Teile diesen Beitrag "Warum Du wichtige Dinge aufschiebst (und was wirklich hilft)"
Ungezählt sind die Tage, an denen ich Bäume ausreißen wollte, ganze Wälder sogar, und an deren Abenden ich mich wiederfand, noch immer unter einem dieser Bäume liegend und nichts geschafft, gar nichts.
Du kennst das sicher. Dieses „Prokrastinieren“, diese lange Bank, auf die Du wichtige Dinge schiebst. So lang ist diese Bank, dass sie einmal um die ganze Welt reicht und sich in Deinen Hinterkopf rammt, wodurch Du sie eben doch nie ganz vergessen kannst.
Wenn Du eigentlich dringend für Prüfungen lernen müsstest, oder die Präsentation fertig machen, oder endlich Sport, nach den warnenden Worten Deines Arztes.
Wir alle schieben Dinge auf.
Warum?
Weil wir Angst haben.
Angst, die Aufgabe könnte zu schwierig für uns sein, zu verwirrend, zu anstrengend.
Angst, wir könnten versagen.
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Was hinter der Angst der steht
Dahinter stehen falsche Ideale, irre Erwartungen, die wir uns selbst, aber auch der Aufgabe aufdrücken:
- Wir erwarten von uns, dass wir alles gleich perfekt erledigen … und dass wir immer genau wissen, was wir wann in welcher Reihenfolge tun müssen, uns durchweg kompetent und erfolgreich fühlen, bis zum Rand mit Selbstbewusstsein gefüllt
- Wir erwarten von der Aufgabe, dass sie uns Freude macht, einfach, bequem und schnell lösbar ist
- Wir erwarten, dass, wenn wir fertig sind, der Chef / der Kollege / der Kunde / der Partner / das Kind vor Ekstase gar nicht wissen, ob er zuerst in die Hände klatschen oder vor uns auf die Knie fallen soll
Die Realität sieht jedoch anders aus. Vieles gelingt nicht sofort, vieles ist unklar am Anfang, vieles verlangt uns Geduld ab.
Und so stehen wir vor einer gigantischen Mauer aus Idealen und Versagensängsten, verunsichert wie ein schutzloser Nacktmull, der von einer Stachelschwein-Brigade wird, und schließen die Augen in der Hoffnung, dass alles weg ist, sobald wir selbst es nur nicht mehr sehen können.
Wir schließen die Augen vor dem, was zu tun ist, indem wir uns ablenken mit Aufgaben, die einfacher sind und damit unsere Erwartungen an uns und die Aufgabe erfüllen. Wir beantworten Mails, die uns nicht helfen. Verfolgen auf Facebook das verzerrte Leben von Bekannten, die wir nicht mögen. Vergleichen stundenlang die Features von Produkten, die wir nicht brauchen.
Doch es gibt einen Ausweg, einen Weg vom Aufschieben zum Anpacken und von überwältigender Angst hin zu einer, die man aushalten kann.
Von den Erwartungen befreien
Der Ausweg besteht aus drei Schritten:
1. Schritt: Die Erwartungen an die Aufgabe loslassen. Akzeptieren: Das Leben ist nicht immer leicht. Die Geburt eines Babys ist nicht angenehm und leicht, und die Geburt eines wirklich wertvollen Vorhabens aus der Welt der Träume hinein ins echte Leben ist es auch nicht.
„Die Aufgabe mag nicht leicht sein, doch das muss sie auch nicht sein.“
2. Schritt: Die Erwartung an uns selbst loslassen. Akzeptieren: Wir sind manchmal planlos, manchmal ratlos, manchmal erfolglos, auch wenn wir uns bemühen. Doch sind es diese Phasen, in denen wir wachsen, in denen wir trotz der Unwohlgefühle voranschreiten, die alten Grenzen der Komfortzone hinter uns lassen.
„Ich mag Fehler machen, doch das darf ich auch.“
3. Schritt: Die Erwartung loslassen, dass wir alles auf einmal machen müssten. Stattdessen klein anfangen und einen Schritt nach dem anderen gehen. Es ist doch so: Ein Buch schreibt man Wort für Wort, Satz für Satz. Einen Garten gräbt man Zentimeter für Zentimeter um, Beet für Beet. Den Abwasch erledigt man Besteck für Besteck, Teller für Teller. Und oft kommt Schwung in die Sache, wenn das erste Wort geschrieben, der erste Zentimeter umgegraben, die erste Gabel abgewaschen ist. Atme also ruhig und tief ein und aus, ein paar Mal, und dann konzentriere Dich auf auf den ersten Schritt, mach ihn so klein, dass Du nicht mehr „Nein“ dazu sagen kannst.
„Ich nehme mir jetzt nur einen einzigen kleinen Schritt vor, nicht die gesamte Strecke.“
So kann’s was werden, denke ich.
Siehe auch: Das Zen des Beginnens – Wie man endlich anpackt, was man schon ewig vor sich herschiebt und 10 Wege, sich von Perfektionismus zu befreien.
Photo: Rowan Gillette- Fussell
Es ist unglaublich, was Angst alles in unserem Leben bewirkt – sie steckt hinter beinahe jedem Lebensproblem, sei es nun groß oder klein.
Für mich ist der dritte Schritt der Wichtigste. Sich kleine Teilaufgaben vornehmen und diese nacheinander abarbeiten. Gepaart mit dem Wissen, dass Fehler passieren können. So klappt es für mich. Sich einzugestehen, dass Angst hinter dem Aufschieben steht, war mir so auch nicht bewusst.
Hallo Tim,
herzlichen Dank für deinen Beitrag!
Du hast vollkommen recht, hinter Aufschieberitis steht meistens Angst.
Es ist ja in der Regel nicht so dass wir nicht wüssten wie eine Aufgabe anzupacken ist, auch an der Motivation scheitert es normall nicht.
Was uns davon abhält sind tatsächlich die großen Erwartungen die wir an die Aufgabe haben. Und die Angst vor Fehlern. Da stimme ich dir zu 100% zu!
Die Herangehensweise mit den kleinen Schritten funktioniert wirklich sehr gut! Es überrascht mich immer wieder zu welchen Leistungen man selbst fähig ist, wenn man einfach nur mit der Aufgabe beginnt. Plötzlich merkt man, dass es machbar ist und empfindet womöglich sogar so etwas wie Spaß dabei ;). Wenn das Prinzip der kleinen Schritte zur Gewohnheit geworden ist, dann hat die Prokrastination schon einen sehr schweren Stand.
Zu der Angst vor Fehlern:
Ich komme gerade frisch vom Studium und wollte in meinem Beruf gleich alles richtig machen. Zum ersten Mal hatte ich auch Verantwortung über Finanzen und Mitarbeiter. Da waren Fehler einfach vorprogrammiert und schnell musste ich mir eingestehen dass Fehler machen zum Lernprozess einfach dazugehört. Irgendwann habe ich mir dann eingestanden dass Fehler völlig normal sind und dass sie immer sehr großes Potential haben Prozesse zu verbessern.
Ich finde Aufschieberitis kommt auch ganz gerne durch die Hintertür. Selbst bei kleinen Dingen wie z.B. einem Telefonanruf meldet sie sich zu Wort: „Das kann ich jetzt nicht tun, weil…“ Manchmal wird einem das gar nicht bewusst dass auch hier Angst dahinter steckt.
Dein Artikel inspiriert auf jeden Fall sehr dazu in dieser Hinsicht wieder etwas aufmerksamer zu sein!
Vielen Dank dafür!
Herzliche Grüße
Stefan
Lieber Tim,
bei mir ist aus deinem Artikel als Aha-Erlebnis weniger die Angst, sondern die Erwartungshaltung hängen geblieben! Sehr eindrucksvoll, wie wir es schaffen, uns mit diesen Bildern im Kopf selbst im Weg zu stehen …
Da werde ich in Zukunft sehr darauf achten, danke!
Liebe Grüße,
Claudia
Hallo Tim,
ja, wir alle haben Aufgaben, vor denen wir uns fürchten. Wenn ich das bei mir feststelle, helfen mir am meisten die „Babyschritte“ – die Aufgabe in ganz kleine Schritte zerlegen, die man leicht schaffen kann. Bei einem Buch z.B. jeden Tag 10 Minuten schreiben sein. Die Wohnung ausmisten: jeden Tag nur eine Schublade. Mehr bewegen: das Auto weiter weg parken. Wir haben nur Angst vor den großen Sachen, weil es so ein riesiger Berg ist – und dann wirkt es von Anfang an aussichtslos (wer hat schon so eine Willenskraft) Also alles schön in Babyschritten 🙂
Genieß deinen Tag!
Annika
Nach meiner Erfahrung steckt hinter dem Aufschieben nicht immer Angst, sondern Rebellion.
Man weiß, dass man was tun muss – und lehnt sich dagegen auf.
Vor allem Menschen, die sich zu viel aufgeladen haben oder ein starkes Autonomiebedürfnis haben, rebellieren gern durch das Aufschieben.
Was hilft?
Ich empfehle oft den Satz „Ich muss x tun“ auszutauschen gegen „Ich entscheide mich jetzt dafür, x zu tun.“
Und das mit den Babyschritten ist natürlich auch hilfreich. „Ich räume jetzt meine Zimmer auf – aber nur für 6 1/2 Minuten.“