Teile diesen Beitrag "Selbstfürsorge ist nicht Schaumbad und Schoko-Eis, sondern für Dich einstehen"
Text von: Johanna Wagner
Ich bin müde und ausgelaugt, unterfordert im Job und überfordert vom Rest, alarmiert vom Smartphone und träge nach Feierabend: Augen zu, abtauchen, untertauchen, die Luft anhalten – mir die Luft zum Atmen nehmen.
Wie passt Du in dieser schnelllebigen, entgrenzten Welt voller Möglichkeiten eigentlich auf Dich auf? Mit einem ausgeschalteten Handy und einem Buch in den Händen am Abend? Mit Saunagängen und Wellness-Wochenenden? Mit Familientreffen oder Zeit nur für Dich?
Fest steht:
Wenn das Leben uns viel abverlangt, müssen wir umso besser auf uns achten
Dabei bedeutet Selbstfürsorge nicht, sich von den Anstrengungen des Alltags zu erholen, sich jeden Wunsch zu erfüllen und auf diese Weise kurzlebiges Glück zu erschaffen. Es geht auch nicht darum, sich von Urlaub zu Urlaub zu hangeln und die Tage dazwischen wie ungelebte Blätter aus dem Kalender reißen zu wollen…
Es geht darum, genau diese Tage – unser Leben – so zu gestalten und zu leben, dass sie unseren Vorstellungen entsprechen, dass wir uns selbst in unserem Leben wiederfinden, uns weiter- und aus den unsichtbaren Fäden entwickeln. Uns einen Alltag zu bauen und eine kleine Welt in der großen zu erschaffen, die uns wie eine Höhle schützt.
Selbstfürsorge ist eine Prophylaxe, die die Entfremdung von sich selbst, die Erschöpfung und Zerstreutheit gar nicht entstehen lässt.
Natürlich erweckt ein Schokoladeneis das belohnende Glücksgefühl nach Feierabend und auch ein stundenlanges Schaumbad ist Selbstfürsorge: Wir können die Gedanken schweifen lassen (und kommen so auf neue), unserem Körper und unserem Geist etwas Gutes tun, abschalten und so auftanken. Das ist die angenehme Selbstfürsorge, die die Seele baumeln lässt und die Beine mal hochlegt.
Aber Selbstfürsorge bedeutet auch etwas anderes:
Nämlich seiner Seele zu folgen, die Beine in die Hand zu nehmen und ganz aktiv auf sich zu achten – und das kann mitunter (zunächst) recht unangenehm sein. Für sich selbst zu sorgen geht nämlich oft damit einher, nicht zugleich auch allen anderen gerecht werden zu können, wenn wir die Dinge tun, die wir am wenigsten tun wollen:
Nicht mehr länger die Freundschaft pflegen, deren Zeit vielleicht abgelaufen ist, sondern einen ehrlichen Schlussstrich ziehen;
der Kollegin die Meinung sagen, weil ihre negative Art das ganze Umfeld vergiftet, und Stellung beziehen;
nicht allem und jeden zusagen, weil man Zeit für sich braucht, und somit vielleicht andere enttäuscht;
den Onkel nicht zur Hochzeit einladen, weil keine echte Beziehung besteht, dafür aber einen vertrauten Freund;
den Job kündigen und die Kollegen im Stich lassen, weil man einen Neuanfang sucht und den eigenen Weg verfolgt;
die Krankmeldung einreichen, auch wenn es brennt, aber erstmal gesundwerden.
Es gibt tausende große Kleinigkeiten, hinter denen wir uns verstecken, um anderen gerecht zu werden; um nicht ungerecht zu werden, aber uns selbst gegenüber unecht werden. Am Ende dankt es uns keiner, nur wir schreiten unleidlich immer weiter, während keiner etwas von uns hat – nicht einmal wir selbst.
Die unbequeme Selbstfürsorge führt zur Authentizität
Wir wollen doch von anderen nicht für unseren Schein, sondern für unser echtes Sein gemocht werden. Wir tun niemandem einen Gefallen, wenn wir uns verstellen – uns selbst schon gar nicht. Es geht darum, dass wir uns treu bleiben. Echt und authentisch sind.
Auch wenn der bequeme Weg leichter erscheinen mag, wird die unbequeme Ausflucht uns danach beschweren und wir werden uns bei anderen beschweren, dass die Freundschaft substanzlos ist, die Kollegin mit ihren Lästereien alles zerstört, die Zeit für uns fehlt, beim Anblick des Onkels an den lieben Freund denken, der heute fehlt, den Arbeitsplatz verfluchen, weil die Stelle nicht mehr zu uns passt und nicht einmal Zeit und Raum zur Genesung lässt.
Dabei liegt es an uns.
Wenn wir nicht für uns sorgen, tut es keiner.
Tauche nicht ab, sondern tauche auf und verändere
Wahre Selbstfürsorge zeigt zunächst die unbequemen Dinge auf, die, haben wir sie gemeistert, das Leben schließlich nachhaltig verwandeln. Sie stiftet auf den ersten Blick keine Erholung und greift viel tiefer als ein Schokoladeneis oder ein Schaumbad: Sie verändert den Alltag nachhaltig. Denn wenn wir nicht nur abtauchen, sondern in uns eintauchen, dann endlich auftauchen und unbeachtet der Außenwirkung sagen können „Mein Leben fühlt sich gut an“, haben wir ziemlich gut für uns gesorgt.
Wo versteckst Du Dein wahres Ich auf Deine Kosten?
Und was kannst Du tun, um diese Angelegenheit zu ent-wickeln, um so für Dich zu sorgen?
Mehr unter: Selbstfürsorge – Warum sie so wichtig ist und wie sie gelingt sowie unter Der 7-Tage-Plan für mehr Selbstfürsorge.
Photo: Strong woman / Shutterstock
Tatsächlich habe ich das vor ein paar Wochen gemacht. Mich krank schreiben lassen, um liegen gebliebene Kopfarbeit aufholen zu können, grob gesagt.
Immer wieder verstricke ich mich mit dem Gott des alltäglichen Gemetzels, sozusagen. Aber genau wie im Artikel beschrieben funktioniert es. Den unbequemeren Weg wählen, weil mitunter nur der zu echtem Wachstum, mehr Ruhe, weniger Anstrengung, mehr Zufriedenheit führen kann.
Guter Artikel. =) Schönen Sonntag
Danke für die neue Perspektive! Ich gehe meistens die unbequemen Wege und habe mich oft gefragt ob diese Ehrlichkeit (und nicht nur nahestehenden Menschen gegenüber) nicht zu viel Kraft kostet. Aber das als Selbstfürsorge zu sehen, welche es ja wirklich ist- wenn man sich nicht verbiegen will, ist wirklich eine Bereicherung.
Das ist etwas, das ich über mehrere Jahre lernen musste: dass Selbstfürsorge manchmal Mut kostet. Aus Angst, nicht zu genügen, nicht alles zu schaffen, nicht mehr geliebt zu werden, habe ich irgendwann nur noch für die anderen, die Arbeit, das Außenbild gelebt. Ein Schaumbad hätte da schon lange nicht mehr gereicht.
Jetzt weiß ich, dass ich mich von Zeit zu Zeit vom Arzt krankschreiben lassen muss, um die Batterien wieder aufzutanken und wieder genug Abstand zu gewinnen, damit ich im Alltag die richtigen Entscheidungen treffen kann.
Danke für den guten Artikel.
Das finde ich sehr schön dargestellt. Die Bewusstwerdung unserer Zeit. Die Befreiung von angenommenen Glaubenssätzen. Und das ist nicht immer bequem. Mit neuen Perspektiven sehen wir uns auch gedrängt, zu antworten im Tun. Verantwortung kommt hinzu.
Unbequem finde ich vor allem das Gefühl, das sich einstellen kann mit einer Abgrenzungen zu Meinungen und Erwartungen. Vielleicht haben wir uns länger schon oberflächlich treiben lassen im Schutz von Masse und Mainstream. Eine Abgrenzung bedeutet ja auch oft Abgrenzung der anderen mir gegenüber. Ein Gefühl nahe von ungeliebt oder unwert zu sein kann sich dann einstellen.
Doch das Treiben im Denken mit anderen kann auch schmerzhaft werden. Und so lernen wir dazu. War es einmal das geregelte Leben, in dem wir es anderen recht machten, um anerkannt zu sein. Oder das Leben in der Selbstverwirklichung. Scheinbar brauchte ich nur alle Kraft zu geben und schon ist Ungeliebt oder Unwert Sein vertrieben mit einer Illusion. Am Ende der Kraft dann die Kehrtwendung und eine Haltung mit extremer Empathie, da ich nun diese gerade von Empathie viel zu brauchen scheine.
Genug übertrieben und eher extrem gelebt, kann alles irgendwann Leere und Schmerz bereiten. Haben wir uns selber vergessen in einer Haltung, mit der wir jeweils alles „richtig“ machen wollten? Es scheint, wir waren zu bequem oder gar ängstlich, um auch authentisch zu sein. An jeder Haltung ist wohl etwas richtig und vielleicht ist es auch wichtig, alles einmal zu erfahren zu leben. Um damit zu wachsen und vor allem, um bewusster zu werden und früheres zu integrieren mit einer Veränderung.
Vielen Dank für diesen Beitrag!
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich zu viel abgrenze. Ich trinke keinen Alkohol, weil ich einfach keinen mag und ich fahre am Wochenende nicht zur Geburtstagsparty eines Kollegen, weil die Anfahrt 1 h dauert und ich das Wochenende für mich brauche oder um Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Würde ich nicht für mivh einstehen, würde ich mich selbst nicht mehr sehen und mich selbst verlieren. Es tut gut zu wissen, dass andere auch Selbstfürsorge für sich betreiben 🙂
Es ist nicht zuende gedacht.
Selbstfürsorge heißt dann auch, ohne Jammern hinzunehmen, dass man selbst auch ausgeladen wird, dass Freundschaften beendet werden, weil man selbst anderen nicht mehr gut tut.
Dass Kollegen mich unerträglich finden. Dass Freunde und Bekannte vor lauter Selbstfürsorge mich nicht mehr anrufen und mich aussortieren.
Es ist keine Einbahnstraße.
Ich muss auch anderen zugestehen, dass sie sich nicht mehr von mir auslaugen und ausnutzen lassen wollen.
Ein gelegentlicher Perspektivwechsel hilft zu erkennen, dass es in den seltensten Fällen nur böse Täter gibt, die mich armes Opfer ausnutzen.
Auch ich bin Täter. Natürlich nicht so kalt berechnend wie die anderen.
Ja. Die Täter tun es eher unbewusst, Hun. Oder sie finden es normal, dich auszunutzen, weil du das auch tust. Wenn du dieses Hin und Hergezerre der Energie nicht mehr mitmachen willst, wirst du wohl auch nicht mehr gewollt von denen, die das brauchen. Doch gibt es andere. Deren Energie strahlt dann aber beständiger auch für dich. Eben in Grenzen. Sie holen sich im besten Fall die Energie vom Universum. Und sie sind zuverlässiger mit dem was sie dir anbieten.
Da gebe ich Ihnen recht Richard….
Ehrlich? Mir kommt diese Erkenntnis leider zu spät, obwohl nicht wirklich zu spät.Ich bin eine „Macherin,Organisiererin Unruhestifterin… könnte man so weiter führen durchaus im positiven allerdings ganz sicher auch im negativem.Mamnchmal fehlte mir der Mut, manchmal der Durchblick, manchmal war ich Hauklotz.Oft zu laut wo es besser wäre leider zu sein, oft mußte ich Suppen auslöffeln die mir nicht schmeckten.Ok, irgendwann lehrte nich das Leben das eine oder andere eben so hinzunehmen, damit fuhr ich in die Komfortzone ein und fand nicht mehr raus.Nun bin ich irgendwie ausgebrannt,nicht in Form eines Burn Outs, das hatte ich als es noch anders hieß und für viele war es einfach nur der „Husch“, nein mein Körperhat den Ganzkörperstreik Totalverweigerung eingeläutet, „No way return“… Komisch jetzt kann ich sanftmütig, ehrlich offen sein und in wirklich harmonischer Art und Weise Konflikte lösen durch klares Ja oder Nein.Jetzt weiß ich was mir gut tun würde und was machbar ist, auch mit Fremdpersonen und es klappt.Warum ? Ich hab nichts mehr zu verlieren, nur noch Lebensqualität für kurze oder etwas längere (weiß keiner,bin palliativ) Zeit zu gewinnen und ich komme klar, mit Leuten die gar nicht wissen was los ist, mit Leuten die es wissen und kein Mitleid haben, sondern meinen Mut belohnen. Diese Momente beruflich,privat sind so was von wertvoll.Wer es kann sollte so schnell mit der Selbstfürsorge anfangen, heute wird so offen darüber geredet es ist eigentlich ein bestimmter Lifestyle und hat gar nichts mit Egoismus zu tun, sondern nur seine eigenen Ressourcen einzuteilen, damit sie ein Leben lang reichen.Das schützt nicht vor Zankereien,oder Neid oder Unbill des Alltags allgemein, es würde mit der Zeit allen im Umfeld besser gehen.
So, nun geh ich Geburtstag feiern, neee nicht meinen.
Schönes Wochenende Petra Lavendelherz
Hallo TIm,
Ich bin ernsthaft sehr erstaunt, wie treffend dieser Text von Johanna Wagner in meinem Fall aktuell ist. Alle genannten Punkte, mit denen man sich „selbst im Weg“ steht, treffen voll zu.
Ich werde jetzt schrittweise versuchen, das zu ändern.
Aufgrund einer etwas schwierigen gesundheitlichen Konstitution ( Eine Art Behinderung von Geburt an und dann auch noch lange als Baby im Krankenhaus in den 70ern, Stichwort Hospitalismus ) habe ich leider nicht immer genug Selbstwertgefühl, mich wirklich durchzusetzen. Aber meine Augen sind nun geöffnet.
Danke.
Gruß
Chris
Danke für diesen tollen Artikel, den ich auch gerne teile. Selbstfürsorge ist auch oft mit schmerzhaften Konsequenzen verbunden. Man muss eine Entscheidung treffen. So eine Entscheidung kann das ganze Leben auf den Kopf stellen und die Tür zu vielen neuen Möglichkeiten öffnen. ❤
Ich habe alles hiersein gelesen, fühle mich trotzdem vom ganzen recht entfremdet. Ich bin schon 65 Jahren Diabetikerin, schon 10 Jahre leide ich an Multischlerose, wegen einer Misdiagnose, (Alles liegt an der Zuckrankheit!)! Verlor ich das eine Unterbein! Ich versuche viel zu Hause zu machen, genieße er’es wenig, mit anderen Menschen zu sein. Ich verstehe mich recht aber mit meinem Mann.
Danke, dass mir diese Berichte immer zum richtigen Zeitpunkt über den Weg laufen! 4 von den genannten 6 Punkten beschreiben exakt meine derzeitige Situation. Habe mich jetzt erstmal aus dem Verkehr gezogen (Krankmeldung) um Kraft zu tanken. Dann nehme ich mir die nächsten Punkte vor.