Teile diesen Beitrag "Die japanische Kunst des „Waldbadens“ macht nachweislich gesund und glücklich"
Text: Johanna Wagner
Als Kind wohnte ich direkt am Wald. Ich musste nur aus dem Gartentor gehen und war umgeben von Laubbäumen und Tannen. Ich liebte es, wenn im Frühling die ersten Blätter im hellen Grün erstrahlten und die dichte Blätterdecke mir im Sommer Schatten spendete. Ich freute mich auf den Herbst, wenn sich die Blätter färbten und den Boden mit buntem Laub bedeckten, durch die ich mit Gummistiefeln lief, sie in die Luft warf oder zu Hause in meinen Büchern trocknete. Selbst den kalten Winter mochte ich, der alles Laub und alle Wärme mit sich nahm und nur die kahlen Äste zurückließ, die an manchen Tagen den Schnee auffingen.
Wir bauten Höhlen, sammelten Pilze oder machten Schnitzeljagden an Geburtstagen. Der Wald war unser Spielplatz, von dem wir immer begeistert, glücklich und ausgelassen nach Hause zurückkehrten.
Zu diesem Thema gibt es einen passenden Podcast:
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Der Wald gehört zu meiner Kindheit wie die Bäume in den Wald
Die Höhlen und Schnitzeljagden gingen, aber der Wald blieb. Später joggte ich fast täglich mit meiner Freundin über Wurzeln und unter den Ästen entlang. Beim Laufen ließen wir die Alltagssorgen hinter uns, denn fast immer hatten wir eine andere Sicht auf die Dinge gewonnen. Der Weg durch den Wald war unser „Weg der Erkenntnis“ – so nannten wir ihn. Umgeben von Bäumen, bewacht und bedacht vom Laub oder den kahlen Ästen, verbrachten wir die Stunden zusammen. Und tankten Kraft. Am Ende des Weges ging es uns immer besser.
Shinrin Yoku – im Wald baden
Was mich über so viele Jahre begeisterte und belebte, führen die Japaner offiziell im Rahmen ihrer Gesundheitsvorsorge durch. „Shinrin Yoku“ ist japanisch und bedeutet „Ein Bad in der Waldluft nehmen“. Nichts erreichen, einfach nur sein. Sitzen, schauen, staunen und entspannen. Was wir im Alltag fast verlernen – wo selten etwas ziellos und ohne Ablenkung geschehen darf – ist der Inhalt des therapeutischen Waldbadens.
Es ist eigentlich selbsterklärend, dass ein ruhiges Umfeld eine beruhigende Wirkung auf unseren Organismus nimmt. Wissenschaftler wollten jedoch genauer herausfinden, was es mit dem Waldbaden auf sich hat und untersuchten die physiologische und die psychologische Wirkung auf den menschlichen Körper.
So wirkt ein Waldbad auf unseren Körper
Forscher der Chiba Universität in Japan prüften den Blutdruck, die Puls- und Herzfrequenz sowie die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol bei 280 Personen im Alter von Anfang 20 Jahren während eines Tages in der Stadt und während eines Tages mit einem 30-minütigen Shinrin Yoku.
Das Ergebnis: Ein Aufenthalt im Wald aktiviert den Parasympathikus und senkt die Aktivität des sympathischen Nervensystems – die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Ausschüttung von Kortisol sinken.
Weitere Wissenschaftler untersuchten die Aktivität von Killerzellen – die u.a. mit der Abwehr von Krankheitserregern und mit der Krebsprävention in Verbindung stehen – vor und nach einem Aufenthalt im Wald. Die Killerzellen zeigten einen signifikanten Anstieg ihrer Aktivität in der jeweiligen Woche nach einem Wald-Aufenthalt. Bei Personen, die an jedem Wochenende Zeit im Wald verbrachten, konnten die positiven Effekte sogar noch einen Monat später nachgewiesen werden.
Diese gesundheitsfördernde Wirkung ist unter anderem auf ätherische Öle zurückzuführen, die man allgemein als Phytonzide bezeichnet. Sie kommen im Holz, in Pflanzen sowie in einigen Früchte- und Gemüsearten vor. Pflanzen benutzen diese ätherischen Öle, um sich vor Bakterien und Insekten zu schützen – und genau diese Wirkung entfaltet sich in uns, wenn wir im Wald baden: Das Immunsystem wird gestärkt.
Der Wald macht uns also weniger anfällig für Stress. Er entspannt und hält uns gesund.
Urlaub im Wald
Heute lebe ich woanders und vermisse den Wald direkt hinterm Gartentor. Ich sehne mich nach der Umarmung der Bäume, nach dem Grün, dem Duft der Tannen und der Stille, die nur hin und wieder ein Vogelzwitschern oder das Knacken der Äste kennt und meine Kindheit so lebendig sein lässt.
Deshalb mache ich dort Urlaub, wo ich viel Zeit meiner Kindheit verbrachte. Den Rucksack mit minimalistischem Gepäck für ein paar Wandertage ausgestattet und das Handy ausgestellt, sind die ersten Schritte im Wald das Tor in eine andere Welt. Wenn ich ausschließlich von Bäumen umgeben bin, scheint der Alltag schon nach wenigen Metern kilometerweit entfernt. Bis heute gibt es kaum etwas, das mich so schnell erdet, wie der Waldboden und mich so schnell ruhig macht, wie die Umgebung und die Akustik des Waldes. Jetzt weiß ich auch warum …
Wenn Du richtig durchatmen und dauerhaft entspannter leben willst, kann Dir das myMONK-Buch helfen: Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt. Mehr unter Nur 5 Minuten im Wald stärken Dein Selbstwertgefühl.
Photo: Forest / Shutterstock
Ha, ich wusste doch, dass Bäume umarmen Sinn macht 😉
Ähnlich habe ich auch mit dem Wald gelebt als Kind. Er hat mir oft aus einer Verzweiflung heraus geholfen und mich immer mit Energie aufgeladen. Danke für diese Erinnerung, Johanna. Wie finden die gesunden Öle dann so schnell in unseren Körper? Und wieso sollten wir uns durch Öle etwas gestärkt fühlen nach der Umarmung eines alten Baumes? Hier haben die Studien wohl eine Lücke. Auch der Begriff „baden“ passt so noch nicht so richtig, finde ich.
LG Richard
Zu den Begriffen „Kunst“ und „Glück“ fehlt mir jetzt noch der Bezug. Könnt ihr das noch erklären?
Hallo Richard,
unser Körper nimmt die ätherischen Öle über die Atmung und über die Haut auf. Sie werden -gemeinsam mit sekundären Pflanzenstoffen- als Terpene bezeichnet und aktivieren, wie beschrieben, die körpereigenen Killerzellen.
Zu Deiner zweiten Frage
„Zu den Begriffen „Kunst“ und „Glück“ fehlt mir jetzt noch der Bezug. Könnt ihr das noch erklären?“
fehlt mir der Bezug… Worauf spielst Du an?
Liebe Grüße
Johanna
Danke Johanna. Na dann sollte das ja in der Badewanne auch gehen mit dem Baum-Umarmen. Kunst und Glück kann ich nicht erkennen beim „Waldbaden“. Zumindest nicht derart, wie es die Überschrift erwarten lässt.
Danke für diesen Artikel. Ich hoffe, dass die Menschen wieder merken wie wichtig und wertvoll die Natur ist. Sehr schön beschrieben auch im „Biophilia-Effekt“ von Clemens G. Arvay.
Vielen Dank für den Buch-Tipp, liebe Alexandra
Hi,
danke für diesen wunderbaren Artikel. Ich bin quasi im Wald aufgewachsen und ich habe im Laufe ihres Artikels nur zustimmend genickt. In meinen Seminare predige ich stets über die wunderbare Heilkraft des Waldes. Hier finden wir folgende Therapien vereint wieder: Atemtherapie, Aromatherapie, Klantherapie, Bewegungstherapie, Lichtteraphie, Farbtherapie usw.
Der Wald ist unser Heilsort.
Übrigends gibt es da einen wunderbaren Autor in Österreich der ein tolles Buch darüber geschrieben hat:
Der Autor heißt Clemens Arvay und das Buch lautet: Der Biofilia-Effekt (https://arvay.info/2015/03/19/der-biophilia-effekt-heilung-aus-dem-wald/)
Liebe Grüße,
Christian
Drei mal wunder und noch Heil mit sechs Therapien im Angebot für Google. Respekt.
Warum tust du das?
predigen meine ich 🙂
Und noch einmal danke für denselben Buch-Tipp, was die Empfehlung unterstreicht 🙂
Schön finde ich auch, wie Du die Wirkung des Waldes in die Therapieformen auftrennst. Da der Mensch ja heute oft alles begreifen möchte, führt dies die mächtige, natürliche Wirkung des Waldes gut vor Augen – immer ganz kostenlos und ohne Nebenwirkung anwendbar…
Ja, und Ja und nochmals ja! Das ist ein Allheilmittel sondergleichen, Johanna: DANKE für diesen schönen Text!
Den Begriff „Waldbaden“ kannte ich nicht, er ist sehr schön!
Es ist wirklich eine Wohltat
Bin auch als Kind im Grünen aufgewachsen, doch in den Jahren danach als junge Erwachsene habe ich dieses großartige Geschenk dann vergessen.
Seit einigen Jahren hat es mich wie durch eine magische Hand wieder dorthin gezogen und da habe ich diese wunderbare Erholung wieder gespürt.
Seitdem praktiziere ich dieses Naturerleben und kann es nur jedem ans Herz legen.
Wenn ich das einigen Menschen erzähle, die im Vollstress sind und mit dem nichts anfangen können: genau darum geht es glaube ich.
Den Boden unter den Füssen spüren und diese angenehme Kraft der Bäume einfach nur betrachten. Das erdet und bringt einen wieder zu sich-so erlebe ich es.
Also ich gehe jedesmal wie runderneuert nach Hause.
Dennoch möchte ich anmerken, dass Wald nicht gleich Wald ist.
Ein einsamer Wald kann bisschen unangenehm sein. (tut es auch für mich)
Eine Grüne Baumgegend, wo auch weite Grünflächen sind, das ganze nicht so abgelegen, das wirkt auf manche Menschen (auch auf mich) besser.
Vielen Dank und sommerliche Grüße
Wien (ich heisse auch Johanna 😉
Liebe Johanna,
vielen Dank fürs Teilen Deiner positiven Wald-Erlebnisse.
Ja, ich finde auch, dass Wald nicht gleich Wald ist, aber vermutlich liegt das mehr an uns als an den Bäumen!?
Ich wünsche Dir weiterhin viele erholsame und erdende Stunden umgeben von Bäumen.
Vorsicht mit Versprechungen!
Wahrhaft glücklich und gesund macht allein der grundlegende Bewußtseins-Wechsel / -Wandel, der „Aufstieg“ zur höheren Bewußtseins-Ebene, der eigentlich in der Pubertät durchgeführt werden soll – wovon aber die zivilisierte Gesellschaft entfremdet ist. Dahinter steckt die „Kollektive Zivilisations-Neurose“. Die ist in jedem Einzelfall grundlegend heilbar.
Was soll denn bitte höhere Bewusstseinsebene sein?
Aufstieg logischerweise auch einen Abstieg?
Versprechungen?
Pubertät?
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Die Realität eines Menschen, definierst sich ausnahmslos darauf worauf er seine Aufmerksamkeit richtet. In diesem Fall wäre es ein Wald mit all seinen Gefühlsebenen und Interpretationen.
Deine Realität habe ich nicht richtig verstanden.
Es wäre sehr hilfreich nicht für mich persönlich aber vielleicht für den Leser, mal zu erklären was deine Erklärung eigentlich zu bedeuten hat. Und wenn man das Wort Seele in den Mund nimmt sollte man sie auch tatsächlich und für jedermann verständlich erklären können bis dato habe ich noch niemanden gefunden und ich weiß auch warum.
Bin auf deine Antwort wenn denn überhaupt eine kommt gespannt.
Und was bitte ist eine zivilisations-neurose? Und was bitte soll da geheilt werden?
Vorsicht mit Versprechungen!
Da schau her. Auch angelesene reißerische Brocken lassen sich noch ESO-verschlimmbessern.
Lieber heureka47,
vielen Dank für Deinen Beitrag.
Es gibt sicher viele Einflüsse, um sich „wahrhaft glücklich und gesund“ zu fühlen. Ohne ein „grundlegendes Bewusstsein“ kann vermutlich auch der Wald nicht in seiner Vielfalt und Wirkung erfahren werden.
Leider wohnt ein Großteil der „zivilisierten Gesellschaft“ weit entfernt von Natürlichkeit, was einen Blick für das Wesentliche, sich Selbst und eben auch auf die Natur meiner Ansicht nach erschwert.
Zurück zu den Wurzeln.
Mein kurzes Statement zum Thema Wald.
Gefällt mir, Stephan.
Hab gestern wieder einen Baum umarmt.
Ein schöner Artikel, Johanna! Danke! Ich selbst bin auch ein „Waldkind“ und habe viele Stunden meiner Jugend mit meinem Hund dort verbracht. Es hat immer gut getan und mir über Jahre viel Freude bereitet. Vielleicht ist der Effekt deshalb so wohltuend, weil man an diesem Ort mal nichts tun muss und einfach nur da ist. Keine SMS, keine Telefon, kein Email und keine ständigen Ablenkungen. Das allein hat schon positive Auswirkungen auf unser Stressempfinden, ähnlich wie das Meer. Über die biochemischen Interaktionen mag ich jetzt mal nicht diskutieren, zweifellos passiert hier etwas, das sich schwer präzise fassen lässt. Es funktioniert. Ob wir nun genauestens wissen wie, ist letztlich Nebensache.
…das ist mit ein Grund fuer mich gewesen, von Duesseldorf in die Pfalz zu ziehen 🙂
Lg Sabine
Toller Artikel. Ich habe den Wald jetzt hinterm Haus. Fantastisch!
Nächsten Monat starte ich ein regelmäßiges Angebot Waldbaden und ich freue mich schon riesig.
Liebes Ines,
dafür wünsche ich Dir viele liebe Teilnehmer und viel Freude.
Im Wald baden…
Im Wald gibt es für mich Orte der Stille, die ich auf Wander- oder Fahrradtouren gezielt ansteuere. Einer davon ist ein Hochsitz mitten im Gehölz, erreichbar über einen nur noch wenig genutzten Weg. Ich steige hinauf und setze mich.
Und lausche.
Zuerst höre ich NICHTS. Bis mein Gehör wieder auf STILLE geeicht ist. Dann der Flügelschlag eines Vogels, das Summen von Insekten, ein Knacken im Holz, ein Rascheln am Boden. Magisch ist das Erlebnis, aufkommenden Wind als Rauschen vom Waldrand her näherkommen zu hören. Übertroffen wird dies nur noch durch beginnenden Regen inmitten der Stille.
Wie in einer anderen Welt. Dabei ist es Realität – Wald gibt es bei uns genug, man braucht nur hineinzugehen, es gibt viele Orte der Stille.
Danke für diesen schönen Artikel.
Ich habe gerade einen Urlaub in Schweden hinter mir mit vielen langen Wanderungen durch wundervolle Wälder. Ich fühle mich richtig aufgetankt 😊