Teile diesen Beitrag "7 Dinge, für die Du Dich nie mehr schämen solltest"
Text von: Christina Fischer
Paul Coelho sagte einmal: „Was andere Menschen von Dir denken, ist nicht Dein Problem.“ Meinen Eltern hätte er damit allerdings nicht kommen können als ich noch klein war. Denn wann immer ich – vor allem in der Öffentlichkeit – zu auffällig war, hieß es: „Christina! Die Leute gucken schon!“ Wenn die Leute „schon guckten“, dann bedeutete das für mich die gelbe Karte. Und wenn die Leute dann nicht bald mit gucken aufhörten, hatte ich unangenehme Konsequenzen zu befürchten. Ich lernte bald, dass mir das Gucken der Leute unangenehm sein sollte. Und irgendwann mussten mich meine Eltern auch gar nicht mehr darauf aufmerksam machen. Da schämte ich mich schon von ganz allein.
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Inzwischen bin ich erwachsen und habe mich so lange darum bemüht, dass die Leute nicht gucken, dass ich mich oft selber aus den Augen verliere. Vor Bewerbungsgesprächen erhält man oft den Rat, man solle doch „einfach man selbst“ sein. Mark Twain würde sich kaputtlachen. „‘Sei Du selbst‘ ist ungefähr der schlimmste Rat, den man einem Menschen geben kann“, sagte er einst. Kann ich verstehen. Als ob ich „einfach ich selbst sein“ könnte, ohne dass die Leute gucken. Ohne, dass ich mich für etwas schämen müsste. Nur, warum macht uns das eigentlich so viel aus?
Warum Scham so schwer zu ertragen ist
Wir schämen uns „in Grund und Boden“ oder könnten vor Scham „im Boden versinken“. Vielleicht wünschen wir uns auch, dass sich „der Boden unter uns auftut“. Wenn wir uns schämen, dann befinden wir uns sprichwörtlich und buchstäblich am Boden. Vielleicht ist damit sogar der gleiche Boden gemeint, wie wenn wir „unseren Kopf in den Sand stecken“, wir uns also fürchten. Scham und Furcht gehören nämlich irgendwie zusammen. Wenn wir uns schämen, dann fürchten wir das Urteil der anderen über uns. Wir fürchten, nicht gut genug zu sein – weder gut, noch genug. Nachvollziehbar also, dass wir uns am liebsten davor verstecken und sogar ganz verschwinden würden, wenn wir nur könnten. Das beißende Gefühl der Scham und unsere Angst davor, bloßgestellt und nicht gut genug zu sein, macht uns jedoch manchmal blind für etwas wichtiges. Denn oft schämen wir uns auch für Dinge, die es eigentlich wert wären, für sie mutig zu sein und zu ihnen zu stehen. Weil sie ein wichtiger Teil von uns sind. Und weil nichts verwerflich an ihnen ist, ob die Leute nun gucken oder nicht. Hier sind sieben solcher Dinge, für die Du Dich nie wieder schämen solltest:
1. Dafür, wie Dein Körper aussieht
In meiner dunkelsten Teenagerzeit erlaubte ich mir zum Abendessen nur einen grünen Apfel, um in diese angesagte Jeans zu passen. Dabei vergaß ich in meinem Körper-Kontrollwahn oft einfach nur jung zu sein und meinen Körper einfach zu benutzen: zum Tanzen, zum Küssen, zum Händchen-Halten, zum Um-die-Wette-Rennen und um die Welt zu entdecken. Statt Deinen Körper einer völlig unrealistischen Form anzugleichen, sei doch einfach froh, dass Du ihn hast! Lass Dir Deine Freude Lachfalten um die Augen malen, leg die Füße hoch oder lass die Beine baumeln, geh mit dem Kopf durch die Wand oder trag ihn in den Wolken. Sei nicht bloß eine schöne Verpackung, sondern lebe mit allen Sinnen.
Denn „schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“, meinte schon Christian Morgenstern.
2. Dafür, nicht wie Deine Eltern zu sein
Die meisten Eltern lieben ihre Kinder (irgendwie). Und trotzdem muss nicht alles, was für sie gut und richtig ist, auch für Dich richtig sein. Es ist okay einen anderen Weg zu gehen als deine Eltern – auch wenn sie das vielleicht nicht verstehen können. Statt Eigenheim und Kinderschar die große weite Welt, die große Karriere oder einfach nur die große Freiheit? Wenn es das ist, was Du wirklich möchtest, gibt es keinen Grund, sich für Deinen Weg zu schämen.
In den Worten von Steve Jobs: „Deine Zeit ist begrenzt. Deswegen vergeude keine Zeit damit, das Leben von jemand anderem zu leben.“
3. Dafür, nicht typisch weiblich oder männlich zu sein
Ich geb’s zu: Ich kämpfe wie ein Mädchen. Weil ich eins bin. Ich kann einen Armhebel, bei dem Dir die Tränen in die Augen schießen. Andererseits kann ich fast alle Disney-Lieder mitsingen und liebe die Farbe Rosa. Ich vermute, Du erfüllst genau so wenig alle gängigen Geschlechterklischees. Aber warum solltest Du auch? Es ist wunderbar, dass es Männer gibt, die nach dem Weg fragen und Frauen, die gut einparken. Je vielfältiger wir sind, desto freier sind wir, wir selbst zu sein. Niemand tanzt aus der Reihe, wenn es keine „Reihe“ gibt. Und darauf können wir stolz sein!
4. Dafür, wen Du liebst
Es verblüfft mich immer wieder, dass es Menschen gibt, die glauben, sie hätten das Recht, sich in die Liebesbeziehungen anderer Menschen einzumischen. Ob homo- oder heterosexuell – Liebe ist Liebe, oder? Ich bin dafür, Liebe immer zu befürworten – in allen Arten und Spielweisen, in denen sie sich zeigt. In einer Welt, in der so viel Schlimmes vor sich geht … wie kann man da nicht die Liebe feiern, wo auch immer sie ist?
5. Für Deine Träume
Wie oft schweigen wir über die Dinge, die unser Herz bewegen? Weil wir glauben, wir seien nicht gut genug, „jemand“ könnte uns dafür auslachen oder wir könnten scheitern. Dabei ist unsere Kreativität und das Ausleben unserer buntesten Träume mit das Schönste, was wir mit unserem Leben anfangen können. Warum sollte es eine Rolle spielen, was andere davon halten? Es geht um Dich!
Oder wie die Autorin Elizabeth Gilbert schrieb: „Wenn die Leute nicht mögen, was Du erschaffst, lächle sie einfach freundlich an und sag’ ihnen, sie sollen doch einfach ihre eigene verdammte Kunst machen.“
6. Für Deine Gefühle
Ja, ich muss bei der Merci-Werbung weinen. Ja, ich fürchte mich in der Geisterbahn. Ja, ich könnte aus der Haut fahren, wenn jemand „das Einzigste“ (oder „das Optimalste“) sagt. Aber ich habe es satt so zu tun, als wäre es anders. Es ist wunderbar, dass es Dich zu Tränen rührt, wenn du Hundewelpen siehst. Es ist okay, wenn Dich das kalt lässt. Kein Gefühl ist an sich schlecht, kein Gefühl macht Dich zu einem guten oder schlechten Menschen. Und für kein Gefühl musst Du Dich schämen.
7. Für Dein Temperament
Ich bin die, mit der du stundenlang reden kannst. Ich bin aber auch die, die Zeit für sich alleine braucht. Ich werde nie ohne Angstschweiß auf einer Bühne stehen. Aber ich tanze mit Dir auf dem Tisch, wenn Du willst. Manchmal bin ich mutig, manchmal bin ich schüchtern. Wir sind alle mal laut und mal leise. Und das ist gut. Denn wenn jeder spricht, hört keiner zu. Es ist wunderbar, dass jeder anders ist. Dadurch können wir uns ergänzen, uns aneinander reiben, voneinander lernen, uns inspirieren. Deswegen sei stolz auf Deine eigene Melodie, ganz egal, in welcher Lautstärke Du sie singst.
Natürlich ist es das eine zu wissen, dass es keinen Grund gibt, sich zu schämen und das andere, sich wirklich nicht zu schämen. Aber nur, weil es nicht einfach ist, ist es nicht unmöglich. Nur Mut – die Sache ist es wert!
Lassen wir Ralph Waldo Emerson das letzte Wort:
„Du selbst zu sein, in einer Welt, die Dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft. Und eins kann ich Dir versprechen: Die Leute werden Augen machen.“
Wenn Du Dich von Scham befreien und mehr zu Dir stehen möchtest, könnte Dir das myMONK-Buch für mehr echtes, tiefes Selbstwertgefühl helfen. Und wenn Du mehr über Scham wissen möchtest, gibt’s dazu eine Folge im myMONK-Podcast.
Photo: No shame von Pressmaster / Shutterstock
Oh ja. Es kostet uns viel. Erwartungen erfüllen wollen. Ablehnung vermeiden wollen. Auch gedachte Erwartungen und gedachte Ablehnung. Wieviel geben wir dafür auf? Wieviel von unserer Freiheit sind wir bereit zu opfern? Besonders zu Beginn. In unserer Jugend, wenn sich erst noch unser Selbstbild und unser Sein Wollen festigt. Beim Kennenlernen. Und besonders wenn wir glauben, dies oder jenes sei nicht in Ornung an uns und das sollte anders sein. Wenn wir uns selbst nicht akzeptieren mit der einen oder anderen Schwäche.
Und dann die innere Sehnsucht und Lust, etwas zu tun, sich zum Ausdruck zu bringen. Wie stark gleichen wir das an, an echte und eingebildete Erwartungen? An jene anderer Menschen und an unsere eigenen illusionären Hochgefühle.
Wer kann schon von sich sagen, er sei stets ermutigt worden, sich frei zum Ausdruck zu bringen. Und wer kann von sich behaupten, er würde alles tolerieren, sich nie belästigt fühlen?
Eben. Niemand ist eine Insel. Es gibt doch immer Abhängigkeiten und die Haltung der anderen ist doch nicht ausschließlich deren Ding. Es braucht eben doch auch Rücksicht.
Ich kann mich nur möglichst von extremerem Verhalten abwenden. Und ich kann es mir wert sein, anderen auch etwas zuzumuten, was nicht ganz gefällt. Für mich. Meine Freiheit. Und das ist mein Leben. Denn in dem Maß, in dem ich mich einsperre, in dem Maß lebe ich nicht, wandle ich eher leblos. Aber mit wenig Rücksicht wenden sich auch tolerante Menschen ab. Und mit wenig Toleranz versammle ich intolerante Menschen um mich.
Es geht um Balance, die das eigene Wohl zuerst berücksichtigt, auch damit wir erst stark sein können im Geben. Ich nenne dies Autentizität. Sie fällt uns wohl nicht immer in den Schoß. Oft erst wenn wir das Wollen zurückdrehen. Denn viel Wollen bedeutet, sich wenig wert zu fühlen mit weniger. Und dieser Zustand ist schon recht erbärmlich. Energielos und wenig blühend. Ängstlich schielend nach Anerkennung. Tiefer geht es nur mit Scham, wenn sich dies weiter verstärkt, Krankheit oder Sterben.
Und diese Zustände lassen sich auch nicht eben mal wegdenken durch sich selber überzeugen. Wir können dies nur annehmen und uns selber Energie geben durch Wertschätzung mit weniger Wollen.
Hallo Richard!
Danke für Deine Worte. Leicht ist das wirklich nicht. Aus der Perspektive bin ich auch froh, nicht mehr ganz so jung zu sein.
Liebe Grüße
Christina
Mir aus der Seele gesprochen, ganz besonders beim Aussehen. Bin füllig, genieße mein Leben mit allen Sinnen. Dennoch erdreisten sich immer wieder Menschen, mich wegen meiner Fülligkeit wegzustoßen.
Wirklich toller Artikel. Danke!!!
Hallo Meike!
Vielen Dank, freut mich, dass Du mit dem Artikel was anfangen konntest. Ich wünsche Dir, dass Du Dir den Genuss am Leben auch weiterhin nicht nehmen lassen wirst!
Liebe Grüße
Christina
Ich bin von Millionen von „Samenkörnern“ das eine Korn, das genau zu der Zeit,
in der ich entstehen sollte, auf den fruchtbaren Boden gefallen ist.
Das sich monatelang durchgewuselt hat, um auf die Welt zu kommen.
Und um so zu sein, wie „ich“ eben bin.
In jedem Moment.
Ich bin meinen Weg gegangen, mit allen Höhen und Tiefen,
mit allem, was ich erleben sollte.
Um jetzt in diesem Moment so zu sein, wie ich bin.
Ich kann nicht anders sein, als ich in diesem Moment bin.
Und ich „sollte“ auch nicht anders sein.
Sonst wäre ich anders.
Scham ist deshalb vollkommen sinnlos.
Weil irgendwer zutiefst trauriges sagt und meint, so und so „sollte“ etwas sein oder nicht sein, maßregeln sich viele selbst.
Weil dieser Mensch es selbst nicht verstanden hat, wie wunderbar einzigartig er ist.
Das wäre, als würde man zu einem Apfelbaum gehen und sagen „los, sei ein Kirschbaum, ich mag keine Apfelbäume“.
Das ist sinnfrei, respektlos und traurig.
Und ändert vor allem nichts an der Tatsache, dass dort gerade ein Apfelbaum steht.
Ich kann Paulo Coelho nur absolut zustimmen.
Und zwar im tiefsten Sinne, es ist nicht mein Bier, was andere denken oder denken sollten.
Es ist ihre ganz private, zutiefst eigene Angelegenheit, was sie denken.
Ich gehe ja auch nicht in fremde Wohnungen und stelle da die Möbel um, weil „ich“ es vielleicht „schöner“ finden würde.
Mein Raum ist meine Wohnung. Und nur das ist meine Sache.
Hallo Jessi!
Eine schöne Perspektive und ein schönes Bild mit der Wohnung. Danke dafür!
Liebe Grüße
Christina
Hi Jessi,
vieles finde ich daran richtig. Und vieles finde ich den richtigen Zuspruch für Menschen in gewissen Situationen. Wohl auch für Menschen auf einem Weg, den Paolo Coelho geht.
Menschen, die sehr empatisch reagieren und sich ihrer Kraft beraubt sehen, brauchen eben mehr Abgrenzung. Trotzdem sind egozentrisch abgegrenzte Menschen auch nicht unbedingt glücklich. Diese brauchen wohl eher Mut zur Öffnung.
Genauso ist das Materie- und das Wohnungsbild von mir nicht sehr sinnvoll, wenn ich bereits abgegrenzt bin. Als Mensch bin ich auch Bewusstheit und Energie und ich lebe mit Menschen zusammen, mit denen ich Energie und Bewusstheit teile. Deren Wohnung sozusagen zum Teil auch die meine ist.
Wohin werden denn Menschen verleitet, wenn sie einem heftig auf sie einprasselnden „Why Not“ ausgesetzt sind? Selbstlosen, weniger authentischen Menschen kann das vielleicht helfen. Einem Paolo Coelho müssen wir wohl auch wenig raten, abzulassen von „Disziplin“ und einem fixen Streben, bis der innere Strom ihn von selbst weiter bringt. Er kann dann auch stimmig seine Wahlfreiheit als Mensch nutzen und mit Absicht auf seinen Weg einwirken, vielleicht in Richtung Kirschbaum.
Klar hast du recht bei Menschen, die eher unter Scham leiden.
Hallo Christina,
vielen Dank für deinen Artikel.
Ich habe mich in ihm teilweise wirklich wiederfinden können.
Meine Depression und Essstöung macht es mir, in einigen Lebensbereichen, wirklich nicht leichter
und es war einfach…schön so hoffnungsvolle, ermutigende Worte zu lesen.
Danke.
Ich hab mich ertappt beim lesen
Genau so mach ich es !
Danke für den tollen text
Hat mich zum Grübeln gebracht
Danke
❤