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Glück ist auch nicht mehr das, was es mal war. Oder wird es zumindest bald nicht mehr sein. Auf den Thron haben wir es gehoben, das große Glücksgefühl, die Euphorie, den Ballermann der Hormone.

Doch schon bald wird dieses Glück, wie wir es definiert haben, abdanken müssen. So wie alle, die erst zu viel versprochen, dann einen Scheißjob gemacht und damit gnadenlos enttäuscht haben, ihren Hut nehmen mussten.

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Anstatt nach einem Sinn im Leben suchten wir danach, uns gut zu fühlen. Verführt von denen, die uns das Geld aus der Tasche ziehen wollten mit ihren glitzernden, blinkenden Parolen vom ununterbrochenen Juhuu und Jippieh und Posiitiiihivv.

Ist nicht immer alles im Wandel?

Flut und Ebbe, Tag und Nacht, Sommer und Winter, Leben und Sterben.

Warum soll das mit dem Glücksgefühl anders sein?

Es kommt und es geht und wer es festhalten will, sei es mit positiven Gedanken, sei es in der Haltung des herabschauenden Hundes, sei es mit einer Spritze im Arm oder einem prallen Bankkonto, der kann nur verlieren.

Es war nicht unsere Schuld, dass wir es nie geschafft haben, den ganzen Tag über vor lauter ungebrochenen tollen Gefühlen zu vibrieren.

Überall finanzielle, militärische, terroristische Krisen, überall Druck und Anforderungen und zerfallende Beziehungen, immer mehr Dinge, die zu komplex und verrückt sind, als dass wir sie noch nachvollziehen könnten. Klar, dass wir da nach einem Rettungsboot suchten, das uns vom tobenden Meer auf die Insel der Glückseeligen spült.

Nur ist es halt einfach nicht möglich, ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen, wie viele Produkte wir kaufen und Kurse besuchen und unsere Gedanken und Gefühle kontrollieren wollen.

Je höher hinaus wir uns und unsere Stimmung katapultieren wollten, desto tiefer werden wir fallen.

Ich denke, nicht nur ich, sondern eine Menge Menschen kommen gerade oder bald an diesen schmerzhaften Punkt. Schauen dem Traum vom ewigen Wohlfühlglück in seine toten Augen und sagen ihm Lebewohl. Und stellen sich der großen Enttäuschung und der vollen Leere, die das erst einmal hinterlässt.

Während uns wieder glasklar wird: wir leben in einer Welt, die längst nicht nur Schönes zu bieten hat, sondern auch mehr Atombomben als überlebende Tierarten, mehr Schulden als Verstand, mehr Abgründe als der Grand Canyon … was uns viel mehr betrifft oder sogar bedroht, als wir es auf der Jagd nach den eigenen Glücksgefühlen sehen konnten.

Nach der großen Enttäuschung wartet vielleicht zweierlei auf uns:

  • Die große Melancholie
  • Die Suche nach tieferem Sinn

Schauen wir uns beides an.

Die große Melancholie

Auf die Enttäuschung folgt die Melancholie. Der Philosoph Wilhelm Schmid, der auch vom „Zeitalter der Melancholie“ spricht, beschreibt sie so:

Der Zustand der Melancholie ist zu unterscheiden von der Krankheit der „Depression“, der erstarrten Gefühle und der jeder Reflexion entzogenen Niedergedrücktheit. Die gefühlsbewegte und reflektierte Melancholie steht eher für Sensibilität, Besinnung und Selbstbesinnung.

Man könnte sie auch als Heimweh beschreiben, als ein Heimweh, dem das Wissen um den Ort des Heims fehlt. Viele große Dichter, Denker, Politiker, Musiker und Maler lebten und leben in diesem Zustand (er muss nicht handlungsunfähig machen).

Nicht immer wird uns bewusst sein, warum wir so melancholisch sind. Doch Gründe dafür gibt es genügend:

  • Wir können weder uns noch andere vor dem Leid schützen … alles ist zerbrechlich
  • Wir stehen vielem, was geschieht, ohnmächtig gegenüber
  • Wir sind und bleiben vielleicht immer ein Stück weit getrennt voneinander und einsam, oft sind wir sogar von uns selbst getrennt
  • Wir werden sterben
  • Alle, die wir lieben, werden sterben
  • Wir empfinden unser Tun und Lassen, das Leben und die Welt häufiger als sinnlos als noch zuvor, wo uns die Jagd nach dem Glücksgefühl ablenkte

Die Melancholie kann schmerzhaft und auf eine, vielleicht ungewohnte Art, angenehm zugleich sein. In jedem Fall bringt sie uns weiter, nämlich zur Suche nach tieferem Sinn. Auch wenn wir nie endgültige Antworten auf die größten Fragen des Lebens bekommen können.

Die Suche nach tieferem Sinn

Melancholie macht empfindsamer. Öffnet uns. Macht nachdenklich.

Wirft Fragen auf.

Etwa nach dem Sinn und nach sinnvollen Zielen, bei denen es um mehr geht als um Tri Tra Trullala und das eigene ständige „Leben im Hier und Jetzt“.

Oder danach, ob nicht unglückliche Momente genauso kostbar sein können wie glückliche.

Oder nach überschaubar vielen, dafür aber tief blicken lassenden Beziehungen statt massenhaftem Genetzwerke.

Oder einem Leben, das sich viel mehr in der Natur abspielt statt in hässlichen Großbauten, wie es so langsam immer mehr Menschen tun, zum Beispiel die von mir sehr geschätzten Bloggerkollegen Christof von einfachbewusst.de sowie Lisa und Michael vom „Experiment Selbstversorgung„.

Happy End?

Wenn wir die Suche nach dem Wohlfühlglück aufgegeben, die Enttäuschung überwunden und die Melancholie zugelassen haben und neue Wege gehen, erwartet uns etwas, das viel größer ist als der ganze flache Happy-happy-happy-Trip.

Ein Leben, das weiß Gott nicht immer leicht ist, aber dafür vielschichtig, reich und erfüllt.

Ein ganzer Berg Leben. Mit allen Gipfeln und Tälern, Höhen und Tiefen. Erleben wir nicht auch das Glücksgefühl – das natürlich toll und berechtigt ist, nur eben nicht als Diktator – viel intensiver, wenn wir seine Abwesenheit kennen und wirklich zulassen?

Lass uns also bereit sein, lass uns dem Neuen die Tür öffnen, wenn es anklopft, auch wenn sein Besuch eher die Bude leerfegt als eine rauschende Party mit sich bringt.

Mit den Worten von Charles Bukowski:

Du musst erst ein paar Mal sterben, bevor Du wirklich leben kannst.

 

Photo: Thomas Leuthard