Teile diesen Beitrag "Wie das Risiko für Depressionen mit zusätzlichen Arbeitsstunden steigt"
Eine Milliarde Überstunden machen Deutsche jedes Jahr. In einer Studie wurde das Risiko für Depressionen an Beamten (!) untersucht.
Das Ergebnis:
Die Wahrscheinlichkeit an Depressionen zu erkranken ist bei Leuten, die elf Stunden oder länger am Tag arbeiten, mehr als doppelt so hoch wie bei jemandem, der täglich sieben bis acht Stunden arbeitet. Das zeigt eine Studie, die am 25. Januar 2012 in dem Online-Journal PLoS ONE erscheint.
Quelle: www.praxis-dr-shaw.de/blog/kann-man-depressionen-durch-uberarbeitung-bekommen/
Neben Beamten sind Führungskräfte, Landwirte und Selbstständige diejenigen mit den meisten Überstunden.
Mir ist schon klar, dass keiner, der diesen Artikel liest, ab heute weniger Überstunden macht, “nur weil andere Leute ein höheres Arbeitspensum nicht aushalten”.
Aaaaber: manchmal helfen objektive Zahlen, ehrlicher zu sich selbst zu sein.
Wenn tägliche Überstunden nicht spurlos an einem vorübergehen, ist man kein Einzelfall, sondern ein ganz normaler Mensch. Und völlig in Ordnung.
Verbringst Du regelmäßig deutlich mehr als acht Stunden bei der Arbeit?
Wenn ja, wie geht’s Dir damit?
Photo: Michael Corey
Mich interessiert jetzt in diesem Zusammenhang die Frage, wie es sich mit „Überstunden“ zuhause verhält. Was, wenn ich täglich 8 Stunden im Büro bin, zuhause aber nochmal drei Stunden Studium drauflege?
Sind das dann auch Überstunden? Oder kommen hier Eustress und Disstress zum Tragen, sprich positiv bewerteter und damit positiv wirkender Stress, oder eben doch das negative Pendant?
Gruß Jan
Hey Jan,
da bin ich auch überfragt. Über die Definition von Überstunden scheint auch eher Unsicherheit zu herrschen:
Hier (http://esciencenews.com/articles/2012/01/25/working.too.much.correlated.with.2.fold.increase.likelihood.depression) steht: There have been a number of previous studies on the subject, with varying results, but the researchers emphasize that it is hard to compare results across these studies because the cut-off for „overtime“ work has not been standardized.
Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass – wenn der Rest stimmt (Schlaf, Ernährung, Bewegung) – das Studium durchaus ein Ausgleich sein kann. Allerdings könnte es weniger ausgleichend sein als Gespräche / Spazierengehen etc., weil beim Studieren und Arbeiten (bei Dir) ja ähnliche kognitive Anforderungen dahinter stehen, das Gehirn also weniger Pause von einer Art der Belastung bekommt.
Zu dem Thema „Überstunden“ fand ich eine Aussage in Tom deMarco Buch „Der Termin“ sehr interessant.
„Überstunden wirken sich inflationär auf das Zeitmanagement aus.“
Die Beobachtung war, dass Menschen, die ihre Überstunden fest in den Tagesablauf einkalkulieren, weniger produktiv sind.
Die Aussicht darauf, dass die Arbeitszeit nach hinten „offen“ ist, verleitet zum Müßiggang. „Bevor ich die Arbeit für heute abschließe, trinke ich erst mal nen Kaffee, quatsche noch mal mit dem Kollegen, u.s.w“
Diese Zeit wird als „Kredit“ vom „Freizeitkonto“ aufgenommen, denn sie fehlt am Abend, wenn es eigentlich darum geht, sich vom Tag zu erholen und neue Kräfte zu sammeln.
Wird der Laden jedoch um 16:30 Uhr erbarmungslos abgeschlossen ist klar, dass bis zu diesem Zeitpunkt alles erledigt sein muss. Und danach ist länger frei!
Natürlich hilft diese Maßnahme nicht, wenn man sowieso zu viel Arbeit hat oder die Arbeit in der Vorgegebenen Zeit nicht erfüllen kann, das ist klar.
Aber ein festes Arbeitsende bedeutet, dass Zeit eine begrenzt zur Verfügung stehende Ressource ist, mit der bedacht umgegangen und gehaushaltet werden muss.
Ich habe für mich das feste Arbeitsende eingeführt und verwende die freigewordene Zeit, um zu Fuß durch die Natur nachhause zu laufen, statt den Bus zu nehmen.
Die Arbeit hat profitiert, das Laufen macht Spaß und Geld spare ich auch noch…
Kann auch anders sein….ich muss nochmal eine Stunde mit dem Kollegen quatschen, da ich nach zehn Stunden Arbeit nicht mehr kann und nicht viel sinnvolles dabei rauskommt, aber da das Dokument an den kunden rausmuss, muss ich es nachher fertigschreiben….bei einem Kollegen beobachtet, der macht auch seit Jahren Überstunden, weil in der besagten Abteilung die Arbeit einfach zu viel ist. Da aber die Arbeit getan werden „muss“, zu wenige „Köpfe“ dafür zur Verfügung stehen, sicher auch, weil dann doch jemand die Arbeit tut, und niemand die Notwendigkeit sieht, mehr leute einzustellen, wird das eben in Überstunden erledigt. Und da die bezahlt werden, ist das offensichtlich billiger für die Firma. Ineffizienz aufgrund Überarbeitung und Überstunden ist billiger als mehr Beschäftigte
An meinem Arbeitsplatz, einer großen Behörde, können sich weder Beamte, noch die Angestellte ihre Überstunden ausbezahlen lassen. Sie können nur abgefeiert werden – oder verfallen. Einige Bereiche sind deutlich unterbesetzt und hier gibt es die beiden „Lager“ von Kolleginnen und Kollegen:
• Die einen sammeln sehr viele Überstunden, weil wir zu wenige sind, „die Arbeit aber gemacht werden muss“. Sie überschreiten auch ganz bewusst die täglich maximal zulässigen zehn Arbeitsstunden und schenken dem Arbeitgeber die darüber hinaus geleistete Zeit. Aber nicht aus Begeisterung für die Tätigkeit, sondern wiederum, „weil sie halt gemacht werden muss“. Sie bewerten ihre Aufgabe höher als sich selbst, berichten beim gemeinsamen Mittagessen ab und zu, dass wegen der Überstunden zuhause so viel unerledigt bleibe und Sport kaum noch möglich sei usw. Es gibt auch welche, die zugunsten der Arbeit ihren Urlaub hinaus schieben – eine Kollegin hat aktuell über 70 UT angesammelt.
• Die anderen machen keine oder nur wenige Überstunden mit dem Gedanken „Wenn die – dauerhaft – zu viele Arbeit mit dem vorhandenen Personal nicht zu erledigen ist, kann der Arbeitgeber das Problem mit der Einstellung von weiteren Mitarbeitern lösen, statt die vorhandenen Mitarbeiter dauerhaft zu überfordern.“
Ich gehöre – als Leiter eines kleinen Teams (ich habe es erst in 11/2012 übernommen) – zur zweiten Gruppe. Meine Konzentration für meine überwiegende Arbeit am PC nimmt nach 7 – 8 Stunden deutlich ab, die Fehlerquote steigt, die Produktivität sinkt.
Überstunden, die abgefeiert werden müssen, und aufgeschobener Urlaub sind für mich keine „tolle Leistung“ eines Mitarbeiters, sondern lediglich vorweggenommene Arbeitszeit. Bei dauerhaft zu großer Arbeitsbelastung sind sie ein Bumerang.
Die o.g. Kollegin mit noch 70 angesparten Urlaubstagen und vielen Überstunden (in der Zeit vor meiner Teamführung angesammelt) ist in meinem Team – und wenn sie diese große Zeitschuld nun ausgleichen wollte, wäre sie für ca. 20 Wochen weg. Und es würde nicht nur die aktuelle Arbeit liegenbleiben, sondern auch ihr Telefon für Bürgeranrufe unbesetzt sein.
Wenn die anstehende Arbeit stets erledigt wird, bekommt die Amtsleitung lediglich die Info „Die Arbeit wird vom vorhandenen Personal bewältigt – wozu sollen wir zusätzliche Kräfte einstellen?“. Dass dies nur mit Überlastung der Belegschaft geschafft wird, bekommt die Amtsleitung oft gar nicht mit. Für MEIN Team habe ich schon mehrfach großen Personalbedarf angemeldet, und manche Aufgaben werden erst spät fertig. Diese Verspätung ist vom Arbeitgeber zu lösen, nicht vom Arbeitnehmer durch eigene Überlastung.
Inzwischen gibt es eine neue Überstundenregelung, die das Ansammeln zu vieler ÜST und UT deutlich bremst. Das lässt hoffen.