Teile diesen Beitrag "Wie die kleinen Dinge entscheiden, ob Deine Beziehung gelingt oder scheitert"
Text von: Johanna Wagner
Er:
Es war ein stressiger Arbeitstag mit vielen Terminen und vielen Aufgaben. Vielen Aufgaben gleichzeitig, weil das Telefon, das E-Mail-Fach und die Kollegen ständig ungefragt anklopften. Multitasking, Unterbrechung, Überforderung. Nichts kann er an einem Stück zu Ende führen. Und wenn der Arbeitstag nach zwei weiteren Überstunden endet, bleibt das Gefühl, kaum etwas geschafft zu haben. Alles fühlt sich nach losen Enden an, die er doch eigentlich hätte verknüpfen sollen.
Licht aus, Motor an. Auf vollen Straßen mit vielen roten Ampeln rollt er inmitten der Abgase benebelt nach Hause.
Er wünscht sich einfach nur Ruhe.
Sie:
Der Wecker klingelt früh. So früh, dass sie die Zeit im Bad für sich allein hat, ehe die anderen wach werden. Frühstück zubereiten: für sie, für ihn und für die drei Kleinen. Abschiedskuss für ihn, dann zwei der Kinder in Schule und Kindergarten verteilen, einkaufen und den Rest des Haushalts erledigen. Den Kleinsten im Kinderwagen in den Schlaf spazieren fahren. Und genießen, dass heute die Sonne scheint. Später die beiden Älteren aus Schule und Kindergarten abholen, zum Sport und Musikunterricht bringen und von dort wieder abholen. Mit den Kindern spielen, die eigenen Bedürfnisse hintenanstellen, das Abendessen vorbereiten: Für sie, für ihn und für die drei Kleinen.
Die Sonne scheint noch immer. Sie freut sich auf ihn. Die Kinder auch und laufen auf ihn zu, als sie den Schlüssel im Türschloss hören.
„So ein herrliches Wetter heute“, sagt sie, als er zu ihr in die Küche tritt.
Und er?
Er braucht doch heute einfach seine Ruhe.
Dabei ist seine Antwort auf ihre fast beiläufige Aussage wichtiger, als man sich vorstellt.
Kleine Angebote, um sich als Paar zu verbinden
Prof. John Gottman definierte anhand seiner Studien den feinsinnigen, aber ausschlaggebenden Unterschied, der das Ge- oder Misslingen einer Beziehung voraussagt: Er liegt in der Reaktion auf genau jene kleinen, alltäglichen Momente des Miteinanders.
Belanglose Aussagen, wie beispielsweise der simple Satz „So ein herrliches Wetter heute“, sind laut Gottman „emotionale Angebote“ des Partners, um auf diesen zu reagieren bzw. mit ihm zu interagieren und sich zu verbinden. Dahinter steht aber auch der Wunsch, die Aufmerksamkeit des anderen zu erhalten.
Diese „Angebote“ können direkt oder ganz subtil sein.
Gottman fand heraus, dass Paare, die größtenteils positiv auf die „Angebote“ des anderen reagierten, eine deutlich höhere Zufriedenheit zeigten und länger ein Paar blieben als solche, die dies nicht taten.
So ging aus seiner sechsjährigen Studie mit frisch Verheirateten hervor, dass Partner besonders glücklicher Beziehungen auf 86 Prozent der „emotionalen Angebote“ des anderen reagierten, während die Paare, die sich scheiden ließen, auf nur 33 Prozent der Angebote eingingen.
Der scheinbar so banale, alltägliche Singsang des anderen ist also ein wichtiger Schlüssel für eine glückliche Beziehung.
„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“
Die 4 Arten, auf die Angebote des Partners zu reagieren
Gottman identifizierte vier mögliche Antworten, mit denen wir auf die „emotionalen Angebote“ unseres Partners reagieren. Und unsere Reaktion entscheidet, ob wir das Gefühl von Zweisamkeit und Sicherheit stärken oder einreißen.
Wir können:
- auf unseren Partner eingehen und das Gesagte bestätigen („Ja, da hast Du Recht)
- enthusiastisch auf ihn eingehen (sodass ein längeres Gespräch entsteht)
- uns abwenden (indem wir das Gesagte ignorieren)
- oder uns gegen unseren Partner wenden (z.B. in schroffem Ton nach Ruhe verlangen)
Ehrlich gesagt stelle ich mir das „enthusiastische aufeinander Eingehen“ ziemlich anstrengend vor. Man schwingt ja nicht immer auf gleicher Frequenz. Man durchlebt ja nicht die gleichen Emotionen. Und es kreisen ja nicht die gleichen Gedanken in verschiedenen Köpfen.
Als Paar wächst man zusammen. Aber jeder hat doch seinen Alltag mit ganz persönlichen Herausforderungen, Empfindungen, Belastungen und Freuden aus denen unterschiedliche Bedürfnisse entstehen. Und ja, nach einem anstrengenden Tag will ich manchmal auch einfach meine Ruhe!
Doch wer meine Angst teilt und es als anstrengend empfindet, auf jeden Zug des Partners enthusiastisch aufspringen zu müssen und seine letzten Energien für das aufmerksame Aufspüren der Angebote des anderen einzusetzen, damit die Beziehung gelingt, den kann ich beruhigen: “Natürlich ist es schön, wenn wir enthusiastisch auf unseren Partner eingehen“, sagt Gottman, „aber es ist völlig ausreichend, die Angebote des Partners schlicht anzuerkennen, also den Empfang einer Sache zu bestätigen, um auf diese Weise die gegenseitige Verbindung zu stärken und vertiefen zu können.“
Wir beide gegen den Rest der Welt
Was steckt denn dahinter, wenn jene kleinen Momente eine derart gravierende Auswirkung auf die Beziehung nehmen?
Bringt man diese – scheinbar nebensächlichen – abstrakten Momente auf eine greifbare Ebene, fragen wir unseren Partner eigentlich nur: „Bist Du bei mir?“, „Sind wir zusammen hier?“, „Bedeute ich Dir etwas?“.
Und der Augenblick, in dem der Partner positiv darauf eingeht, vertieft die Verbindung und das gegenseitige Vertrauen. Die Beziehung wird gegenüber dem Stress und den Herausforderungen des Alltags gestärkt.
Es bedeutet nichts anderes als: „Auch wenn manchmal alles zusammenzubrechen scheint, wir gehören zusammen! Du siehst mich. Du kennst mich, Du erkennst mich. Nimmst mich wahr und an und hörst mir zu.“
Also: Seien wir achtsam, wenn der Partner auf abstrakter Ebene nach unserer Anwesenheit sucht. Weil er damit vielleicht indirekt und unbewusst fragt, ob wir bei ihm sind. Weil er versucht, sich mit uns zu verbinden.
Laut Gottmann kann es hilfreich sein, eine Weile ganz bewusst darauf zu achten, wann und wie der Partner „Angebote“ entsendet und ebenso bewusst darauf einzugehen.
Auf diese Weise investieren wir in eine gesunde Beziehung und vergrößern das Gefühl von Sicherheit, Zweisamkeit und Vertraulichkeit.
Es sind also – mal wieder – die kleinen Dinge, in denen der größte Schatz liegt.
Mehr unter Liebe ist nicht genug – 3 harte Wahrheiten über Beziehungen und unter Die 5 Sprachen der Liebe.
Photo: Couple bonding von Shutterstock
Ja bestimmt. Ich sollte ganz „da“ sein, besonders, wenn ich gerade mit dem Partner in Kontakt trete. Auf Signale der Empathie ansprechbar sein. Besonders der mehr feminin ausgerichtete Partner tut etwas für Harmonie und Aufmerksamkeit. Mit den „kleinen“ Dingen sind hier Signale gemeint, denke ich.
Mit gezielter Bewusstheit gehen die Gedanken auch weniger auf die Reise. Ich meine, dass es aber schon etwas mehr braucht beim Nachhause Kommen. Kommunikation über den „Fühlen“ Kanal. Und bei körperlichem Kontakt erst recht keine Gedanken Reisen. Eher das Hineinspüren, ohne im Kopf abzuschweifen. Das sollte doch auch für gewisse Vorspiele, Hauptspiele und Nachspiele richtig sein. 🙂
LG Richard
Hallo Johanna,
das alles klingt durchaus plausibel. Aus wissenschaftlicher Sicht frage ich mich nur, ob diese kleinen Dinge dann wirklich die Ursache einer gelungenen Beziehung sind – oder die Symptome davon. Soll heißen: Kann man eine weniger gut laufende Beziehung wirklich „heilen“, indem man bewusst mehr auf diese kleinen Dinge achtet? Ist das in der Praxis überhaupt möglich? Vielleicht müsste man dazu ja deutlich achtsamer sein, als die meisten Menschen in der Lage sind. Und wäre das dann nicht irgendwie auch ein Fake, den der/die Andere erkennt? Wenn ich einfach nur meine Ruhe haben möchte und dann aber meiner Beziehung zuliebe irgendeine positive Aussage über das Wetter von mir gebe, die ich in dem Moment gar nicht wirklich fühle, dann spürt der/die Andere doch, dass das nicht so ganz passt. Ich persönlich habe bei einigen Menschen jedenfalls regelmäßig das Gefühl, dass diese unauthentisch positiv sind.Und weil mir das suspekt ist, meide ich diese Menschen manchmal auch.
Mir scheint das auf die Frage hinauszulaufen, was wichtiger ist: Positivität oder Authentizität.
VIele Grüße,
Jan
Lieber Jan,
vielen Dank für Deine Gedanken und Dein Hinterfragen. Ich frage mich, ob nicht beides möglich ist. Kann man sich auf die „emotionalen Angebote“ des Partners einlassen und zugleich/danach authentisch das Bedürfnis nach Ruhe ausdrücken?
„Wenn ich einfach nur meine Ruhe haben möchte und dann aber meiner Beziehung zuliebe irgendeine positive Aussage über das Wetter von mir gebe, die ich in dem Moment gar nicht wirklich fühle, dann spürt der/die Andere doch, dass das nicht so ganz passt. “
In einem solchen Fall würde Achtsamkeit ja bedeuten, dass man ausspricht, so gestresst und müde zu sein, dass man nicht einmal mehr das schöne Wetter wahrnimmt.
Was meinst Du?
Die Wissenschaft…
Zusammengefasste „Meinungen“, die dann von einer oder mehreren Personen als „Rat“ weitergegeben werden.
Wenige Menschen als Testobjekte, aus denen dann ein „Durchschnittswert“ gemacht wird. Weiss ja nicht, ob das gut ist.
Vielleicht waren die geschiedenen einfach nur ehrlicher als die, die sich gegenseitig umflauscht haben, obwohl sie gar keine Lust dazu hatten?
Woran misst man „glücklich sein“ ? An der Länge der Beziehung oder der Qualität und des Wachstums?
Meine „Meinung“ dazu: kann man so machen. kann man aber auch lassen.
Wie Jan sagte, authentisch geht anders als meinem Partner etwas zu sagen, zu bestätigen oder was auch immer, obwohl ich keine Lust dazu habe.
Ist dafür eine Partnerschaft da?
Oder kann ich meinen Partner einfach lieben, einfach, weil er da ist, ohne etwas zu erwarten?
Wenn beide Lust haben zu reden, wird sich das schon ergeben.
Mich interessiert es schlicht ab und zu nicht, was mein Partner redet. Ist auch nicht meine Aufgabe.
Und manchmal möchte ich mehr wissen und er nichts sagen. Auch nicht seine Aufgabe.
Ich glaube, diese ganzen „Erwartungen“ und „Wünsche“ etc., die man auf den Partner projiziert, sind ganz schön anstrengend. Für beide.
Ich habe lieber jemanden an meiner Seite, der authentisch ist, auch wenn er mir manchmal nicht das gibt, was ich momentan vielleicht gerade meine zu brauchen. Aber dafür gibt es auch noch eine zweite Person im Raum und die sieht mir verdammt ähnlich 😉
Ich kann die beiden Kommentare verstehen. Die „kleinen Dinge“ sind tatsächlich eher Symptome und die Studie habe ich auch nicht verstanden als „tu dies dann wirst du glücklich – Gewohnheit“ Studie. Ich wurde auch nur in der Überschrift fündig im nachhinein, da ich sie gar nicht vollständig gelesen hatte. Sicherlich könnte man aufgrund der vielen anderen Studien-Artikel dies auch erwarten.
Tatsächlich erkenne ich im Text nur eine Beschreibung von frühzeitig wahrnehmbaren Symptomen als Studienergebnis. Und den Hinweis, dass das Verstehen der Symbolik helfen kann.
Und dies finde ich durchaus wertvoll. Beziehungen scheitern aus meiner Sicht oft an Missverständnissen. Man sagt dann auch, sie haben einfach nicht zusammengepasst. Und das Missverständnis Nummer 1 ist für mich begründet in einer ganz natürlichen Tatsache. Meist ist der eine Partner hauptsächlich feminin ausgerichtet und damit eher empathisch und harmoniebedürftig und der andere hauptsächlich maskulin und damit eher sachlich. Hier einmal etwas mehr zu beabsichtigen, die eigene Bewusstheit und Wahrnehmung zu verbessern, finde ich hilfreich. Statt dessen wollen wir oft, dass sich am anderen was ändert.
Und die Absicht ist es, um die es zunächst geht. Ob ich der Absicht dann auch oft genug folgen kann, ist eine andere Sache. Und wer dann gezielt darauf eingeht, der kann danach authentisch und freier nach seinen eigenen Wünschen handeln. Wo bei mehr Unbewusstheit in entscheidenden Momenten das Verlangen des Partners und Unwohlsein eher bleiben.
Ich denke, wenn man Konzepte im Kopf hat, wie der andere ist, wie man selbst sein sollte oder Erwartungen erfüllen oder nicht erfüllen sollte, hakt da was. Einfach tun, weil man möchte oder eben nicht.
Auch kann ich nicht aus eigener Erfahrung bestätigen, dass in unserer Beziehung einer so und der andere so ist, sondern es ist gefühls-, situations- und stimmungsabhängig. Und man reagiert halt, weil man meint, man mag grad oder eben nicht. Manchmal ist nicht reagieren und nichts sagen auch das richtige.
Wenn man loslässt, wie der andere reagieren „sollte“ ist eine Erwartung plötzlich lustig, wenn man merkt, dass die Erwartung genau gar nichts bringt.
Mehr als was lernen kann man dabei nicht
Da gratuliere ich, Jessi. die genannten Symptome gibt es wohl nicht in deinem Fall. Und Konzepte sind auch fehl am Platz in Beziehungen. Sie machen alles eher kompliziert.
Wenn ich mich in einem Moment entscheide, auf ein emotionales Angebot einzugehen, weil mir der Mensch wichtig ist, dann bin ich authentisch- ich tue, was ich in dem Moment wichtig und kommuniziere „Du bist wichtig genug, um kurz mein Ruhebedürfnis hintenanzustellen.“
Zumal es eigentlich meistens auch ein „Ich höre dich“ tut.
Hallo.
Mein Exfreund hat solche Aussagen gern beim Autofahren von sich gegeben und ich wusste nie, wie ich darauf reagieren soll. Ich hab nicht verstanden was er mit einer Aussage wie „heute ist aber ein scheußliches Wetter“ bei mir bewirken wollte. In dem Satz steckt keine Frage, sie ist sehr oberflächlich. Wäre es nicht besser einfach zu sagen: Schatz du hast wunderschöne Augen“.
Ja wahrscheinlich hat er Kontakt aufnehmen wollen und ich werfe mir im Nachhinein vor, dass ICH nicht reagiert habe. Dass aber ich den Kontakt über Körperlichen Kontakt gesucht habe, und im Gegenzug von ihm keine Rückmeldung erhalten habe zeigt mir einfach, dass wir auf unterschiedliche Art und Weise den Kontakt gesucht haben. Und wenns nicht passt… naja… aber ich versteh schon den Sinn des Artikels. Nur gibt es unterschiedliche Arten sich gegenseitig Halt zu geben im Alltag.
Liebe Grüße
Evi