Teile diesen Beitrag "Der Unterschied zwischen Liebe und Verliebt-Sein"
Text von: Christina Fischer
Ich liebe meinen Freund. Ich bin mir sehr sicher, dass es Liebe ist, denn schließlich werde ich den Typ heiraten.
Ganz am Anfang, da war ich auch heftig in ihn verliebt. Wann aus dieser Verliebtheit Liebe wurde, kann ich kaum sagen. Ich bin mir aber sicher, dass es einen Unterschied zwischen beidem gibt. Denn was uns beide heute verbindet, fühlt sich einfach irgendwie anders an als das, was uns am Anfang zusammen gebracht hat.
Früher machte ich mich für ihn schick und er schenkte mir öfter Blumen. Heute fühle ich mich auch ungeschminkt und im Schlabberlook in seiner Gegenwart wohl und er kauft mir Beileidskarten zum Geburtstag, weil er meinen Humor inzwischen besser kennt.
Aber es gibt auch Dinge, die über die Zeit erhalten geblieben sind, wie unsere Zuneigung zueinander und die Tatsache, dass wir über alles miteinander reden können. So weit würde mir wohl auch die Wissenschaft zustimmen. Prof. Dr. Ulrich Mees von der Universität Oldenburg schrieb etwa in einem Aufsatz:
„Verliebtheit und Liebe sind die zwei großen aufeinander folgenden Phasen einer Beziehung, und beide weisen Gemeinsamkeiten auf wie Zärtlichkeit und die Freude über das Zusammensein.“
Woran erkennen wir, dass wir lieben?
Aber woran können wir tatsächlich festmachen, dass die Liebe angefangen hat?
Dazu gibt es nicht die eine, wissenschaftlich oder philosophisch korrekte Antwort. Liebe ist etwas höchst Persönliches. Wir müssen die Menschen fragen.
Professor Mees hat genau das getan: Versuchspersonen wurde ein Blatt mit 30 Aussagen über die Liebe vorgelegt. Beispielsweise: „Wer seinen Partner liebt, denkt häufig an ihn“ oder „Wer seinen Partner liebt, hat volles Vertrauen zu ihm“. Die Teilnehmer der Studie sollten nun angeben, wie sehr die jeweiligen Merkmale aus ihrer Sicht zutrafen. Und zwar aus zwei verschiedenen Perspektiven: Einmal sollten sie ihre „bisher größte Liebe“ danach beurteilen und beim zweiten Mal eine „Liebesaffäre“, die sie selbst beendet hatten als Beispiel für „Verliebt-Sein“.
So zeigten sich folgende gemeinsame Merkmale von Liebe und Verliebtheit:
- „Starke Zuneigung zum Partner“
- „Freude über das Zusammensein mit ihm“
- „Zärtlichkeit“
Interessanter aber waren die Unterschiede:
- Verliebte haben stärkere körperliche Empfindungen. denken besonders oft an den anderen und empfinden eine starke Sehnsucht
- Verliebte scheuen sich davor, „Verantwortung“ für die andere Person zu übernehmen. Sie gaben außerdem an, nicht vollkommen ehrlich zu der Person zu sein und ihr auch nicht vollständig zu vertrauen. Genau diese Eigenschaften, nämlich Ehrlichkeit und Vertrauen, waren jedoch wiederum besondere Kennzeichen von „Liebe“
- Liebe zeichnen außerdem viel stärker aus: „Wertschätzung des Partners“, „Trauer bei Ende der Liebe“, „Mitfreude“, „sehr gutes Verständnis“, „enge Verbundenheit“ und „Akzeptieren von Schwächen“
„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“
Wie schaffen wir es vom Verliebt-Sein zur Liebe?
Viele Verliebte scheitern leider am nächsten Level – dem Übergang zur Liebe. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Ein ganz wichtiger: Wir verwechseln oft Verliebt-Sein mit Liebe. Einfach, weil wir diese Phase so intensiv positiv erleben. Die Hormone tanzen Cha-cha-cha und in unserem Bauch auch die Schmetterlinge, alles scheint möglich und unsere Zuversicht ist grenzenlos. Dieses Gefühlsfeuerwerk ist so prickelnd, dass wir regelrecht süchtig danach werden können.
Dabei ist unser Körper gar nicht dafür gemacht, dauerhaft in diesem Ausnahmezustand zu bleiben, wie etwa die Psychologin Miriam Junge sagt:
„Der Zustand der Verliebtheit und des großen Zusammenspiels der Hormone, des konstanten ‚Unter-Strom-Stehens‘, wären auf Dauer viel zu anstrengend für den Körper.
Daher verknüpft der Körper [anstelle der Verliebtheit nach und nach] das Gefühl der Verbundenheit und Nähe mit dem Partner. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer langfristigen Bindung und einer dazu gehörigen Liebe.“
Fest steht: Wenn die Schmetterlinge aufgehört haben zu tanzen, gibt es genau zwei Richtungen. Entweder die Beziehung geht in die Phase der Liebe über, oder sie endet.
Um an diese Weggabelung zu kommen, muss zumindest ein bisschen Zeit verstreichen. Oft schleicht sich in dieser Zeit der Alltag ein. Viele behaupten, dass es der Alltag ist, der die Liebe killt. Geldsorgen, nervige Marotten oder einfach nur die zusammengeknüllten Socken vorm Bett oder die schmutzigen Teller im Spülbecken.
Ich erinnere mich noch an unser erstes Jahr. Nach den Schmetterlingen wurde es schwierig. Wir stritten viel. Ich klammerte mich fest, er suchte den Abstand – oder umgekehrt. Manchmal fühlte es sich nicht wie Liebe an. Manchmal gab es Tränen.
Viele Beziehungen sind an genau solchen „Banalitäten“ zerbrochen. Doch gibt es immer wieder auch solche, die halten. Ich ärgere mich immer noch über die zerknüllten Socken vorm Bett. Aber allein der Gedanke, ihn nicht mehr an meiner Seite zu haben, nimmt mir heute die Luft zum Atmen. Da ist etwas, das wichtiger und größer ist als die ungespülten Teller und alle unsere Marotten. Vielleicht bleibt das ein Mysterium. Vielleicht ist es aber auch etwas ganz Simples: Unsere Entscheidung für einen anderen Menschen, trotz der ganzen Alltags-Nervereien.
Wie der Schriftsteller Otto Flake sagte: „Liebe ist der Entschluss, das Ganze eines Menschen zu bejahen, die Einzelheiten mögen sein, wie sie wollen.“
Mehr unter 7 Dinge, die wir mit Liebe verwechseln und unter Liebe ist nicht genug – 3 harte Wahrheiten über Beziehungen.
Sehr schön und nachvollziebar geschrieben, Christina. Ja und hier geht es an den Kern der Merkmale, finde ich,. Angefangen mit einer Anziehung, die uns nahezu alle Bewusstheit rauben kann, die sonst noch Bedeutung hätte.
Dinge tun sich im Verlauf, die wir wahrnehmen aber oft nicht überschauen, manchmal glücklich, manchmal mit Tränen. Auch ich wollte das nicht missen im Rückblick. Auch nicht, wenn der Prozess nie angekommen war. Bei der Frage, ob ich das „JA“ denn nun wagen könnte.
Na ja, schliesslich kann die eher benebelte Phase auch gute zwei Jahre dauern. Eine Phase in der drigende Bedürfnisse soweit gestillt werden können, dass es dann auch ohne die sofortige Befriedigung gehen könnte. Bedürfnisse wie Geborgenheit oder ganz bodenständiges Wollen oder eben sexuelle Bedürfnisse.
Verflüchtigt sich zunehmend der Rausch, treffen sich auch zunehmend die Unterschiede im Geist zum Rendevous. Und damit kommt die Trauerarbeit in Gang. Es wird wohl kaum ohne die Trennung von manchen Erwartungen und Vorstellungen gehen. Der Weg bis hinauf zu einer irgendwie ausgeglichenen Akzeptanz und Gelassenheit kann auch steinig sein. So mancher Wanderer ist schon umgekehrt, ohne angekommen zu sein.
Und zunehmend klarer erscheint diese Frage in den Himmel gemalt. Die Frage, ob ich mich von manchen Erwartungen innerlich trennen und Vertrauen wagen will. Die Frage des Aufgebens und Sich Fallen Lassens. Denn nur so wird Raum frei für den Partner, der dann diesen Raum in mir einnehmen kann. Gleichsam Teil von mir werden kann. Sodass seine Sache auch die meine IST. Auch wenn wir vieles nicht verstehen. Z.b. seine maskulin geprägte Sehnsucht, frei seiner Mission zu folgen. Oder ihre feminin geprägte Sehnsucht, sich jederzeit einfach in seinen Armen fallen lassen zu können.
Da wünsche ich uns gutes Gelingen und eine gute Wahl bei solch wichtiger Arbeit.
LG Richard
Guten Abend lieber Richard,
vielen Dank einmal mehr für Deinen ausführlichen und tollen Kommentar. Ich finde, Du machst da einen sehr wichtigen Punkt. Die Trennung von Erwartungen und Vorstellungen ist wirklich hart und vermutlich kommt da auch kam jemand drum herum. Aber ich denke auch, es kann eine wertvolle Erfahrung sein – wenn auch eine schmerzhafte.
Ich schließe mich Deinen guten Wünschen an!
Liebe Grüße,
Christina
Ja unbedingt, Christina. Es gibt sogar Menschen, die glauben, dass der Zweck von Beziehungen im Wesentlichen nur unsere Weiterentwicklung ist. Die Ego reiben sich gegenseitig zunehmend auf, wenn auch zuweilen schmerzhaft.
Liebe auf den ersten Blick, eine große Zeitersparnis.
have a nice day 🙂
Hey Stephan,
da hast Du wohl recht. Ein praktisches Konzept – hab ich aber selbst nie erlebt ;).
Liebe Grüße,
Christina
Ein schöner Artikel, ich glaube wo ich in unserer Beziehung einmal merkte wo meine Partnerin im Urlaub war und ich nicht mehr diese Todes(eben Verliebtheits-)Sehnsucht nach ihr hatte, war es bereits in Liebe übergegangen 🙂 Da die Gewissheit den Partner bald schon wieder in die Arme zu schließen dem Gefühl der Distanz überwiegte 🙂
Hallo Nico!
Vielen lieben Dank. Ich glaube auch, dass dieses Vertrauen darauf, den Partner bald wieder zu sehen (und darauf dass er eben nicht fremdgegangen ist, sich „entliebt“ hat oder sonstige Mätzchen getrieben hat), ist ein Merkmal von „Liebe“. Freut mich sehr für Dich!
Viele Grüße,
Christina
So true!
Es gab 2 Frauen in meinem Leben, die extrem verliebt waren. Mit beiden hate ich eine Beziehung, 1 Jahr und 2 Jahre. Bei beiden hatte ich das Gefühl: Denen ist im Grunde total egal, wie es mir geht…
Ich würde es als abhängige Liebe bezeichnen. Diese Frauen brauchten etwas von mir, sie waren abhängig. Sie boten verschiedene Dinge an wie Anerkennung, Aufmerksamkeit, Schmeicheleien, Zuneigung, Sex… Es war im Grunde mehr eine Tausch-Beziehung als eine wirkliche Verbindung vorhanden.
Bei einer echten Verbindung, also der echten Liebe, von der Du sprichst, ist es genau anders herum.
Dort braucht keiner den anderen. Gemeinsam ist man glücklicher, ja, aber jeder würde auch alleine klar kommen. Ich glaube, dass dies ein sehr gutes Fundament für eine Beziehung ist, wenn beide Partner im Grunde auch alleine zurecht kommen, aber gemeinsam stärker, glücklicher und zufriedener sind.
Beste Grüße
Ben
Hast du mal in ihre Seelen hinein gespürt, Ben? Wenn ja, hast du einen kleinen Platz bekommen in ihren Herzen?
Ich wünschte erst mal, mich würde jemand lieben…..
Wissen die Mädels das?
Beides, Verliebtheit und Liebe hat einen evolutionären Ursprung. Verliebtheit bringt uns einem Menschen so nah, dass wir erspüren (erschnüffeln), ob er genetisch die richtige Wahl für unseren Nachwuchs ist. Wenn wir uns da schon pausenlos über die Socken vor dem Bett aufregen würden, dann würde das wohl nichts werden. Menschlicher Nachwuchs ist nun mal kein Nestflüchter und es bedarf jahrelanger Fürsorge, die es notwendig macht (machte), dass beide Partner sich daran beteiligen. Daher ist die Liebe, also die partnerschaftliche Verbundenheit so wichtig, einhergehend mit Vertrauen und der Bereitschaft Kompromisse einzugehen.
Spannend ist die Tatsache, dass Frau oder Mann in der heutigen Zeit ein Kind auch allein groß ziehen können. Das ist vielleicht nicht immer einfach, aber bewiesener Maßen möglich. Aber was macht diese Sorglosigkeit mit uns? Verlieben wir uns eher vom Bauch her, ohne allzu genau hinzusehen und sind wir weniger bereit für das Gedeihen einer Partnerschaft Opfer zu bringen, uns einzubringen und an unserer Beziehungsfähigkeit zu arbeiten? Wenn wir diese Fragen mit ja beantworten, ist dann aus einem evolutionären Antrieb nicht eher eine Form der Kultur geworden? Kulturelle Werte werden uns nicht in die Wiege gelegt, sondern bedürfen des Lernens, brauchen Vorbilder und die Fähigkeit der Selbstreflexion.
Ja Elisabeth, das ist eine gute Frage, welche Bedeutung Kopf und Evolution da haben, finde ich. Bestimmt leben wir in einer Zeit, in der materielle Zwänge zunehmend geringere Bedeutung haben. Überlebensängste lassen sich oft meistern. Ob die körperliche Anziehung mit Evolutionstheorie zu erklären ist, weiß ich nicht, spielt auch für mich kaum eine Rolle. Sie ist (hoffentlich) da und unterstützt das Beisammenbleiben. Bestimmt vermisst aber ein Kind etwas, das mit nur einem Elternteil aufwächst. Dennoch kann u.U. ein Beisammenbleiben der Eltern noch belastender sein für ein Kind. Wir leben in mehr Freiheit als die Generationen vor uns.
Spannend ist für mich allerdings eher, wie viel mehr Erfüllung und Glück wir mit der gewonnenen Freiheit und der höheren Bewusstheit aus Beziehungen schöpfen können. Die mögliche „Sorglosigkeit“ öffnet uns bestimmt Türen. Wenig beziehungsfähig zu sein bereitet auch alleine genug Schmerzen. Und Opferbereitschaft ist auch nicht das Allheilmittel.
Ich glaube aber, dass wir uns selber eher mehr vertrauen sollten, als auch noch an einen „kulturellen“ Lehrplan zu denken. Aus meiner Sicht leiden unsere Kinder ganz erheblich darunter, dass wir an unserem Denken des Belehrens und des Trainierens in unserer Zeit immer noch festhalten. Wir sollten doch lieber unseren eigenen Kontrollwahn erkennen. Zu viel Kopf schadet oft sogar mehr als Sorglosigkeit. Und das Denken sollte sich an den Signalen des Herzens orientieren und sich eher auf die Schritte im Alltag konzentrieren.
LG Richard
Das Zitat der Frau Psychologin fand ich interessant:
„Der Zustand der Verliebtheit und des großen Zusammenspiels der Hormone, des konstanten ‚Unter-Strom-Stehens‘, wären auf Dauer viel zu anstrengend für den Körper.
Daher verknüpft der Körper [anstelle der Verliebtheit nach und nach] das Gefühl der Verbundenheit und Nähe mit dem Partner. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer langfristigen Bindung und einer dazu gehörigen Liebe.“
Und wie wurde das getestet?
Naja, egal, …
Kann schon etwas dran sein.
Aber bei vielen Menschen kommt es mir vor, als ob es für ihre Körper eher anstrengend wäre, Normalität und Liebe einkehren zu lassen, und sie daher die Sucht des Verliebt-Seins immer wieder suchen und brauchen …
Sehr toller Beitrag, weiter so myMonk
Kenne auch das Phänomen, das es gar keine Verliebtheit vorher gibt sondern man direkt eine ganz tiefe Verbindung zu einem anderen cf Menschen verspürt. Meistens ist das dann diese Dualseelen Geschichte!
„Aber allein der Gedanke, ihn nicht mehr an meiner Seite zu haben, nimmt mir heute die Luft zum Atmen.“
Das ist nicht Liebe. Das ist Abhängigkeit und bedürftig.
Ein sehr schöner Artikel. Verliebtsein ist für mich wie ein Tanz der Hormone. Wie ein knisternder Tango Und bei der wahren Liebe kann dieser Tanz ein ganzes Leben lang dauern.