Teile diesen Beitrag "„Lass uns Freunde bleiben“: Wann das keine gute Idee ist"
Text von: Lena Schulte
Ein feierliches „bis dass der Tod euch scheidet“, gemeinsame Versicherungen, vergnügliche Silvesternächte mit dem gemeinsamen Freundeskreis und dann euer abgefahrenes und einzigartiges Nest, dessen Bau und Einrichtung euch die ersten Falten ins Gesicht gemeißelt hat. Kreuz und quer. All das war mal real. Deine Normalität, Dein Leben.
Kurz gesagt: damals. Es ist aus mit euch, ihr seid vorbei. Der Mensch, der Dir allein durch seine Anwesenheit dieses absolut idiotische Grinsen ins Gesicht gezaubert hat, ist nicht mehr dein Mensch. Er sucht morgens vorm Aufstehen nicht mehr halb verschlafen noch kurz nach Deiner Hand, sagt Dir nicht mehr zwischen Tür und Angel, dass Du heute wirklich bitte an die Mülltüten denken sollst. Eure Nähe ist nicht mehr Ursprung vom Happy End. Euer intimer Kosmos ist gekippt. Irgendwie war er nicht mehr kompatibel mit den Anforderungen der ständigen Veränderung. Ihr seid in der letzten Phase angekommen, eure letzte geteilte Intimität bricht an, diese ganz eigenartige Distanz, die nur die zwei Menschen spüren können, die einmal morgens halb verschlafen Händchen gehalten haben.
Trennungen sind Waterboarding fürs Herz. Ganz egal, wie viel Recht der Verstand hat, wenn wir ihm treu nachsprechen, dass es besser so ist. Und dann die Frage: Soll es das gewesen sein? Soll ich diesen Menschen einfach hinter mir lassen, ihn vergessen und weitermachen? Als wäre nichts gewesen? Oder sollen wir – und nun bitte ich um einen tobenden Applaus für das abgelutschteste Klischee seitdem es abgelutschte Klischees gibt – Freunde bleiben?
Fun Fact
Es kann funktionieren. Es klappt sogar bei 60 Prozent der ehemaligen Paare, die diesen Schritt wagen, sagt die Wissenschaft. Der entscheidende Erfolgsfaktor für diese spezielle Freundschaft bist in erster Linie erst einmal Du selbst. Genauer gesagt, Deine Fähigkeit, Dir selbst gegenüber ehrlich zu sein.
Vor allem wenn die Trennung frisch ist, geht es innerlich drunter und drüber. Plötzlich bricht alles Bekannte auseinander, alles muss neu sortiert werden, die Scherben diverser geplatzter Blasen müssen aufgefegt werden. Da ist es nur verständlich, dass man nach jedem Strohhalm greift, der irgendwie stabil aussieht und vertraut ist. Und was ist vertrauter, als das Gesicht Deines/r Ex? Und vielleicht wird die Trennung dann ja auch leichter, wenn man sich nach und nach voneinander löst? Einfach einen Cut machen, ist schon ganz schön hart! Wie soll man das alles organisieren? Wir rennen uns eh ständig über den Weg, wir haben viel zu viele gemeinsame Schnittpunkte. Und vielleicht tut es dann auch nicht ganz so weh… Oder vielleicht, ich meine, man weiß ja nie, aber vielleicht merken wir ja doch, dass wir für einander gemacht sind, wenn wir unsere Beziehung etwas lockern und es freundschaftlich angehen? Weniger Erwartungen und so…?
Wenn Dir solche oder ähnliche Gedanken durch den Kopf rauschen und Dich vielleicht sogar berauschen, dann …na ja… sind die Chancen hoch, dass Du geradewegs in Deine persönliche Hölle sprintest. Klar, wir sind erwachsen, sozial kompetent, zivilisiert und so weiter. Aber hier geht es um Dein Herz. Und diese Gedanken sind oft das Resultat eines gebrochenen Herzens, das noch nicht loslassen kann und vom Verstand notdürftig an die Hand genommen wird. Besonders die Hoffnung, eine Freundschaft rettet die Beziehung oder animiert den anderen dazu sich (endlich) zu ändern, ist oft sehr trügerisch.
Eine Trennung geschieht nicht ohne Grund
Ihr habt euch nicht getrennt, weil euch langweilig war. Es ist vorbei mit euch, weil zumindest einer von euch beiden nicht (mehr) das bekommen hat, was er in einer Beziehung braucht. Aber wie schnell ist das wieder vergessen, wenn der/die Ex plötzlich nicht mehr im Alltag um uns herum ist und uns genau diese Gründe für die Trennung unter die Nase reibt? Wie schnell keimt die Sentimentalität auf – und plötzlich war früher doch alles so schön. Und tatsächlich, Sentimentalität und das Sicherheitsgefühl, das mit dem Ex-Partner verbunden ist, gehören zu den wichtigsten Gründen, warum Ex-Paare miteinander befreundet bleiben. Das ist weiterhin nicht schlimm, immerhin teilt ihr viele Erinnerungen und habt vom Anderen emotionale Unterstützung erfahren – ähnlich wie bei einer guten Freundschaft.
Paartherapeuten raten jedoch, lieber alle romantischen Gefühle und Sehnsüchte aus eurer Beziehung zu exorzieren, wenn eine Freundschaft eine reale Chance haben soll. Nimm Dir eine gute Freundschaft zum Beispiel, bei der es wirklich noch nie romantische Schwingungen gegeben hat und frage Dich selbst ganz ehrlich: Kann und will ich genauso ein Verhältnis zu meinem Ex-Partner pflegen? Kann ich es ertragen, wenn er/sie jemanden anderen küsst, vielleicht sogar vor meinen Augen? Kann ich mit dem neuen Glück meines Ex-Partners wirklich in Frieden koexistieren? Werde ich ihn bei kommenden Beziehungsproblemen wie einen Freund ermuntern können?
Sich diese Fragen zu stellen, bedeutet nicht, dass man die Freundschaft genauso ausrichten muss. Sie sind viel mehr als ein erster Kompass zu verstehen. Eure Grenzen könnt ihr setzen, wenn es dann wirklich so weit ist. Wichtig ist allerdings, dass ihr sie dann auch setzt – vor allem, wenn ihr zum Beispiel wegen der Kinder in Kontakt bleiben müsst.
Bevor es mit der Freundschaft überhaupt klappt, gilt trotzdem erst einmal:
Abstand. So viel es geht, alle indirekten Kommunikationsversuche eingeschlossen. Auch wenn das Ego besonders in dieser schwierigen Zeit gestreichelt werden will – du schützt Dein Herz am besten, wenn Du gar nicht erst bei dem „Was geht es mir gut, so bewundere man meine Schönheit und mein glückliches neues Leben #sunhine #loveyourselmost #laughlaughlaugh“ – Krieg mitmachst, der nach Trennungen gerne mal (indirekt) auf Instagram/Facebook/WhatsApp/WhatsEVER tobt. Je eher Du Dich von dem Gedanken verabschieden kannst, dass Dein/e Ex unbedingt sehen muss, wie unfassbar GUT! es Dir geht, umso realistischer werden eure Chancen, bald wirklich Freunde zu sein.
Gib Dir ein halbes Jahr Zeit, vielleicht sogar ein ganzes, damit Du Dich erst einmal wirklich an Dein neues Leben gewöhnen kannst. Und vor allem auch, um die romantischen Gefühle für Deinen Partner zu überwinden. Eine Freundschaft wird schnell mal zum emotionalen Selbstmordkommando, wenn wir den/die Ex noch durch die romantische Brille sehen. Konsequenter Abstand bannt zudem die Gefahr, dass die Freundschaft doch bloß als ein Vehikel für eine Light-Trennung dient. Und das Wiedersehen nach einer langen Zeit zeigt Dir in der Regel auch deutlich, ob eine Freundschaft wirklich realistisch ist.
Wenn ihr beide einseht, warum und dass ihr als Paar nicht funktioniert, steht einer Freundschaft nicht mehr viel im Wege. Da Du Deinen Ex-Partner gut kennst, liegt es jedoch auch ein Stück weit in Deiner Verantwortung, ehrlich einzuschätzen, ob er/sie ebenfalls ehrlich zu sich selbst ist und eure Freundschaft wirklich geregelt bekommt.
Und selbst, wenn es nicht funktioniert mit der Freundschaft. Du hast diesem Menschen ein Stück Deines Herzens und Deines Lebens gewidmet. Ihr seid nicht gescheitert, nur weil es nicht mehr wie gewohnt weitergeht. Wer lieben kann, scheitert nicht. Nutzt die Liebe, die euch verbunden hat, für einen würdevollen Abschied. Lasst euch gehen. Haltet euch in Ehren. Grinst absolut idiotisch, wenn ihr an euch zurückdenkt… Dann wart ihr nicht umsonst.
Liebe Lena. Du hast genau das beschrieben, wie es mir gerade ergeht. Wir sind noch ganz am Anfang unserer Trennung. Aber für mich ist schon mehr als eine Welt zusammengebrochen. Wie werden unsere Kinder (8 und 12)reagieren? Wie wird mein Leben weitergehen, wenn ich erstmal ausgezogen bin? Im Moment kann ich an nichts anderes denken.
Aber ich danke Dir für die Worte und Tipps.
Danke für den Text, er trifft es auf den Punkt!
Der Versuch, Freunde zu bleiben obwohl man mit der Beziehung im ersten Schritt noch nicht abgeschlossen hat, ist wie „Sterben in Raten“, nur schlimmer…
Die vermeintliche „Krücke“, die diese Freundschaft sein soll, damit die Trennung leichter wird, ist eigentlich das, was dich hindert, einen Schritt vorwärts zu machen… also keine Hilfe, sondern in Wahrheit eine Behinderung, um heilen zu können.
Der Schmerz bleibt leider nicht aus, er kommt nur zeitverzögert und mit ihm dann die Erkenntnis, sich selber länger als notwendig belastet und gequält zu haben (mit Hoffnungen etc)…
Habe gerade selber nach fast drei Jahren „Krücke“ feststellen müssen, dass genau die es war, die mich am weitergehen gehindert hat. Zusätzlich zum Trennungsschmerz trifft einen auch noch die Erkenntnis, sich selber etwas vorgemacht zu haben… auch nicht schön, fällt dann wohl unter „Wachstumsschmerzen“ 😉
Aber wenn man denn mal los gelassen hat, wird es besser – versprochen!