Teile diesen Beitrag "Forschung: Depressionen ist viel mehr als Traurigkeit. Hier die Unterschiede."
Die Tränensäcke ausgequetscht bis auf den letzten Rest. Die Stimmung, das Leben, die Perspektive platt, farblos, trostlos wie zehn Quadratkilometer grauer Beton.
Die meisten von uns kennen solche Phasen. Nach Rückschlägen, enttäuschten Hoffnungen, zerbrochenen Beziehungen, nach sicher Geglaubten, das zu Staub zerfallen ist.
Aber wann ist es „nur“ Traurigkeit, und wann ist das Normale, Unvermeidbare in eine ernste Erkrankung gekippt, die unsere mentale und körperliche Gesundheit langfristig bedroht?
Wann können wir einfach warten, bis die Zeit die Wunde heilt, und wann brauchen wir Unterstützung von außen?
Wie ihr wisst, bin ich kein Psychologe. In einer Anstalt wäre ich also einer von denen ohne Schlüssel. Nichts von dem, was ich sage, solltet ihr also glauben. Aber bei Psychology Today bin ich auf die Unterscheidungsmerkmale von Traurigkeit und Depression gestoßen, beschrieben vom Psychotherapeuten Dr. Guy Winch, der seit über 20 Jahren in seiner Praxis in Manhatten mit Menschen arbeitet.
Wie sich Traurigkeit und Depression unterscheiden
Traurigkeit ist eine übliche, gesunde menschliche Emotion, ausgelöst durch eine schmerzhafte, verlustvolle oder herausfordernde Situation oder ein Ereignis. Wir sind traurig wegen etwas Bestimmten. Ändert sich das, oder haben wir uns angepasst an den Verlust, verschwindet die Traurigkeit.
(Wie man Traurigkeit besser loslassen kann, erfährst Du im myMONK-Buch zum Loslassen.)
Bei Depression hingegen sprechen Psychologen von einem „abnormalen emotionalen Zustand“ – auch, wenn ihn schon Millionen Deutsche erlebt haben. Von diesem Zustand sind unser gesamtes Denken, unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und Verhaltensweisen eingefärbt, ernsthaft und dauerhaft. Freude? Unmöglich geworden. Motivation? Abgestorben. Wir sind dann umfassend traurig wegen allem. Dazu muss im Außen nichts Belastendes passiert sein. Sehr häufig tritt eine Depression sogar ohne klar erkennbare Auslöser auf. „Es ist doch alles in Ordnung in Deinem Leben!“, denkt und sagt das Umfeld dann womöglich.
Diese beiden Dinge zu verwechseln kann einerseits zu einem verständnislosen Umfeld führen, wenn der Betroffene „einfach mal ein bisschen positiver“ sein soll (siehe „Dein Unglücklich-Sein kotzt mich an!“). Was die Depression verstärken kann. Auf der anderen Seite können wir nach einer fehlerhaften Depressions-Selbstdiagnose überreagieren und uns verrückt machen, obwohl unsere Psyche völlig gesund reagiert.
Die 9 Anzeichen für eine Depression
Dr. Winch schreibt weiterhin von den neun Anzeichen für eine Depression.
Sie sollen nicht zur sicheren Selbstdiagnose dienen, können uns aber darauf hinweisen, dass ein Gespräch mit einem Arzt wirklich mal eine gute Idee wäre.
Damit eine Depression festgestellt wird, sind in der Regel fünf oder mehr der folgenden Symptome nötig, und zwar mindestens über die letzten zwei Wochen hinweg. Entscheidend ist natürlich auch, wie stark sie ausgeprägt sind.
Hier sind sie:
- Eine größtenteils niedergeschlagene oder gereizte Stimmung.
- Ein Verlust an Freude oder Interesse an sämtlichen Aktivitäten, auch an denen, die uns früher Spaß gemacht haben.
- Starke Veränderungen in Gewicht und/oder Appetit.
- Starke Probleme beim Einschlafen oder plötzlich sehr viel Schlaf.
- Das Gefühl, verlangsamt oder ruhelos durch die meisten Tage zu gehen.
- Müdigkeit, Schlappheit und wenig Energie an den meisten Tagen.
- Das Gefühl, wertlos zu sein oder starke Schuldgefühle an den meisten Tagen.
- Probleme, sich zu konzentrieren, nachzudenken oder kreativ zu sein und Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen an den meisten Tagen.
- Vermehrte Gedanken ans Sterben oder an Suizid.
Die sehr gute Nachricht: Depressionen sind behandelbar. Und der erste Schritt ist der wichtigste – sich Hilfe zu suchen. Wir Menschen brauchen andere Menschen. Ganz besonders dann, wenn wir krank sind.
Mehr dazu unter Dir geht’s schlecht? 5 Anzeichen, dass Du eine Therapie brauchst. Siehe auch 10 Sätze, die Du einem depressiven Menschen sagen kannst.
Photo: Isabelle Gallino
Eine Depression ist ein sehr komplexes Krankheitsbild, bei dem nicht nur psychische, sondern auch körperliche und genetische Faktoren eine Rolle spielen. Und vor allem es ist ein Krankheitsbild, das sehr großes (zumeist stilles) Leid verursacht. Man sollte sich daher so schnell wie möglich in Behandlung begeben. In der Regel kann man das gut in den Griff bekommen.
Sehr gut auf den Punkt gebracht, Marco. Das ergänzt den Beitrag von Tim.
Hallo Tim,
mal wieder eine tolle Anregung. Ich selbst habe mich letztes Jahr wegen Depression behandeln lassen. Im Rückblick muss ich sagen, dass ich bereits seit ungefähr 10 Jahren immer wieder depressive Phasen hatte, es aber nie wirklich wahr haben wollte.
Es gibt so einzelne Schlüsselszenen, die mir jetzt deutlich machen, dass es so war, aber damals habe ich es nicht so gesehen. Am ehesten aufgerüttelt hat mich ein Satz in einem Erfahrungsbuch, da sagte sie, dass so typische Depressive sich immer wieder sagen: „Ach komm, so schlimm ist es doch gar nicht. Es ist alles in Ordnung mit dir, es gibt Menschen, denen geht es schlechter als dir.“ – Als ich diesen Satz gelesen habe, habe ich erst mal geweint, es ist wirklich so, man will sich einfach nicht zugestehen, dass es einem schlecht gehen darf.
Schlimm finde ich auch die sogenannten guten Ratschläge von Freunden:“ Ja, also XY, die hatte das auch. Weisst du, wenn du erst mal einen Job hast, dann geht es dir gleich viel besser. Das lenkt dich dann ab.“ Auf meine Antwort:“ Weisst du, als ich in XY gearbeitet habe, waren die Tage am schlimmsten, also das mit dem Job, der mich ablenkt, kann es ja nicht so weit her sein.“ wusste sie dann auch nichts zu sagen. Eine andere Dame, aus meiner Familie, als ich ihr igrndwannn mal sagte, dass ich krank geschrieben bin, wegen Depressionen (zu dem Zeitpunkt hatte ich keinen Job), ihre erste Reaktion: „Ja aber du suchst doch weiter einen Job, oder?“ Ich:“Häh? Ich bin krank geschrieben?“ „Ja, ach was komm, wenn du erst mal den richtigen Job findest, dann wird es dir schon wieder besser gehen…“
Manchmal in solchen Situationen wünschte ich, Depression wäre etwas physisches, wenn ich einen gebrochenen Arm habe, dann verlangt ja auch kein Mensch von mir, dennoch weiterhin zu schreiben, Fahrrad zu fahren etc. denn es GEHT EINFACH nicht… es ist wirklich eine Krux, denn genau diese „Forderung“ der Aussenstehenden macht ja die Depression letztlich noch schlimmer, man hat ein schlechtes Gewissen, es dürfte einem gar nicht schlecht gehen und damit fährt man sich nur noch weiter hinein und es dauert noch länger, bis man sich wieder hoch ziehen kann.
Es dauert wohl eine Weile, bis man selbst erkennt, was los ist und dass man Hilfe braucht, es ist wirklich traurig, dass in unserer Gesellschaft so viel darüber geredet wird, und dennoch „darf“ man nicht wirklich erkrankt sein, zumindest ist das so ab und an mein persönlicher Eindruck… sorry für den langen Text, wie du siehst, ist das ein Thema, das mir immer wieder sehr nahe geht…
Ich selbst bin vor drei oder vier Jahren an einem Burnout während der Arbeit zusammengebrochen und habe mir sofort Hilfe gesucht , die ich bis heute in Anspruch nehme. In unserer Tischgruppe auf Arbeit ist ein Kollege an mittelschwerer Depression erkrankt, der es noch ein großes Stück schlimmer erwischt hat. Eine Kollegin hält ihn für arbeitsfaul und „er geht abends ausgeruht nach Hause“. Eine entsprechende nicht so stressige Arbeit wird für ihn gesucht, so wie es bei mir auch derFall war. Solange muss ein ggroßer Teil seiner Arbeit von uns mitgemacht werden. Es ist einfach schlimm, wie Menschen in eine Schublade gesteckt werden.
Hallo Ildiko,
ich hoffe, es geht dir jetzt besser? Sehr mutiger Kommentar. Und auch ich nehme es so wahr, dass es in unserer Gesellschaft immer noch stigmatisiert wird, wenn man eine psychische Erkrankung hat. Auch wenn Medien immer mehr darüber berichten und in Blogs (Danke, Tim) eine gewisse Aufklärungsarbeit geschieht.
Empfehlung von Freunde, Familie und Bekannten sind größtenteils echt übel. Doch leider wissen sie es oft nicht besser. Und anstatt die Klappe zu halten, wollen sie irgendwas sagen. Und sei es gefährliches Halbwissen.
Hast du denn auch gewisse alltagstaugliche Übungen von deinem Therapeuten erhalten?
Gruß, Michel
Klar ist das eine Krankheit. Es kann anfangen mit Unwohlsein. Dann Schwächegefühl. Später Mutlosigkeit oder sogar Verzweiflung. Keine Kraft zum Aufstehen. Irgendwann erscheint das Leben sinnlos. Unwertsein. Organische Krankheit. Tod.
Manch einer kennt die ersten Stufen, in denen wir noch die Schwankungen durchhalten, durch Ablenkung und Selbstmotivation zumindest zeitweilig wieder Rückenwind spüren. Gerne möchten wir unser Selbstbild aufrechterhalten und so wollen wir nur daran denken, wie es dann sein wird wenn dies oder das … Der Kopf tut sich schwer mit Akzeptieren. So greifen wir auch zu Psychopharmaka. Nur für heute …. Nicht selten werden dann derartige Ratschläge auch weitergegeben. Die Ratschläge entsprechen der Bewusstheit des Ratgebers. Auch Autoren sind hier nicht auszunehmen, meine ich. Sie geben eben weiter, wie toll ihnen eine mentale Methode seit ein paar Tagen hilft. Das Gesamtbild ist ihnen auch nicht bewusst.
Die Ursachen und Konditionierungen sind wohl oft auch sehr versteckt. Ich würde auf jeden Fall meine Haltung in Augenschein nehmen. Meist erleben wir die Traumas schon als Kind. Sie leben dann unbewusst weiter und ziehen unmerklich unsere Energie herunter. Zudem haben wir in jungen Jahren das Gefühl, wir könnten alles stemmen und achten wenig auf uns und die Anfänge mit Unwohlsein. Antrainierte Schuldgefühle, die auch als Disziplin und Verantwortung daher kommen, stauen immer mehr in uns auf. Anstatt großzügig mit uns selber zu sein und auch etwas Egoismus zu leben, nehmen wir zu viel an Erwartungen an. Ja, wenn diese erfüllt sind, dann …
Es ist wohl kaum überschaubar, welche Konditionierungen in uns sind und durch was sie bewirkt werden. Doch hilft wohl das intellektuelle und logische Denken meist wenig. Denn während ich dies hauptsächlich tue, überdecke ich meist nur meine Gefühle. Nicht selten hilft nach langem Leidensweg dann aber doch die Hinwendung zu Spirituellem. Ich meine hier nicht die Kopfversionen, das Nachplappern und die Klugscheißerei. Eher das sich selber aus dem Weg gehen. Das Zulassen von dem was ist und das Erfahren der inneren Kraft und so auch das Wiederfinden von Vertrauen in eine Welt, die es schon gut mit uns meint. Ohne dass dies abhängen würde von Erwartungen, Disziplin und Schuld.
Ich meine, damit öffnen wir uns wieder der kosmischen Energie um uns. Und tiefere Ursachen werden abgebaut.
LG Richard
Solche Ratgeber sind immer gut. Wie beispielsweise bei Krebskranken haben auch Depressive oft das Problem, dass sie ihre eigene Krankheit erst gar nicht erkennen. Sie nehmen sie vielleicht unbewusst wahr, wissen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, aber können sich nicht vorstellen oder sogar nicht eingestehen, dass sie unter Depressionen leiden und professionelle Hilfe benötigen.
[…] auch: Der wichtige Unterschied zwischen Traurigkeit und Depressionen sowie Dir geht’s schlecht? 5 Anzeichen, dass Du eine Therapie brauchst und Wie man schmerzhafte […]
Ich hatte Jahre lang Depressionen, musste jedoch funktionieren, hatte ich doch Kinder und einen behinderten Mann, einen grossen Garten und kleinere Arbeiten nebenbei.
Ich ging um 4 Uhr schon in die Waschküche, alles noch von Hand gewaschen.
Ging um 6 Uhr in den Garten, dann die Kinder zur Schule zu schicken. Dann legte ich mich hin, stand auf um zu kochen, schlief am Nachmittag wieder, dann wieder kochen. Ich war so erschöpft, dass ich fast auf allen Vieren die Treppen hoch kroch.
Ich sagte dem Arzt, warum habe ich nie mehr ein Glücksgefühl, das ist doch nicht normal. Er ging nicht drauf ein. Ich habe gedacht, wenn ich so viel wie möglich tue, dann hat die Depression keine Macht mehr über mich.
Inzwischen habe ich herausgefunden woher die Depression kam, durch das Aufschreiben meiner
Lebensgeschichte.Ich habe nie mein Leben gelebt, jetzt bin ich allein und lebe mein Leben und die Depressiven Fasen werden immer weniger.
Emila
Hi Tim, ich verfolge nun schon seit einiger Zeit Deine Seite hier. Zu Deinem obigen Artikel kann ich nur sagen, dass das vollkommen richtig ist. Das Problem ist nur, dass es gar nicht so leicht ist, Hilfe zu finden. Zumindest die, die man „von der Krankenkasse“ bezahlt bekommt. Therapeuten gibt es genügend, aber leider hauptsächlich solche, die damit bar abrechnen.