Teile diesen Beitrag "Wie man positive Affirmationen nutzt, ohne sich selbst zu verarschen"
Sie wollte nicht mehr dick sein. Sich nicht mehr so unwohl fühlen. Nein, nein, nein, nein. Und sie wollte nicht mehr allein auf der Couch liegen, allein in den Urlaub fahren, allein auf Partys gehen, bei denen sonst niemand allein ist, doppelt allein sein, vermoppelt und klein sein, sich zugleich gewaltig umfangreich und unsichtbar vorkommen.
Sie: Sonja. Kauft: Buch. Titel: Mit Affirmationen ins Glück, Du Stück.
Ein halbes Jahr später war sie tot.
Die Affirmationen hatten sie noch dicker gemacht. Vor allem aber noch verzweifelter. Denn so oft sie auch vorm Spiegel stand und dachte: „Ich bin dünn, ich bin dünn …“ es tat sich nichts auf der Waage. Beziehungsweise das Falsche. Dabei sollte es mit dem Gesetz der Anziehung doch so leicht sein, hatte sie gelesen. Gleiches ziehe Gleiches an. Gedanken würden sich bald manifestieren. Man müsse es nur richtig machen. Und genau das schaffte sie offensichtlich nicht. Nicht mal das! „Was für eine Versagerin ich doch bin“, dachte sie. Jede Affirmation schien sich in einen Bumerang zu verwandeln. So wuchs neben dem Körper auch ihr Selbsthass immer weiter an. In der Mitte eines Frustfressanfalls erstickte Sonja an einem Hühnerteilchen (sie hatte es sich mitsamt der Knochen in den Mund gesteckt).
Der Krieg gegen die Realität
Positive Gedanken sind wichtig. Sie können unseren Blick lenken, uns Kraft geben und sogar unser Gehirn dauerhaft verändern.
Aber: Wenn wir sie uns in den Schädel hämmern wollen, die einfach nicht wahr sind, wehrt sich unser Unterbewusstsein und baut mehr und mehr Widerstand auf. „Ich bin dünn“ – „Nein, bist Du nicht“ – „Ich bin dünn“ – „Herrgott, schau Dich doch an, jetzt Du bist nicht nur dick, sondern auch noch blind!“ Der Krieg gegen die Realität oder gegen unsere eigene erlebte Realität wird dann zu einem sinnlosen Krieg in uns selbst, der uns nur schwächt und zunichts führt als Abnutzung. Das haben auch Studien gezeigt.
(Jetzt werden bestimmt wieder manche Leute sagen: Tim, Du hast das einfach nicht verstanden mit den Affirmationen, man muss halt richtig dran glauben und sie richtig fühlen! Nur wie das gehen soll mit dem Glauben, das verraten sie nicht.)
Affirmationen als Weg zu Achtsamkeit und Heilung
Normalerweise werden Affirmationen eingesetzt, um über die eigene oder tatsächliche Wahrheit, so wie sie ist, drüber zu bügeln (ziemlich erfolglos in der Regel).
Planierraupen im Kopf, die gegen Wände aus Stahl fahren.
Was, wenn wir die Affirmationen stattdessen nutzen, um uns selbst, unsere wahren Bedürfnisse, Befürchtungen und Gefühle auszuloten? Wenn wir wie ein Blinder mit seinem Stock die Wände unseres Inneren abklopfen, um uns vertrauter mit dem Raum unseres Unterbewusstseins zu machen?
Affirmationen als Achtsamkeits-Werkzeug.
Dazu nehmen wir einen Satz wie zum Beispiel: „Ich liebe mich“, „Ich habe verdient, dass es mir gut geht und ich einer schönen Beziehung lebe“, „Ich bin gut so, wie ich bin“ oder auch etwas wie „Ich werde Sex mit meiner Traumfrau/meinem Traummann haben“.
Sprechen ihn laut aus. Und fragen uns:
Wie geht es mir damit? Spüre ich einen Widerstand? Wenn ja, wo genau sitzt er und wie fühlt er sich an – drückt er, zieht er, sticht er?
Hier geht es nicht darum, die Realität wegzuschieben und einen Gedanken (die Affirmation) durchzusetzen, nein, sondern ihn einzusetzen für mehr Bewusstheit. Spüren wir einen Widerstand auf – oft ist das ein alter Schmerz in uns – wenden wir uns ihm zu und verweilen wir ein bisschen bei ihm (siehe: Wie man schmerzhafte Gefühle überlebt), dann kann allein dadurch etwas in uns passieren, wie der buddhistische Mönch Thich Nhat schrieb:
Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit.
Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.
Diese Verwandlung geschieht nicht unbedingt sofort und für immer, aber doch nach und nach immer mehr.
Auf diesem Weg können alle Affirmationen, die wir nicht als stimmig empfinden, nachhause gehen, der Krieg ein Ende finden … und echter Frieden in uns einkehren. Mit allem, was ist, und mit allem, was wir sind.
Mehr dazu im myMONK-Podcat Folge 11: Wie Du mehr an Deine Ziele glauben kannst. Im Podcast erfährst Du: Was oft besser hilft als positive Affirmationen /Eine Übung, die aus Deinem Ziel einen Plan macht und Dir Motivation und Zuversicht gibt /Der unschlagbare Dauer-Motivator
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Mehr Texte dazu dazu unter Die gefährliche Falle der „Persönlichkeitsentwicklung“ und im myMONK-Buch für mehr tiefes, echtes Selbstwertgefühl.
Photo: Hannah Nicole
Ich denke auch, dass dieser Weg viel gesünder ist, als sich krampfhaft irgendetwas einzureden.
Ich find den Spruch von dem buddhistischen Mönch auch echt gut. Den werde ich mir merken. 😉
Hey Marten,
danke für Deinen Kommentar. Hast Du’s denn, wie ich, auch schon mal auf die krampfhafte Tour versucht?
Liebe Grüße Tim
Hey Tim!
Nein, denn ich muss ganz ehrlich sagen, dass „Affirmationen“ mir bis vor kurzem noch gar nichts sagten. Aber wenn ich sie in der Zukunft verwende, dann auf jeden Fall so, wie du es beschrieben hast.
Liebe Grüße
Marten
Hey Marten,
das ist ja verrückt! 🙂 – Ich dachte, der Begriff Affirmationen sei in unserer „Szene“ ein absoluter Klassiker.
Liebe Grüße
Tim
Danke Tim, schön geschrieben!
„der Krieg ein Ende finden … und echter Frieden in uns einkehren. Mit allem, was ist, und mit allem, was wir sind.“
Vor allem danke für den letzten Satz! 🙂
Herzliche Grüße aus Wien
Dankeschön Mia!
Du hast das jetzt verstanden mit den Affirmationen, Tim. Was nicht stimmig ist, schicken wir sogleich nach Hause (aber nicht mit Kraft und Erwartungen). Stimmig heisst ja, dass der Körper mithilft. Und wenn mir der Körper Unwohlsein vorlegt, sollten wir das dem Körper auch danken. Er tut das für uns. Einfach wahrnehmen. Irgendwann fragt der Körper auch nach, was wir für möglich halten. Dann dürfen wir wählen, bei was wir uns länger aufhalten.
Übrigens, sogar die Grand Dame, L. L. Hey, ersetzt zunehmend Affirmationen durch EFT.
LG Richard
Siehste mal, bin ich doch kein hoffnungsloser Fall. 🙂
Ich finde, Du hast das noch mal sehr gut auf den Punkt gebracht – da braucht man sich gar nicht abkämpfen, was nicht passt, kann weg.
Liebe Grüße, Tim
Ich empfinde positive Affirmationen als hilfreich. Ich hab nicht viele Bücher gelesen darüber, aber wenn es manche Leute so verstehen wie in dem von dir genannten Beispiel ist es natürlich traurig! Sich etwas einzureden, was offensichtlich nicht ist, hat für mich nichts mit positivem Denken oder Affirmationen zu tun. Aber Gedanken wie „ich bin es wert, dass ich mich gesund ernähre und nehme meinen Körper an“ (oder so ähnlich), wirken für mich gut.
Und danke für deine Seite und Beiträge, Tim, möchte sie nicht mehr missen 🙂
Dankeschön Patti für Deinen Kommentar. Deinen Beispielsatz finde ich sehr schön. Den nehm ich gleich mit, wenn ich rausgehe, was essen. 🙂
Affirmationen haben bei mir auch nichts genutzt und zufällig fand ich auch die Erklärung, warum nicht und was sonst: Unser Unterbewusstes weiß sehr genau, dass wir nicht schlank oder nicht erfolgreich oder sonst was sind und legt – wie auch im Artikel beschrieben – Widerspruch ein. Das hat auch Noah St. John bemerkt und sich dann überlegt, wie er sein Unterbewusstes austricksen kann. Und so hat er die AffOrmationen entwickelt. Er fragt sich nun: „Warum bin ich schlank? Warum bin ich erfolgreich?“ Und das Unterbewusste stellt die Tatsache nicht mehr in Frage, sondern grübelt nach einer Antwot und verändert das Verhalten. Bei mir funktioniert das total super z.B. mit „Warum mache ich morgens und abends meine Übungen?“ und „Warum schaffe ich es heute … zu erledigen?“ usw. Natürlich ist es auch bei den AffOrmationen der Fall, dass man sie mind. 40 Tage lang am besten tgl. 3 mal aufsagen sollte. Aber mehr auch nicht. Einfach nur runterleiern reicht, um das Unterbewusstsein zu einem anderen handeln anzuregen. Probiert´s mal aus!
Hi Christiane,
Danke für Deinen Erfahrungsbericht!
Die Fragetechnik ist tatsächlich eine sehr gute. Sogar ohne Warum: https://mymonk.de/nutzlose-affirmationen/
Liebe Grüße
Tim
Ja,das verstehen leider viele falsch…
Es geht darum,dass wir den negativen Überzeugungen auf den Grund gehen und sie erstmal annehmen,anstatt so zu tun,als wären sie gar nicht da.So verlieren sie immer mehr an Macht.
Das Problem an diesen Überzeugungen sind ja vor allem die Bewertungen,die da drinstecken.
Wenn man das Beispiel aus dem Text nimmt und denkt „ich bin zu dick“,dann denkt man das meistens aufgrund irgendwelcher Vergleiche mit anderen Menschen und meint,man müsste doch genauso sein…Das ist aber Quatsch und deswegen bringt auch der neue Glaubenssatz „ich bin dünn“ überhaupt nichts,weil das eigentliche Problem eben die Überzeugung „ich muss aber doch anders sein“ ist…
Hey Verena,
Danke für Deinen Kommentar – finde ich sehr interessant!
Also die Absicht hinterfragen: Warum wähle ich diese Affirmation? Warum will ich etwas verändern?
Liebe Grüße
Tim
Genau.Oft steckt hinter irgendwelchen Glaubenssätzen ja die Überzeugung „ich bin nicht gut genug“.Zumindest sieht es für mich danach aus…Die Überzeugungen,die sich an der Außenwelt orientieren und bei denen man sich ständig mit anderen vergleicht,kann man nicht einfach so ersetzen,weil das eigentliche Problem dahinter trotzdem weiter bestehen bleibt.
Wie ich schon zu dem Beispiel „ich bin zu dick“ geschrieben habe,kann die Überzeugung „ich bin dünn“ ja gar nicht helfen,weil die oder derjenige sich zu sehr an der Außenwelt orientiert und deswegen denkt,“ich muss ganz dünn sein,weil es von mir erwartet wird/ich nur dann geliebt werde/ich dann gut ankomme/weil viele eben nur schlanke Menschen als schön empfinden etc“.Das ist das Problem und nicht der Glaubenssatz „ich bin zu dick“,denn solche Bewertungen sind ja immer relativ…
Eine exzellente Affirmation zur Selbstliebe ist die Folgende: Sich jeden morgen vor den Spiegel stellen, fest in die eigenen Augen zu blicken und sich zu sagen: Ich liebe Dich, so, wie Du bist. Selbstliebe ist leider in unserer heutigen Zeit ein oftmals unterschätzter Faktor auf dem Weg zu einem glücklichen und erfüllten Leben. Liebe Grüße, Joh
Ich denke, die Missverständnisse und Irrwege beginnen mit userem Kontrolldenken. Allzu schnell stellen wir uns die Wirkung einer Affirmation als Werkzeug auf der Denkebene vor, mit dem wir dann eben mal eine Weiche stellen wollen. Bin ich dünn J/N? Natürlich wähle ich eben mal das J. Denn sonst taugt das Werkzeug ja nichts. Entschieden, Punkt. Die „Realität“ missachtet.
Unsere täglichen praktischen Entscheidungen regeln wir damit oft recht gut. Schliesslich hilft ja langes Zaudern auch nichts. Das was nicht zum J passt wird eben mal weggeschoben. Ihr anderen inneren Stimmen seid jetzt mal still und unterwerft euch! Hauptsache erst mal entschieden und es geht was vorwärts.
Die Absicht ist da. Und ohne Absicht und ohne Vertrauen/Glauben in die Wirkung meiner Absicht tut sich eben oft auch kaum was. Auch wenn so manche Religion uns lehren will, etwas von uns Entferntes anzuflehen. Es ist unser eigener Wille, der zählt. Und ein unbewusster gegenteiliger, auf alten Ängsten automatisierter Wille kann jede Hilfe verhindern. Einer energetischen Mauer gleich.
Für den Mönch mag diese Zuversicht und dieses Vertrauen gegeben sein, so dass er nur noch Bewusstheit braucht. Doch hätten wir das auch so weitgehend, dann hätten wir wohl die Probleme wenig, die wir mit Affirmation angehen wollen? Und mit „dann glaube mal besser“ etwas zu verdrängen, kann gar nach hinten losgehen.
Mit der Affirmation steigen wir wohl tatsächlich ein in einen Prozess und halten diesen am laufen. Wir richten den Fokus auf eine Vorstellung. Energetische Abdrücke entstehen mit dem Gefühl dabei, eben schon tiefer als in der Denkebene.
Doch gibt es auch eine Vielfalt an Aspekten in uns, die wir damit oft wecken. Man denke etwa an das inere Kind, das immer noch relativ isoliert hilflos und verängstigt in alten Erfahrungen lebt und sogleich gegenteilige Gefühle einmischt. Mit unserer Zuversicht, Annahme, Geduld und Liebe und mit Absicht und Vertrauen in unsere Kraft gehen wir mit der erreichten Bewusstheit in einen Transformationsprozess. Wir heilen und lösen zunehmend Dinge auf, die der Affirmation die Wirkung nehmen.
Wie lange der Prozess dauert? Ein Leben lang. Wann ich Besserung erkenne? Sofort, wenn nicht die Erwartungen alles zudecken. Wann ich anfange, an meine Kraft zu glauben? Wenn ich weniger mit Kontrolldenken beschäftigt bin mit gewonnener Erfahrung und Bewusstheit.
LG Richard
Affirmationen sind ein gutes Tool, aber kein Allheilmittel. Wenn es sich komisch anfühlt lohnt es zu schauen warum und ggf. unserer Wünssche oder Einstellungen zu adaptieren.
Hallo Tim,
danke von Herzen! Endlich gibt es mal eine realistische Sichtweise zu den positiven Affirmationen 🙂 Dein Bericht ist – mal wieder – super! Ich habe es auch lange mit „Ich bin reich“ versucht …. hat nur leider irgendwie nicht geklappt 😉 Wenn ich überhaupt etwas für sinnvoll erachte – ausser die Achtsamkeitsmethode die Du vorschlägst – sind es die „Warum“-Fragen. Ich habe festgestellt, dass die eher wirksam sind und bei mir regt sich da auch selten Widerstand im Inneren, wenn ich Warum-Fragen denke. Beispiel: Wenn ich morgens denke „Heute wird ein wundervoller Tag“, verpufft das irgendwie. Wenn ich hingegen denke „Warum wird das heute ein wundervoller Tag“, programmiere ich mein Hirn sozusagen darauf sich auf alles zu fokussieren, was an diesem Tag wundervoll ist. Ich hoffe meine Erklärung war nicht zu verwirrend 😉 liebe Grüsse …. Bea …. die begeistert immer wieder Deine Beiträge liest 🙂