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Text von: Romy Hausmann

Kürzlich, an einem weingeschwängerten Abend mit Freunden, kam eine Diskussion auf: Was brauchen wir wirklich im Leben? Schnell wurde daraus so eine Art „Wünsch Dir was“. Kauten wir Ziele und Träume durch wie überzuckerte rosa Kaugummis und machten Riesenblasen. Bauten Luftschlösser, sehr weit oben – und alles hatte irgendwie mit der Zukunft zu tun. Der eine wollte in spätestens zehn Jahren ein eigenes Haus besitzen, am besten mit großer Einfahrt für seinen – ebenfalls bisher imaginären – Porsche. Die andere malte sich aus, mit dem Rucksack durch Indien zu touren, wenn das Kind erst groß genug wäre, und sie nicht mehr in diesem Maße beansprucht und gebraucht würde. So richtig realistisch war wahrscheinlich keiner von uns, aber wir fühlten uns gut dabei.

Bis mein schlauer Freund unsere schönen, rosa Blasen mit einer gezielten Spitze zum Platzen brachte – und damit die ganze Diskussion auf eine ganz andere Bahn lenkte. Was brauchen wir wirklich im Leben – nicht in zehn oder zwanzig Jahren, sondern genau JETZT, an diesem Punkt, in diesem Moment? Mehr Wein – darin waren wir uns sofort einig. Ansonsten aber machte sich erst mal Stille breit. Ja, was brauchten wir eigentlich?

Was brauchten wir wirklich, wirklich?

Der Blick auf die Grundbedürfnisse

Ich schätze, die Frage ist „einfach“ zu beantworten für Menschen, deren Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. Ich brauche etwas zu essen. Ich brauche einen Platz zum Schlafen. Ich brauche eine warme Jacke. Ich brauche Geld, um meine Mietschulden zu bezahlen oder Medikamente gegen meine Krankheit. Keiner von uns musste die Frage so beantworten – was für ein Segen. Wir alle waren satt und gesund, und jeder von uns hatte ein Dach über dem Kopf. Herrgott, wir hatten ja sogar Wein! Die Rahmenbedingungen stimmten also schon mal – obwohl das einigen von uns vielleicht erst in diesem Moment so richtig bewusst wurde. Sogar die Freundin, die sich seit einem guten Jahr im Akkord darüber beklagte, dass ihre Wohnung viel zu klein sei, etwas Größeres, aber immer noch Bezahlbares zurzeit jedoch einfach nicht zu finden sei, wurde plötzlich nachdenklich. Sie hatte ein Zuhause, ein sehr kleines zwar – aber immerhin ein Zuhause.

Das Zwischenmenschliche

Also begannen wir unsere Beziehungen zu sezieren. Denn das – darin waren wir uns ebenfalls einig – ist auch etwas, das wir wirklich, wirklich und zu jeder Zeit in unserem Leben brauchen. Liebe. Freundschaft. Zusammenhalt. Ein warmes Gefühl für innendrin. Wie viele Menschen auf der Welt stecken in richtig ungesunden Beziehungen fest? Opfern sich auf, ohne je etwas zurückzubekommen? Werden von ihren Energie-Vampir-Freunden ausgesaugt? Dringen nicht (mehr) zu ihren Kindern durch? Lieben und gehen gleichzeitig kaputt daran? Oder auch anders: Wie viele Menschen haben überhaupt niemanden? Sind einsam?

Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an eine Geschichte, die ich vor ungefähr einem Jahr gelesen hatte und die damals viral gegangen war: Marleen Brooks aus Missouri kam nach der Arbeit nach Hause und fand eine Notiz an ihrer Tür. Die 90-jährige Wanda, die in Marleens Straße wohnte, hatte sie ihr hinterlassen und geschrieben: „Würden Sie vielleicht meine Freundin werden? Ich bin 90 Jahre alt und lebe allein. All meine Freunde sind gestorben. Ich bin einsam.“ Noch am selben Abend besuchte Marleen Wanda. Wanda sagte, sie hoffe, Marleen halte sie nicht für bescheuert, weil sie ihr geschrieben hatte. „Aber ich musste etwas tun. Ich wohne seit 50 Jahren in dieser Straße und kenne keinen einzigen meiner Nachbarn.“

Tatsächlich hat Wanda mit Maureen und ihrer Familie neue Freunde gefunden – und ich habe (sowohl, als ich die Geschichte zum ersten Mal las, als auch jetzt, wo ich sie meinen Freunden erzählte) ein bis drei Tränchen darüber verdrückt. Denn natürlich ist Wanda mit ihrem Schicksal nicht allein, und die Einsamkeit trifft auch nicht immer „nur“ alte Menschen. Manchmal ist es einfach so: Das Leben reißt uns auseinander und kaum, dass wir das begreifen, treiben wir allein auf einer kleinen Scholle auf dem offenen Meer und schaffen es einfach nicht mehr, zurück an Land zu paddeln – und das ist eben leider nicht nur eine Geschichte zum Tränchen-Verdrücken, sondern richtige, echte, knallharte Realität, sogar wissenschaftlich untersucht. Mehr als 140 (!) Studien aus den USA, Europa, Asien und Australien mit den Daten von über 300.000 Menschen kommen inzwischen zu dem Schluss, dass soziale Isolation und Einsamkeit messbare Auswirkungen auf die Lebenserwartung haben und ziehen folgende Vergleiche:

  • Einsamkeit ist genauso schädlich wie der Konsum von 15 Zigaretten am Tag
  • Einsamkeit schadet im gleichen Maß wie Alkoholmissbrauch
  • Einsamkeit ist doppelt so schädlich wie Fettsucht

Wir stießen an, meine Freunde und ich. Auf die Menschen um uns herum. Auf das warme Gefühl innendrin. Darauf, dass ein paar liegengelassene, dreckige Socken, über die man sich manchmal so fürchterlich aufregt, eigentlich doch gar nicht sooo schlimm sind.

Wirklich, wirklich und jetzt

Es ging uns allen ziemlich gut, das hatten wir zu diesem Zeitpunkt begriffen, und genauso gingen wir an diesem Abend auseinander: ein bisschen beschwipst, ein bisschen beseelt. Die Frage ließ mich trotzdem nicht los. Wenn ich doch einmal mehr verstanden hatte, wie gut es mir eigentlich ging, warum fühlte ich mich dann nicht ständig beschwipst und beseelt, auch ohne Wein, reinweg vom Gedanken an dieses schöne, ausgefüllte Leben? Stattdessen beklagte ich mich über Stress und Überstunden, über meinen steifen Nacken und das unaufgeräumte Zimmer meines Sohnes. Und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Viele von uns basteln sich diese Art von „Luxus-Problemen“, als ertrügen sie es gar nicht, dass es eigentlich ziemlich rund läuft. Als wäre es ein ganz ekelhafter Faux-Pas auf die Frage „Wie geht’s dir?“ einfach mal mit „Gut“ zu antworten. Stattdessen werfen wir mit Stress-Superlativen um uns, im besten Fall einmal mit „Geht so“.

Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich oft zu wenig auf das JETZT konzentriere. Zu wenig auf die kleinen Bedürfnisse höre, die sich im Alltag akut bemerkbar machen. Ich sage oft: Am Wochenende lasse ich es mir mal so richtig gut gehen. Nehme ein Bad gegen den Stress. Nehme mir Zeit für mich, mache einen Spaziergang, um den Kopf zu lüften. Mache endlich mal wieder ein bisschen Yoga, um die Verspannungen loszuwerden. Koche selbst und benutze das gute Geschirr. Dumm nur, wenn es gerade erst Dienstag ist und das Wochenende noch nicht mal annähernd am Horizont winkt. Noch dümmer, wenn ich meine Pläne dann am Wochenende letztendlich auch gar nicht umsetze, weil ich inzwischen zu gestresst, zu verspannt und zu abgekämpft bin, und es ja sowieso noch tausend andere Pflichten gibt, die ich zu erledigen habe, bevor ich es mir erlauben kann, überhaupt nur die Flasche mit dem Badeschaum aufzudrehen und wenigstens mal daran zu riechen.

Und weißt Du, was? Ich glaube, dass das falsch ist. Dass wir uns, wenn wir nicht auch auf die klitzekleinen Bedürfnisse hören, die wir tatsächlich JETZT haben, den Blick aufs große Ganze vernebeln. Aus den Augen verlieren, wieviel wir eigentlich haben und schätzen könnten – einfach, weil der Alltag uns anstrengt und kraftlos macht. Natürlich kann ich wegen akuter Verspannung kein Meeting verlassen, um draußen auf dem Flur ein paar herabschauende Hunde zu machen (obwohl mich das Gesicht meines Chefs dabei wirklich interessieren würde). Natürlich kannst Du nicht von Deinem Arbeitsplatz aufspringen und alles liegen lassen, nur weil Dir gerade nach einem Spaziergang ist. Und vor dem Schaumbad steht natürlich auch immer noch, dass die Kinder gut versorgt und gnädig sind. Vielleicht aber reichen manchmal sogar schon fünf Minuten Pause. Täte es besser, den Spaziergang nur auf den Feierabend zu verschieben anstatt aufs nächste Wochenende.

Denn das, die kleinen Dinge, sind die einzigen, die wir wirklich, wirklich selbst in der Hand haben. Alles andere – unsere Gesundheit, der gute Job, der unsere Mieten zahlt und unsere Kühlschränke füllt, ja, sogar die Menschen um uns herum, die wir lieben – läuft nicht auf lebenslanger Garantie, ist vielmehr eine Leihgabe, für die wir wirklich, wirklich dankbar sein sollten, jeden Tag.

Mehr unter Du bist niedergeschlagen? Diese Frage wirkt wie ein Antidepressivum.

Und hast Du schon in den neuen myMONK-Podcast gehört? Hier gibt’s Folge 1 mit 7 Fragen, die mein Leben verändert haben – und Dich vielleicht auch ein kleines bisschen glücklicher machen können:

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Photo: Portrait von fizkes / Shutterstock