Irgendwie können wir immer schlechter mit Negativen umgehen. Oder wollen‘s einfach immer weniger.
Mit dem Unerfreulichen, den Schattenseiten des Lebens, dem Schweren.
Massenentlassungen werden zum „Freistellungsprogramm“ – klingt nach Ferien, ist für viele aber nichts anderes als eine dauerhafte Reise in die Armut.
Die Alten und Kranken werden diskret über den Hinterausgang zum Friedhof abtransportiert, wenn der Körper am Ende ist, am besten noch mit idiotischen Smilies auf der Karre des Bestatters.
Alles scheint leicht und fröhlich und unterm Strich positiihiv sein zu müssen, selbst im größten Unglück.
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„Ja, es sieht vielleicht ziemlich schlimm aus, die ganze Lage … aber in Wirklichkeit wird alles immer besser!“
„Ja, meine Frau schlägt mich, aber deshalb ist meine Haut so schön durchblutet!“
„Ja, ich habe Krebs, aber das hat doch noch keinen umgebracht!“
„Ja, er ist jetzt doch am Krebs gestorben, aber die Trauerarbeit läuft fantastisch!“
Nein, Scheiße ist das. Erstmal ist das ein dicker Brocken Scheiße.
Diese Erkenntnis zuzulassen ist nicht schwach, sondern stark. Alles andere wird zur Flucht, ohne jede Chance natürlich, als würde man vor seinem eigenen Arsch davonrennen wollen. Das verzögert Handlung und Heilung und macht uns immer instabiler.
Das hier ist auch meine kleine Kritik an der gefühlskitschigen Selbsthilfe-Erbauungsliteratur mit ihren kleinen Erleichterungen, die nach zwei Sekunden verpuffen wie ein Fliegenfurz (mache ich oft nicht besser, ich weiß, es waren einfach zu viele Jahre, in denen ich mein Leben mit Rosamunde-Pilcher-Filmen, Schlagermusik und positivem Denken retten wollte).
Und Kritik an den Leuten, die leidende Mitmenschen schnell zum Schweigen bringen wollen mit hingerotzten Das-wird-schons („… und jetzt Themenwechsel, reiß Dich zusammen, ich hab echt keinen Bock auf Dein negatives Zeug, könnte ja ansteckend sein“).
Deshalb heute kein beruhigendes Schlusswort.
… Oder vielleicht doch, wenigstens ein bisschen?
… Nein, zur Hölle, Hölle, Hölle damit.
P.S.: Hat nichts mit Jammern zu tun, wenn wir den Dingen, wie sie sind, in die Augen schauen (… bevor wir irgendwann wieder nach vorn schauen können).
P.P.S.: Siehe auch: Dein Unglücklich-Sein kotzt mich an und Warum Du so leidest.
Photo: Dmitriy Drapey
Das ist schade, dass das Wort „Mitgefühl“ (auch mit sich selbst) nicht im Text erscheint. Ohne das, bleibt es ja der reine innere Kampf bei wenig Annehmen. Die extreme Wortwahl scheint auch anzuzeigen, dass es dir nicht besonders gut geht, Tim. Ich wünsche dir ehrlich, dass es aufwärts geht in jeder Hinsicht.
LG Richard
Hi Richard,
für mich ist dieser Text das Gegenteil von extrem – er ist ja dafür, dass eben nicht immer alles -extrem- positiv sein muss, auch wenn das heutzutage immer inakzeptabler zu sein scheint.
Schwierig und sogar ziemlich exrem finde ich, aus einem Text abzuleiten, wie es mir grundsätzlich geht und dass es dringend nötig sei, dass es bald bergauf ginge bei mir.
Zumal Du vor ein paar Tagen noch geschrieben hast, wie sehr ich aus Deiner Sicht doch gerade im Fluss sei.
Der Text ist nun mal einseitig, eben im anderen Extrem. Und die Wortwahl ist extrem und vulgär. Im Durchschnit warst du auch 2015 mehr im Fluss als vorher, so meine Wahrnehmung. Das sagt nicht, dass es nicht Aufs und Abs geben kann. Ich meine, es ist kein Geheimnis, dass sich ein Text meistens so anfühlt, wie das für den Autor stimmig ist. Und wer mit Sch.. wirft, der sitzt auch meistens drin in dieser Masse.
lieber richard,
könntest du es bitte unterlassen über andere menschen zu urteilen!
und „DU – botschaften“ gehen schon mal gar nicht.
Ich sehe kein Urteil nur Wahrnehmung. Dass dir was nicht passt hier ist deine Sache. Das darfst du auch heraus lassen. Ändert aber gar nichts. Offensichtlich urteilst du über mich.
Hallo,
seit einer Weile lese ich in diesem Blog. Es ist für mich immer noch eigenartig, Standpunkte und Einsichten über solche inneren Themen zu lesen, ohne einen persönlichen Kontakt, ohne den Autor zu kennen. Aber das ist ein anderes Thema.
Kann sein, dass es Tim schlecht geht gerade. Doch das kann ich, als Leserin, nicht wirklich beurteilen und es geht mich auch gar nichts an. Und wenn, es dürfte ja auch sein, es gehört doch wirklich dazu, das Leid. Und je nach Veranlagung spürt man es auch mehr, oder etwas weniger. Und es ist der erste so wichtige Schritt, sich einzugestehen, dass etwas ganz schlimm ist und Punkt. Nicht sofort heilen, an sich arbeiten, daran wachsen wollen, sondern sich eingestehen, aushalten. Alles andere macht uns zu Getriebenen. Das ist meine ganz persönliche Erfahrung. Und dann können Verzweiflung, Trauer oder auch Wut kommen und später dann, da kann auch heilsames Mitgefühl (mit sich selbst) erwachsen. Aber doch nicht sofort. Da gebe ich Tim recht, es braucht den ersten Schritt. Sich einzugestehen, dass es gerade ganz großer Mist ist mit dem Leben. Denn genauso ist es eben manchmal. Ganz großer Mist.
LG, Linda
Hey Linda,
Danke für Deinen Kommentar und herzlich willkommen hier!
Es stimmt: Auch in „Ich hoffe, Dir geht’s bald besser!“ kann eine Nicht-Akzeptanz stecken oder sogar ein Vorwurf.
Es scheint einfach nicht okay zu sein, wenn’s man oder jemand anderes gerade nicht okay ist.
Richard unterstelle ich das hier nicht, ich vermute, er hat wirklich gute Absichten, wenn er das schreibt.
Liebe Grüße, Tim
Stimmt, Linda. Ich sehe da keinen Widerspruch. Alles darf sein. Aber ich meine, auch alles darf gesagt werden. Von sofortiger Heilung kann auch keine Rede sein, obgleich es ja auch solche Fälle geben soll.
Mir persönlich fällt schon länger auf, dass, sobald hier ein neuer Artikel erscheint, Richard sogleich weiß, wie es noch besser, noch heilsamer, noch mehr mit Mitgefühl, mehr Ganzheit etc pp. geht im Leben von allen Menschen inklusive des Autors, die sich hier offenbaren oder sonstige Meinungen trauen hinzuschreiben. Einfach mal etwas so stehen lassen. Eine der ganz großen Übungen im Leben!
Sorry, aber das nehme ICH wahr. Das darf ich ja auch schreiben, weil alles geäußert werden darf.
Ohne Dich, lieber Richard, persönlich angreifen zu wollen, aber wie wäre es mit der Idee, einen eigenen Blog zu eröffnen?
Oder selbst ein Buch zu schreiben ?
Du kommst mir manchmal vor wie ein Co-Autor.
Liebe Grüße, Eva
Gute Idee Eva. Würdest du das Buch denn kaufen wollen? Ob ich es weiss, ist so eine Sache. Das hängt immer von der Perspektive ab. Ich würde sagen, zu vielem habe ich eine Sichtweise und kennzeichne das auch (meistens) als meine Sicht neben anderen. Sie kann zu anderen passen oder nicht. Wenn ich etwqs schade finde, dann icht das auh erst mal meine Sache. Ich folge einfach einem inneren Antrieb, mich mitzuteilen. Manchmal drängt das auch deutlicher, z.B. wenn ich Gefahren sehe. Letztlich sind wir ja hierzu eingeladen, dachte ich. Und wer was von sich gibt, stellt sich ja auch Vergleichen und Kritik und kann nicht nur Beifall erwarten. Beleidigte Reaktionen sind nicht wirklich hilfreich (meine Sicht).
Ich persönlich finde, dass Komentare wie die von Richard so einen Blog gerade erst interessant machen, nur eintönige Zustimmungen brauch ich nicht zu lesen. Und den einen Kommentar an Tim gerichtet kann dieser-wie gemacht- schon alleine beantworten und es bedarf da keiner verurteilenden Anschuldigungen weiterer Leser, meine Sicht!
Zum Thema, bei mir verblasst jede Negativität oftmals dadurch, dass ich mich dabei beobachte, teilweise also beim meditieren, zur Ruhe kommen. Fühle dann irgendwie, dass es mein Ego und die Negativität gibt und daneben aber noch eine immerwährende positive Quelle, mein eigentliches Selbst. durch Beobachten entziehe ich dem Ego an Kraft, bei mir hilft das. Wenn aber viel Wut/Agression dabei ist, hilft mir Sport.
Hallo Jungs,
ja, da ist wohl auch gar kein Widerspruch. Das heisst, wir sind uns alle irgendwie einig mit unseren ganz eigenen Erfahrungen im Herzen und der jeweiligen „Phase“ vom Umgang mit Leid im Hinterkopf. Schmerzliche Erfahrungen tun eben weh, machen vielleicht Angst, erschüttern. Und es gibt zunächst nichts zu tun, außer genau das zu spüren. Selbst wenn der Kopf weiß, du benötigst dein eigenes Mitgefühl, du kannst damit umgehen lernen oder gar hofft, es schnell „wegzuarbeiten“. Die Seele funktioniert eben anders, braucht Zeit, Raum und Mut.
In diesem Sinne nochmal Danke für diesen Blog an Dich, Tim.
VG, Linda
versuchs mal mit heraklit – den nannten sie den „dunklen“ – nur weil er einfach klar und deutlich hinsehen konnte.
das leben besteht aus zwei teilen – gut und schlecht – tag und nacht – freude und leid. es geht nicht um ein entweder oder sondern um ein sowohl als auch.
herzlichst – und ich finde manchmal eine derbe wortwahl angebracht 🙂
lies mal den kodo sawaki – herzhaft erfrischend – und geradeheraus!
und ja – es kann einem nicht pausenlos und ununterbrochen „super“ gehen. so ein gelaber. wir können nur versuchen unsere gedanken zu steuern, damit wir nicht in der „dunklen loch“ hängenbleiben. geistesschulung ist hier das zauberwort.
Ja genau. Gut UND schlecht. Mancher schafft es heraus bis zur Wut und in die Projektion auf das Aussen – und bleibt dort hängen.
Hey Tim,
ich mag wie direkt du hier schreibst.
Dieses ewige Phänomen, dass man auf die Frage „Wie gehts dir?“ immer mit „Gut.“ antwortet.. oder mit „Muss ja..“. Aber ich denke, das liegt vor allem daran, dass man wenig Lust hat, die eigenen, oft sehr privaten und emotionalen Probleme mit flüchtigen Bekannten zu besprechen. Ich jedenfalls nicht. Das liegt wiederum vor allem daran, dass Jeder sich gleich berufen fühlt, zu beraten, statt einfach zu zu hören. Plötzlich weiß der andere angeblich viel besser was dein Problem ist als du. Das kann manchmal hilfreich sein, aber meistens kann man sich dann zusätzlich auch noch rechtfertigen und versucht etwas zu erklären, über das man gar nicht reden wollte.. und so weiter.
Also doch besser Klappe halten und Abstand suchen?
Ich bin ein Mensch, der meist eher mit sich selbst ausmachen will, was wirklich auf meiner Seele liegt. Ich kann nicht gut damit umgehen, wenn andere sich da einmischen, mich trösten wollen.. Ich habe Momente, da kann ich einfach nicht reden.
Aber ich bin auch ein Mensch, der sehr optimistisch ist und sehr gelassen. Wenn mich was runter zieht, dann schon wirklich ernste Dinge. Und da nehme ich mir dann auch die Zeit um das wirklich einfach mal ein bisschen zu „kurieren“
Liebe Grüße,
Ronja
Toller Artikel. Vielen Dank für die klaren Worte. Es ist so erfrischend das zu lesen in dieser „Happy World“.
Jemanden aufmuntern kann nämlich auch entwürdigend sein. Es minimiert das Leiden des Andern. Es regt dazu an seine Gefühle zu managen oder zu kontrollieren.
Diese Kontrolle kann eben wiederum negative Folgen haben. Es ist ein bisschen so wie mit einem Ball den man versucht unter Wasser zu drücken. Je mehr man versucht den Ball nach unten zu drücken, desto stärker strebt er nach oben.
Gefühle brauchen eine Sache: Luft zum Atmen. Also rauslassen mit den Gefühlen. Ihnen Raum geben. Der Traurigkeit, dem Ärger (da wo er hingehört), der Freude und der Angst. Wenn Deine Gefühle Platz in deinem Leben haben, dann müssen sich dich auch nicht ständig um Aufmerksamkeit bitten.
Also keine Angst vor Gefühlen. Und da wo Gefühle sein dürfen (so wie sie sind), dort beginnt das Selbstmitgefühl…
Danke Tim für die Erinnerung.
Es stimmt Menschen tun sich immer schwerer damit Negatives zu akzeptieren. Meiner Meinung nach liegt das vor allem darin, die meisten zu wenig Kontrolle über ihren eigenen Geist haben und deshalb von äußeren Umständen und Einflüssen besonders stark beeinflusst werden. Wenn man seinen Geist nicht beherrscht, wird man von ihm beherrscht und das heißt in der Regel, dass man negativ wird, denn was jeden Tag auf uns aus der „Welt“ auf uns einströmt wird und meist auch in einem negativen Rahmen präsentiert. Positiv zu denken erfordert Energie, gezielt eingesetzte Energie – negativ ist man ganz von selbst, wenn man nichts tut. Es ist wie mit der Gravitation: sie zieht einen runter und lässt einen auf ewig am Boden – sofern man nicht aktiv wird.
Zu Deinem post empfehle ich Dir folgenden lesenswerten Text: https://mymonk.de/nutzlose-affirmationen/
Lieben Gruß,
Ellie
Wie jemand mit seinem eigenem Kummer umgeht, ist – und wird es immer sein – seine ganz persönliche Sache. Wenn aber ein anderer Mensch uns seinen Kummer anvertraut, kann es manchmal hilfreich sein – statt ungebeten Ratschläge zu erteilen – eine Frage zu stellen: Kann ich dir helfen?
Hallo Tim,
Danke das Du mir damit so aus der Seele sprichst. Sobald man etwas Negatives benennt, ruft das gleich alle möglichen zwanghaft wieder Positiv Macher auf den Plan. Dieses nicht „so“ sein dürfen geht mir tierisch auf den Keks. Und es geht doch manchmal auch nur darum den Schmerz anzuerkennen.Da fällt mir der kurze Clip über Empathie ein. Vllt kennst Du den schon? https://www.youtube.com/watch?v=e__HDLEA6N4&index=6&list=PLdC6wvRuJ1b7Fdqzzs5jQEkfE43BQfAgT
Im übrigen lese ich schon keine Ratgeber oder andere Blogs mehr, aber bei Deinem bin ich geblieben eben WEIL Du manche Dinge genau so auf den Punkt bringst und kein Blatt vor den Mund nimmst.
Danke & LG
Sylvia
Danke Tim, für deine Worte. Es ist einfach so.
LG Kerstin
Hi zusammen,
Danke für eure vielen tollen Kommentare!
Ich bin auch sehr froh über Diskussionen. Da ist Leben in der Bude! Solange es nicht unter die Gürtellinie geht, ist doch alles palletti.
@kalypso: Danke für den Tipp, über Kodo Sawaki bin ich auch schon ein paar mal zufällig gestoplert, der ist nicht nur ein Zen-Meister, sondern wirklich ein Meister von Auf-die-Fresse-Aussagen, hinter denen viel steckt.
@Sabine Krömer: ja, was das angeht, bin ich vielleicht übers Ziel hinausgeschossen, natürlich darf jeder mit seinem eigenen Leid machen, was er möchte oder kann – dazu gehört auch, es eben erstmal nicht voll zuzulassen.
LG!
Tim
Super Beitrag und spricht mir gerade aus der Seele.
Das Leben ist nicht nur Liebe, Freude und Eierkuchen.
Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig die Dinge auch benennen zu können.
Und wenn alles gerade scheiße ist, dann ist es das.
Das ist auch die Krux an diesem ganzen positiven Affirmieren. Da kann ich zehntausend Mal in den Wald rufen, dass es mir gut geht, ich gesund bin, ich viel Geld habe.
Solange ich nicht akzeptiere was da ist, kann auch nichts Neues entstehen.