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Manchmal bekommt mich ein einzelner kleiner sorgenvoller Gedanke an den Haken, ich beiße an und schon rammt er sich in meinen Schädel, ich hänge fest, er zerrt mich hierhin und dorthin, immer wilder, immer tiefer hinein in ein trübes Meer aus Angst. Die Gedanken drehen sich, bis ich fast durchdrehe, an meinen Nägeln kaue, ach was, ganze Fingerglieder abbeiße.

Meistens, allermeistens waren die Sorgen im Nachhinein völlig unberechtigt. Dass ich jemanden telefonisch mal nicht gleich erreiche, hieß doch nicht, dass er sich nach einem Unfall um einen Baum gewickelt hatte, er war nur mal eben sein Baby wickeln. Der Kopfschmerz war doch kein tickender Tumor und auch kein Alien-Implantat, sondern bloß die Folge einer Verspannung. Und so weiter.

Leider kann es Stunden dauern, Tage, Wochen, bis sich diese beruhigende Einsicht einstellt. Was können wir tun, um uns eher von diesem Leid zu befreien? Geben wir uns den ängstlichen Gedanken hin, verlieren wir uns in ihrem Strudel. Sie zu unterdrücken funktioniert leider nicht. Im Gegenteil, sie wuchern dann im Unterbewusstsein weiter, kommen dann wieder an die Oberfläche und sind stärker als vorher.

Die Psychologin Dr. Melanie Greenberg empfiehlt stattdessen neun wissenschaftlich erprobte, effektive Strategien aus der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion und aus der Kognitiven Verhaltenstherapie.

Hier sind sie:

1. Wende kognitives Distanzieren an

Das Gehirn versucht uns, zu schützen. Das ist seine wichtigste Aufgabe. Fehlen ihm Informationen, dann schließt es diese Lücken mit Vermutungen. Was sicher scheint, ist sicher nur Schein, zumindest oft. Versuchen wir also, uns diesen Unterschied klar zu machen: Die Gedanken müssen also keinesfalls der Realität entsprechen.

Wir können uns fragen: Wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass das Befürchtete eintritt? Könnte stattdessen nicht auch etwas Gutes passieren? Wenn wir nur auf die objektiven Informationen schauen, die wir haben und unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit – was ist dann das Wahrscheinlichste?

So gewinnen wir eine gesunde Distanz zu den verdrehten, sorgenvollen Gedanken.

(Siehe auch: Von Leid befreien mit einer einfachen Frage)

2. Verwachse nicht mit Deinen Gedanken

Häufig verwachsen wir mit unseren Gedanken: „Ich bin, was ich denke.“ Dabei erzeugt unser Gehirn viele der Gedanken automatisch, als konditionierte Reaktionen eines Organs, das auf Überleben programmiert ist. Für die Menschen in früheren Zeiten war es notwendig, diese Gedanken ernst zu nehmen. Heute sind die reellen Gefahren deutlich geringer. Sorgenvolle Gedanken müssen wir daher nicht als bedeutsam akzeptieren. Wir können sie als Daten betrachten, die sich durch unseren Geist bewegen, eingespeist von einem Jahrmillionen alten Typ, der nur unser Bestes will, aber die Situationen im heutigen Leben sehr oft falsch einschätzt.

3. Nimm achtsam wahr

Was gibt es noch neben Gedanken unterdrücken oder uns von ihnen unterdrücken lassen? Die Gedanken beobachten. Nicht auf sie reagieren, uns nicht in ihnen verstricken, nur beobachten. Als wären sie Wolken am Himmel, denen wir zuschauen, wie sie auftauchen, vorüberziehen, wieder verschwinden. „Ah, da ist dieser Gedanke“, können wir feststellen, „schau an, jetzt taucht jener Gedanke auf.“ Wir selbst bleiben dabei mit festem Stand auf dem Boden der Tatsachen.

4. Konzentriere Dich auf die unmittelbare Erfahrung

Ständig kommt unser Geist mit neuen Geschichten an. Darüber, was passieren wird. Darüber, wie gefährdet wir und unser Leben und unser Wert als Menschen angeblich sind. Viele dieser Geschichten sind eben nur das: Geschichten. Gespeist aus negativen Erfahrungen aus unserer Vergangenheit, aus Gesprächen, aus den Nachrichten (Katze frisst Frauchen im Schlaf / Penis nach allergischer Reaktion explodiert). Was befürchten wir, das passieren könnte … und was passiert jetzt gerade wirklich, in unserem Leben, in diesem Moment? Das bewusst zu unterscheiden ist wichtig, weil das Gehirn diese beiden Dinge gern gleich behandelt.

Gute Fragen, die uns aus den Gedankenketten befreien, sind auch: Was spüre ich gerade in meinem Körper? Drückt es, zieht es? Wie fühlt sich der Boden unter meinen Füßen oder der Stuhl unter meinem Hintern an? Was sehe ich gerade, welche Geräusche nehme ich wahr?

5. Gib den Gedanken einen Namen

Wenn Dir das reine Beobachten von Gedanken schwer fällt, ist diese Strategie sehr wirkungsvoll. Statt uns mit dem Inhalt des Gedankens zu verstricken, schauen wir uns den Gedanken an und konzentrieren uns darauf, ihn zu benennen. Bemerken wir, dass wir etwas bewerten – „Das mag ich nicht! Die Situation ist zum Kotzen!“ – sagen wir: „Bewertung“. Sehen wir uns, wie etwas Schlimmes eintreffen könnte, sagen wir: „Sorge“. Kritisieren wir uns, sagen wir: „Kritik“.

So können wir Bewusstsein gewinnen für die mentalen Prozesse. Von den eigentlichen Inhalten lassen wir uns nicht verführen und herumschubsen. Auf diese Weise entsteht auch Raum für Fragen wie „Womit beschäftigt sich mein Geist die meiste Zeit?“ oder „Könnte ich diese Situation noch anders betrachten?“

6. Komm ins Hier und Jetzt

Die meisten von uns (ich auf alle Fälle) tragen Wunden aus der Vergangenheit mit sich herum, offene und vernarbte. Diese Erfahrungen grast das Gehirn besonders häufig ab, kaut sie wieder, um uns in Zukunft vor Ähnlichem zu schützen. Oft hat unser heutiges Leben und die jetzige Lage jedoch gar nicht mehr so viel mit damals zu tun. Vielleicht haben wir inzwischen einen ganz anderen Partner als den, der uns damals betrogen hat. Vielleicht haben wir nun auch ganz andere Fähigkeiten, mit Herausforderungen umzugehen, haben in der Zwischenzeit eine Menge Lektionen gelernt. Ganz sicher sind wir auch nicht mehr die wehrlosen kleinen Kinder, die ihren Eltern früher ausgeliefert waren.

7. Weite Deine Sicht

Negative Gedanken schränken unsere Sicht nachweislich stark ein. Schnell erscheint dann etwas alternativ- und ausweglos. Wir fokussieren uns auf das Schlimmste, starren nur noch auf einen kleinen Ausschnitt des großen ganzen Bildes. Gute Fragen sind dann: Ist das wirklich so wichtig? Wird mich diese Situation in fünf oder zehn Jahren noch kümmern, werde ich mich überhaupt an sie erinnern ? Was gibt es Gutes in meinem Leben, worauf kann ich mich verlassen?

8. Steh auf und beweg Dich

Man kann wortwörtlich festsitzen in seinen Gedanken. Da Körper und Geist zusammenhängen, führen negative Gedanken zu hängenden Schultern und die hängenden Schultern zu noch negativeren Gedanken. Wir sinken in uns zusammen, versinken in den Gedanken. Eine einfache Lösung, die diesen Kreislauf unterbricht und manchmal Wunder wirkt: aufstehen, uns strecken, aufrichten und uns ein bisschen bewegen, sei es für einen Spaziergang oder etwas Sport.

9. Überlege, ob der Gedanke hilfreich ist

Auch diese Strategie zieht uns heraus aus dem Gedankenstrudel und lässt uns mit heilsamem Abstand von außen auf das Kopfkino schauen. Wir treten von der Bühne, setzen uns auf einen Logenplatz und fragen uns: Hilft mir das, was da aufgeführt wird? Bringt es mich einer Lösung näher? Oder demotiviert, frustriert und schwächt es mich nur unnötig? Welchen Gedanken könnte ich stattdessen auf die Bühne holen?

 

Was hilft euch am besten, wenn ihr euch Sorgen macht?

 

Siehe auch: Wie man schmerzhafte Gefühle überlebt und 20 sinnlose Sorgen, die Du noch heute loslassen kannst sowie 10 Gründe für Meditation (Ergebnisse der Hirnforschung).

 

Photo: Yassine Laaroussi