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Text von: Christina Fischer

Im schlimmsten Fall wirst Du bei den folgenden Zeilen genau wissen, wovon ich spreche. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist leider groß. Auch wenn keiner eine genaue Zahl festlegen kann, wie viele Opfer von Gaslighting es tatsächlich gibt. Denn viele Betroffene wissen nicht, dass sie betroffen sind.

Das ist die Krux an der Sache: Gaslighting ist höchst subtiler psychischer Missbrauch. Wer Gaslighting betreibt, der will die Selbstwahrnehmung seines Opfers derart verwirren, dass es sich im schlimmsten Fall für verrückt, wehrlos und wertlos hält. Und ist der Zweifel an sich selbst erst einmal eingepflanzt, stellt er sich als mieses, widerstandsfähiges Unkraut heraus.

Gaslighting: Wer tut so etwas?

„Psychischer Missbrauch“, das klingt hart. Nach Einzelfall, vielleicht nach Schicksalsbericht in einem Klatschblatt, über das der Leser kurz den Kopf schüttelt und dann weiterblättert. Aber nein, Gaslighting kann nahezu jeden von uns treffen und wahrscheinlich hat es auch nahezu jeden schon getroffen. Denn längst nicht immer endet es in einer Depression.

Wer andere „gaslightet“, der ist nicht zwangsläufig ein bitterböser Wicht, der andere zerstören will. Es geht beim Gaslighting um Macht, erklärte etwa die Psychologin Dr. Bärbel Wardetzki in einem Interview:

„Eigentlich ist es ein Mechanismus: nämlich Macht zu haben und zu halten. (…) Das ist an sich nichts Untypisches. Aber wenn Menschen sehr unsicher sind, kann es eben auch perverse Formen annehmen. Denn Angst führt dazu, dass wir alles kontrollieren wollen, um wieder Sicherheit zu erlangen. Das passiert oft unbewusst und gar nicht böswillig.“

Der Wunsch nach Macht hat viele Gesichter. In aller Regel sind es Narzissten, die sich hinter der Maske des Gaslighting verstecken und uns einreden wollen, dass mit uns etwas nicht stimmen würde.

Doch es gibt ziemlich eindeutige Warnsignale. Es folgen fünf davon, die ich größtenteils aus eigener Erfahrung kenne.

1. Dir wird etwas als „normal“ verkauft, obwohl Du tief in Dir fühlst, dass es das nicht ist

Als unbedarftes Teenager-Mädel hatte ich mal einen Freund, der – wie er sagte – mich nur beschützen wollte. Trafen wir einen männlichen Bekannten von mir, drückte er meine Hand fest oder trat mir auf den Fuß, um mir klar zu machen, dass es „nicht okay“ ist, mich mit ihnen zu unterhalten. Zu Hause bekam ich dann einen Vortrag, wie ich mich nur „so angucken lassen“ könnte, ob ich denn nicht sähe, was das für ein schlimmer Kerl wäre.

Als ich jenem damaligen Freund zu verstehen gab, dass mir sein Verhalten peinlich war, sagte er: „Es ist doch wohl normal, dass ich als Dein Freund Dich vor den zwielichtigen anderen Männern beschützen muss!“ Und ich bekam zu verstehen, dass ich sehr undankbar sei, dieses Verhalten nicht zu schätzen zu wissen.

Nun, es war mein erster Freund und ich zog in Erwägung, dass er vielleicht recht haben könnte. Heute weiß ich aber: Der Typ hatte nicht recht. Es war Manipulation, Gaslighting.

2. Der Gaslighter sagt das Eine und tut das Andere

Selber Freund, andere Geschichte. Der Himmel hing voller Geigen! Mal wieder. Er schwärmte mir von Urlauben vor, die wir unternehmen würden. In Paris würden wir in diesem kleinen Café sitzen … und als Andenken würde er mir teure Ohrringe kaufen … und dann oben auf dem Eifelturm … und überhaupt.

Aber immer, wenn ich die Reise tatsächlich angehen wollte, wurde ich verbal abgewatscht: „Du siehst doch, dass ich gerade voll im Stress bin“ hieß es dann etwa. Zu der Reise kam es nie. Für Gaslighter ist das ziemlich symptomatisch: Mit großen Versprechungen ködern und dann so tun, als wäre das doch niemals so gemeint gewesen.

Natürlich können wir Menschen nicht immer all unsere Versprechen halten. Der Gaslighter betreibt das jedoch gezielt.

3. Du zweifelst an Deiner Erinnerung

Wenn es beim Gaslighting ans Eingemachte geht, wirst Du vielleicht an einen Punkt kommen, an dem Du Dein Erinnerungsvermögen anzweifelst. „Mein Freund ist nicht so fürs Partymachen“, sagte ich etwa einmal in seiner Anwesenheit vor Freunden und erinnerte – meiner Meinung nach – genau ein Gespräch mit ihm, in dem er mir genervt erzählte, dass er Feiern total hasst und sinnlos findet.

Vor den anderen fiel er mir jedoch in den Rücken: „Das habe ich SO niemals gesagt. Ich hatte auf diese spezielle Party keinen Bock. Christinas Gedächtnis ist manchmal echt wie ein Sieb.“ Es blieb nicht die einzige Situation dieser Art und letztendlich traute ich meinem Gedächtnis selbst immer weniger über den Weg.

4. Du zweifelst an Deiner Wahrnehmung

Wo ich schon mal dabei war, meine Erinnerung kritisch zu sehen, begann ich auch bald generell an meinem Verstand zu zweifeln. Vor allem an meiner Wahrnehmung. Waren die Blicke, die meine männlichen Bekannten mir zuwarfen, etwa wirklich so begehrlich? Sah ich in diesem Kleid wirklich so billig aus? Fanden mich die anderen wirklich peinlich, wenn ich einen Witz machte?

Irgendwann konnte ich das alles nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Und um mich vor einer möglichen Blamage zu bewahren, vertraute ich meinem Freund, dem Gaslighter. Grober Fehler. Leider manipulieren nicht nur Einzelpersonen unsere Wahrnehmung. Auch Werbung und Medien schrauben bekanntlich kräftig daran herum. Wir glauben vielleicht, wir seien zu dick, wenn wir nicht in Heidi Klums Topmodel-Auswahlschema passen oder nicht cool, wenn wir nicht das neueste Apple-Produkt unser eigen nennen können. Es ist schwierig, sich all dem zu entziehen. Aber wir können versuchen, hellhörig zu werden und all diesem Gaslighting mit offenen Augen zu begegnen.

5. Du fühlst Dich nicht gut genug

„Gedächtnis wie ein Sieb“ – das war erst der Anfang. Im Zuge des Gaslighting wird Dir der Gaslighter noch einige Deiner vermeintlichen „Schwächen“ aufdecken. Ich war beispielsweise „immer viel zu sensibel“, manchmal „paranoid“ und sowieso chronisch „undankbar“ für meinen Ex.

Und wenn Du ohnehin schon dabei bist, an Dir zu zweifeln und dem Gaslighter allmählich zu glauben, dann kann Dein Selbstwertgefühl mächtig einknicken. „Ich muss ja eigentlich ganz froh sein, dass er mit mir zusammen sein will, so erbärmlich wie ich bin“, dachte ich mir damals in manch stiller Stunde. Ich fühlte mich winzig klein neben ihm – und genau das wollen Gaslighter erreichen. Geringer Selbstwert mag nicht unbedingt immer eine Folge von Gaslighting sein, aber es ist umso wahrscheinlicher, wenn das schon einmal irgendwann in Deinem Leben anders war. Wie hast Du Dich gefühlt, bevor Du ihn oder sie getroffen hast? Mochtest Du Dich damals mehr als jetzt?

Im Strudel des Gaslighting: Das ist Dein Anker

Gaslighting hat zwar einen modernen Namen, ist aber so alt wie die Menschheit. Und es wird niemals aufhören, solange es Menschen gibt. Mit der Werbung und den unzähligen Kanälen der sozialen Medien wird der unergründliche Ozean der Manipulation zusätzlich gespeist. Wenn Du Dich auch den Gaslighting-Gezeiten nicht ganz entziehen kannst, so sitzt Du jedoch nicht ausgeliefert in Deinem Boot. Du hast einen Anker: Dich selbst. Niemand kennt Dich so gut, wie Du Dich kennst. Niemand sieht durch Deine Augen, niemand fühlt mit Deinem Herzen. Du kennst Deine Wahrheit, egal, was Dir irgendwer weismachen will. Und nur darauf kommt es an. Deswegen: Höre auf Deine innere Stimme, auch wenn Sie nur flüstert. Und wenn Du ein leises S.O.S. in Dir hörst – wirf den Anker.

Mehr unter Gaslighting: Wenn Du manipuliert wirst, bis Du Dich für verrückt hältst.

Photo: Manipulation / Shutterstock