Zweck. Ein Mittel zum Zweck, das leider mehr Schatten wirft als Licht spendet.
Denn die Ziele im Außen:
- sind oft nicht unsere eigenen, sondern von der Gesellschaft eingepflanzte Fremdkörper
- versagen uns oft, was sie versprochen haben – nein, was wir uns von ihnen versprochen haben. Also setzen wir uns ständig neue, und mögen im Außen weit gekommen sein, im Innen aber keinen Millimeter von der Stelle, blieben genauso einsam, oder leer, oder unsicher wie vor Jahren
- sind manchmal in weiter, weiter Ferne; oder liegen nicht allein in unserer Hand; oder fordern zu hohe Tribute von uns
- und alles, was wir da draußen erreichen können, ist instabil, dem Wandel unterworfen, dem Ende geweiht (meistens schneller als unser Leben)
Warum also nicht gleich im Innen ansetzen?
Weniger an unseren Zielen arbeiten und mehr an uns selbst.
Weniger kämpfen und mehr Frieden finden.
Vielleicht ist auch genau das unsere Berufung, und wir können aufhören, nach der einen großen, mystischen Aufgabe zu suchen, der wir uns angeblich bis zum letzten Tag widmen sollten, obwohl sich doch unsere Bedürfnisse und Fähigkeiten ohnehin mit der Zeit entwickeln. Wozu festhalten an einem einzelnen konkreten Beruf?
Im Innen finden …
Viele von uns brauchen keine neuen Umstände, um sich besser zu fühlen und besser zu leben.
Was uns wirklich helfen würde, ist doch, wenn wir zum Beispiel gelassener werden, mitfühlender, uns selbst mehr annehmen, vertrauen und lieben, Dinge weniger persönlich nehmen, uns frei machen von unnötigen Abhängigkeiten und Illusionen, alte Muster los- und alte Wunden heilen lassen. Nebenbei stärkt uns das so, dass wir die äußeren Ziele viel leichter erreichen können, falls wir das dann noch wollen.
Dieses Üben an uns selbst funktioniert, wie auch grundsätzlich die Arbeit an unseren Gewohnheiten am besten in kleinen, realistischen Schritten. Tag für Tag für Tag.
Es geht nicht darum, dass wir morgen wie ausgetauscht aufwachen, komplett verwandelt, neu zusammengesetzt – das funktioniert nicht, macht nur noch mehr Angst und Druck und Widerstand. Viel mehr geht es darum, dass uns heute ein kleines bisschen besser gelingt, liebevoll mit uns und dem Leben und den Menschen umzugehen.
Die 5-Prozent-Übung (hundertprozentig zu empfehlen)
Von Nathaniel Branden, weltweit renommiert auf dem Gebiet des Selbstvertrauens, stammt eine Übung, die ich sehr mag.
Wir nehmen uns pro Tag eine Sache vor, die mit uns selbst und nicht mit Erfolg im Außen zu tun hat, und vervollständigen den Satz (hier am Beispiel: achtsamer werden wollen).
Wenn ich heute 5% achtsamer wäre,
dann würde ich ________________________.
(etwa: „… mich beim Essen hinsetzen und mir bewusst etwas mehr Zeit dafür nehmen.“)
(oder: „… mich auf dem Weg zur Arbeit auf meinen Atem konzentrieren, ruhig und tief ein und ausatmen.“)
… und diese vermeintliche Kleinigkeit dann auch durchziehen.
Kleine Schritte, täglich, führen uns sehr weit, sobald wir sie auf dem richtigen Weg gehen.
Mehr unter Du hast nur 5 Minuten am Tag Zeit, Dein Leben zu verändern? Forscher empfehlen DAS und Das Zen des Beginnens.
Photo: Jeff Robbins
„Wenn ich erst Chefredakteurin bin, dann bin ich selbstbewusst!“
„Wenn ich meine Kollegin ins Bett bekomme, dann bin ich glücklich!“
„Wenn ich meine Berufung lebe, dann bin ich motiviert und erfüllt!“
Wer sagt eigentlich, dass dies dann nicht doch so ist? (selbstbewusst – glücklich – erfüllt)
Ganz einfach – weil es meist eben nicht erfüllt wurde. Nun begibt sich der der „Mensch“ auf die Suche ins „INNERE“
Ein Rattenschwanz – es gibt keinen Ausweg aus diesem Dilemma – nur scheinbar.
Im übrigen kommt „alles“ aus den Gedanken – wenn auch nur als Illusion.
Hey Tim,
mit genau diesen Gedanken habe ich mich auch schon beschäftigt (und zwar hier: https://coloredcube.de/2016/09/wir-warten-darauf-endlich-im-hier-und-jetzt-leben-zu-koennen/ =))
Vor allem der Teil „Wenn ich erst XY, dann bin ich glücklich!“ hat mich über viele viele Jahre beherrscht. Ich musste erst einen schöneren Körper haben um glücklich zu sein. Als ich den dann hatte gings mir genau wie vorher, das hat mir die Augen geöffnet.
Doch viele gehen ihre Ziele erst gar nicht an, sondern schließen deren Erreichen von Anfang an aus, sodass sie diese (fast) alles verändernde Erkenntnis nie erfahren werden. Umso wichtiger ist dein Artikel!
Liebe Grüße,
Jenny
Hey Jenny,
Dankeschön für Deinen Kommentar. Das ist ein guter Gedanke, so hatte ich das noch gar nicht gesehen: Dass Erreichen von Zielen kann allein dadurch wichtig sein, damit man die Erfahrung macht, dass sich dann nicht so viel ändert.
Liebe Grüße zurück
Tim
Was wenn unsere Berufung doch nur das ist, was wir ohnehin tun. Eben das zu erfahren, was wir erfahren? Und am Ende stellen wir fest, dass wir doch nur die eine Rolle gespielt haben, die wir spielen wollten? Ok, vielleicht noch, dabei etwas bewusster zu werden. Ohne viel Mangeldenken und Ankämpfen spielt sich so eine Rolle auch gleich um einiges leichter. Es ist ja alles schon da, wenn wir nur den Vorhang beiseite schieben.
Hey Richard,
Dankeschön für Deinen Kommentar und vor allem auch für Deine Kommentare der letzten Wochen. Ich hoffe, Dir geht’s gut und Du freust Dich auf das neue Jahr!
Liebe Grüße
Tim
Es hat sicherlich auch viel mit unserer – Achtung, schlimmes Wort – „Gesellschaft“ zu tun.Gesellschaft im Sinne von, mit welchen Menschen umgebe ich mich. Und Gesellschaft im Sinne von, welche Bilder baut unsere Gesellschaft immer wieder auf wenn es darum geht etwas erfolgreiches darzustellen. Der erfolgreiche ist in der Regel eben dann „Dünn“. Er hat die schönen Kolleginnen im Bett und er macht sich keine Sorgen ums Geld weil er einfach hat.
Darum streben wir danach, halten es gleichzeitig aber auch für unerreichbar. Und schon haben wir eine wunderbare Ausrede warum wir eigentlich gar nicht schuld sind das es bei uns selber nicht funktioniert. „wäre ich“, „hätte ich“ sind doch die waren Barrieren in unserem Kopf.
Hey Marcus,
das Vergleichen und das Hätte/Wäre sind sicher sehr große Probleme. Mir ist auch diese große Ambivalenz in der letzten Zeit immer wieder aufgefallen: „in der Gesellschaft“ werden Reichtum und äußerer Erfolg einerseits angestrebt wie sonst kaum etwas. Auf der anderen Seite wird das auch immer wieder verteufelt, jeder mit Geld als Arschloch dargestellt, jeder mit Erfolg / Fame als Volltrottel. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, warum das mit dem (äußeren) Erfolg gar nicht so leicht ist.
Liebe Grüße
Tim
Danke für den inspirierenden Artikel. In irgendeinem Text zur Yoga-Philosophie habe ich auch einmal von der Psychologie des Wünschens gelesen. Was ich dabei interessant fand, war, dass es bei den unterschiedlichen Wünschen nicht um die jeweiligen Objekte geht, sondern bei der Erfüllung des Wunsches um seine Auslöschung. Das vorübergehende „Glück“ entsteht damit im Moment der Auslöschung des Wunsches durch seine Erfüllung. Jemand, der es schafft seinen Geist über unterschiedliche Methoden (z.B. Yoga, Meditation, etc.) zu zügeln und erst gar keine Objekte mehr als Wünsche hat und damit wunschlos bleibt, ist damit jemand, der sich bereits alle Wünsche erfüllt hat ;-).
Hey Tobias,
oh, das finde ich einen sehr spannenden Gedanken, die Wunscherfüllung nicht zum Glück sondern zum Auslöschen – Danke für Deinen Kommentar! So hab ich das noch nie gesehen.
Liebe Grüße
Tim
Hi Tim,
Mich wundert der Satz:
„Wenn ich meine Berufung lebe, dann bin ich motiviert und erfüllt!“
In vielen Deiner Beiträge betonst Du aber, nicht nur einfach zu funktionieren, sondern seiner eigenen Bestimmung zu folgen. Genau deswegen hast Du ja auch Deinen ersten Job als Berater geschmissen, um das zu tuen, was Dich erfüllt. Ich finde, dass das die einzige Weise ist glücklich zu werden, indem man sich selbst treu ist. Gelassenheit hilft einem nur bedingt, wenn man im „falschen“ Leben ist.
Oder würdest Du wieder in Deinem alten Job anfangen, aber diesmal etwas gelassener? ;o)
Grüße, Manu
Hey Manu,
die „Berufung“ sehe ich inzwischen kritisch – diese eine, große, mystische Aufgabe, die wir angeblich finden müssen, damit alles gut wird. Für sehr viele Menschen ist diese Suche eher ein lebenslanger Frust nach dem einen, einzigen richtigen Ding. Das blockiert total, und wer weiß schon, obs wirklich die eine große Berufung gibt?
Leidenschaften, Träume – vermutlich unterschiedliche zu unterschiedlichen Lebensphasen – das ganz sicher, und es ist auch eine gute Entscheidung, denen nachzugehen, denke ich. Aber selbst dann, wenn man einen großen Traum wahr werden lässt, bleibt doch vieles beim alten – die eigenen Muster zum Beispiel, die einen hektisch, ungeduldig oder unglücklich machen. Klar kann eine Veränderung im Außen uns sehr gut tun, auf Dauer reicht sie aber in der Regel nicht aus.
Hier noch ein paar mehr Gedanken dazu, wen’s interessiert: https://mymonk.de/keine-lebensaufgabe/
Liebe Grüße
Tim
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