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Text von: Romy Hausmann

Ein Kuchen zum Geburtstag, ein paar Plätzchen zum Trost, eine Torte zur Hochzeit oder Omas Apfelstrudel zu jeder Gelegenheit, weil der einfach immer (rein-)passte. In Sachen Gebäck war ich die längste Zeit meines Lebens Konsumentin. Die, die gierig zugegriffen und die meisten Krümel hinterlassen hat. Backen, das war für mich Oma. Das war der betörende, süße Geruch, der durch ihre Küche gewabert ist. Das war eine gutmütige, alte Frau mit Blümchenschürze. Das war heile Welt. Wirklich darüber nachgedacht habe ich allerdings nicht. Eine backende Großmutter erschien mir selbstverständlich, Service-Leistung des Hauses sozusagen. Beschäftigungs-Therapie für eine ältere Dame, die nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wusste.

Dass „Backen ist Liebe“ kein Vorwand einer gelangweilten Rentnerin war und auch kein Satz, den sich irgendeine Marketing-Abteilung clevererweise ausgedacht hat, um ihre Margarine an den Mann bzw. an die backende Frau zu bringen, habe ich erst später so richtig verstanden.

Backen ist wirklich Liebe – und noch viel mehr. Es kann sogar unser Leben um mehr als ein Krümelchen besser machen, wie Psychologen erforscht haben.

Backen als Stress-Therapie

„Backen ist ein Ausdruck der Kreativität“, sagt die Psychologie-Professorin Donna Pincus von der Boston University. „Und Kreativität führt nachweislich dazu, dass wir uns entspannter fühlen. Egal, ob Du in Deiner Freizeit malst, Musik machst oder backst: Kreative Beschäftigung ist ein absolutes Stress-Ventil.“

Der Grund: Wenn wir kreativ sind, wird nachgewiesenermaßen der dorsolaterale präfontale Kortex entlastet. Das ist der Teil unseres Gehirns, der für Planung und Verhaltenskontrolle zuständig ist. Und: Laut Ergebnissen der Drexel University in Philadelphia reichen schon 45 Minuten kreative Beschäftigung, um den Wert des Stresshormons Cortisol im Körper erheblich zu senken.

Backen als Achtsamkeits-Meditation

John Whaite, ein britischer Hobby-Bäcker, der durch die englische TV-Back-Show „The Great Bake Off“ bekannt geworden ist, hat mal gesagt, dass Backen ihm geholfen habe, seine Depressionen in den Griff zu bekommen. „Die Zutaten abzuwiegen, sich Schritt für Schritt durch ein Rezept zu arbeiten und sich gut organisieren zu müssen, befreit den Kopf. Es ist wie Meditation.“ Whaite litt seit Kindertagen unter Depressionen, ausgelöst durch die Scheidung seiner Eltern, die er nie verkraftet hat.

Psychologin Pincus stimmt dem zu: „Backen schärft die Achtsamkeit. Du bist gezwungen, Dich völlig auf den Moment zu konzentrieren. Auf das Rezept, auf den Teig, auf den Geruch und den Geschmack, auf die Backzeit. Zudem tust Du etwas Produktives und wirst am Ende mit einem Ergebnis belohnt.“ Mit noch mehr belohnt, wenn wir das Ergebnis dann teilen. Wenn sich andere freuen, sich hermachen über unser Werk, Nachschlag fordern.

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Backen als Form der Kommunikation

Manchmal ist ein „Danke“ schlichtweg zu klein. Oder die einzigen Worte, die es zu sagen gäbe, klingen einfach nur blöd. „Mein Beileid.“ „Das wird schon wieder.“ „Wenn ich Dir irgendwie helfen kann…“

Nein, manches wird eben nicht wieder (nie wieder). Manchmal ist es einfach vorbei. Ein Stuhl bleibt leer. Eine Krankheit ist stärker. Ein Herz hat irreparablen Schaden genommen. Manchmal kann man als Außenstehender nicht helfen. Egal, wie gerne man es würde.

Natürlich sind Kekse kein Trost in solchen Situationen. Ein Kuchen macht nicht alles wieder gut oder ungeschehen. Aber vielleicht kann er auf seine eigene stumme Art und Weise dort etwas aussagen, wo sich die Worte so schwer tun. „Du bist nicht allein.“ „Du bist mir wichtig.“ „Ich kümmere mich um Dich.“ Oder eben auch einfach mal: „Danke, dass es Dich gibt.“

Für andere zu backen ist ein Akt des Gebens (und hält gesund)

„Für andere zu backen gibt Dir das Gefühl, etwas Gutes zu tun und eine Bedeutung im Leben zu haben. Und es stärkt Deine Verbindung mit anderen Menschen“, sagt Donna Pincus.

Schon klar, den leckeren Schokokuchen zu teilen, grenzt schon fast an einen selbstlosen Akt, ein Opfer. Dem eigenen Verzicht gegenüber stehen allerdings die Vorteile, die das Teilen nachgewiesenermaßen mit sich bringen. Endorphine werden freigesetzt. Negative Gefühle werden ausgeschaltet. Sogar das Immunsystem wird gestärkt.

Warum Backen sogar noch mehr kann als Kochen

Erst ein Backbuch hat die britische Fernsehköchin Nigella so richtig berühmt gemacht. Im Vorwort des 2000 erschienenen „How To Be a Domestic Goddess“ begründet sie, warum Backen ihrer Meinung nach als Ausgleichs-Beschäftigung in unseren stressigen Zeiten noch mehr kann als Kochen: „Das Problem an moderner Küche ist die Stimmung, die sie beim Kochen erzeugt: Es geht um haarscharfe Effizienz, um Schnelligkeit, aber kaum um Spaß. Beim Backen müssen wir uns nicht wie eine postmoderne, postfeministische, gestresste Frau fühlen, sondern dürfen eine träge dahinschwebende Küchengöttin sein, umwölkt vom Muskatnuss-Aroma ofenwarmen Kuchens.“ Oder – um mal gender-korrekt zu bleiben – ein selig eingenebelter Küchengott.

„Wo Kuchen ist, da ist auch Hoffnung. Und Kuchen gibt es immer“, sagt der amerikanische Schriftsteller Dean Koontz. Ein schöner Gedanke, wie ich finde. Einer, der sich weiter variieren lässt: Wo Kuchen ist, da hat sich jemand Mühe gemacht. Wo Kuchen ist, da wird gemeinsam gegessen. Wo Kuchen ist, da ist man nicht allein.

Ist es nicht schade, dass wir heute lieber WhatsApps mit Herz-Emojis verschicken, wenn wir jemandem eine Freude machen wollen? Dass wir wir unsere Zeit lieber damit verbringen, Bilder auf Instagram zu liken von Leuten, die ihr Essen fotografiert haben?. Dass wir lieber ein Stück Torte im Restaurant bestellen oder einen fertigen im Supermarkt kaufen?

So vieles haben wir nicht im Griff. Wir können uns keine perfekten Partner backen und keine perfekte Welt. Aber wir können einen Kuchen backen, denn dabei geht’s um weitaus mehr als nur um Zucker auf der Zunge oder einen vollen Magen.

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Photo: Baking / Shutterstock