Teile diesen Beitrag "Forschung: Spielen besser fürs Kinder-Gehirn als jede „Förderung“"
Kinder verlieren immer mehr Freizeit. Inzwischen haben sie zwölf Stunden weniger davon pro Woche als noch vor 20 Jahren. Programm hier, Lerneinheit dort, Vereine, Vorschule und Schule. Vorbereitung aufs Leben, angeblich. Die Eltern wollen ja auch nur das Beste: Förderung!
Doch Mediziner und Wissenschaftler schlagen inzwischen Alarm. Der Mangel an freier Zeit und freiem Spielen störe die kindliche Entwicklung massiv. Sagt zum Beispiel der amerikanische Verband der Kinderärzte. Der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther hat nun ein Buch darüber geschrieben, Rettet das Spiel.
Kernaussage:
Wenn Du Dein Kind fördern willst, lass es spielen.
Und zwar nicht mit dem Chinesisch-Buch.
Spielen unverzichtbar fürs Gehirn
Spielen setzt Botenstoffe wie die sogenannten Katecholamine sowie körpereigene Opiate frei, die neue Vernetzungen im Gehirn fördern. Spielen lässt das Gehirn des Kindes wachsen. Mehr als alle „Fördermaßnahmen“.
Hüther in der Zeitung „Blick“:
“Damit das riesige Potential an Vernetzungsmöglichkeiten im Gehirn möglichst gut stabilisiert werden kann und die in unseren Kindern angelegten Talente zur Entfaltung kommen, müssen wir ihnen so lange wie möglich die Gelegenheit bieten, spielen zu können.”
Zu voller Terminkalender macht dumm
… oder verhindert zumindest, dass das Kind ein möglichst breites Spektrum an Fähigkeiten und Wissen im Gehirn verankern und aktivieren kann. Ob Fußballverein, Triangel oder Ballett – Verpflichtungen bleiben Verpflichtungen. Sie hindern auch die Aufmerksamkeit daran, frei zu wandern. Wo bleibt Platz für Fantasie zwischen morgens Pauken und abends Tutu?
Hüther:
„Aus der Hirnforschung weiß man dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt.“
Spielen macht sozialer … und Nichtspielen?
Hindert man Rattenjungen (also die Tiere) am Spielen, kann sich ihre Großhirnrinde nicht richtig ausbilden. Die Tiere leiden dann ihr ganzes Leben lang an gestörtem Sozialverhalten. Bei anderen Tierarten ist es genauso. Zum Beispiel bei Schimpansen, wie der Kinderarzt Herbert Renz-Polster in Menschenkinder schreibt:
“Bei Schimpansen ist es ähnlich, da geben gerade die kompetentesten Mütter ihren Kindern beim Spielen den weitesten Raum – und die an der langen Leine erzogenen Kleinen nehmen später den höchsten Rang ein.”
Weil Menschen und Schimpansen ein zu 98 Prozent übereinstimmendes Genom haben, überrascht es wenig, dass sich auch bei Menschenkindern fehlendes gemeinsames Spielen negativ auswirkt. Denn genau dort können sie am besten verschiedene Rollen ausprobieren und das soziale Miteinander unter Ihresgleichen lernen.
Das Beste, was Eltern tun können
Das Gegenmittel liegt auf der Hand. Und in der Hand der Eltern, ein gutes Stück weit. Nicht uneingeschränkt mitmachen beim Förderungs-Wahnsinn, Freiräume schaffen für die Kleinen, ihre Kindheit schützen.
Dann beherrscht der Kevin von der Nachbarin halt schon mit drei Jahren die Querflöte und das eigene Kind nicht. Dafür hat es auf lange Sicht sehr wahrscheinlich die besseren Karten auf ein gesundes, freudvolles und auch sozial erfülltes Leben.
Mehr dazu unter Das macht Liebe mit dem Gehirn eines Kindes und unter Das passiert, wenn man Kindern zu viel Zeug schenkt.
Photo: Dustin Jensen
Danke Tim für diesen interessanten Artikel. Auch als Tante macht man sich Gedanken, wie man am besten Zeit mit Kindern verbringt. Schön zu wissen, dass „einfach spielen lassen“ die beste Methode ist! Werd ich in Zukunft so machen 🙂
Alle Liebe,
Clara
Ein schöner Beitrag! Ich frage mich gerade, ob es für uns Erwachsene nicht genau so gilt. Unsere Gehirne verdrahten sich ja unaufhörlich neu (auch wenn nicht so viel zusammengebaut wird wie in einem Kinderkopf) und da täte uns ein spielerischeres Leben vielleicht auch ganz gut. Weniger Arbeitsroutine, mehr Spiel! Liebe Grüße, Anna
Schöner Beitrag wieder…mittelmaß wäre gut glaube ich…Aktivitäten und spielen…Beim zweiten Kind wird man diesbezüglich g’scheider ,denke ich…Entspannter…Schönen Abend:)
Ein ziemlich wichtiges Thema. Im Grunde ist Spielen ja ein Selbstlernprogramm des Gehirns und da macht es nur Sinn, dass das Gehirn selbst besser weiß, was es braucht, als irgendwelche Eltern, die – wenn man mal gemein ist – sowieso nur wollen, dass das Kind diejenigen Fähigkeiten lernt, die sie selbst glauben „verpasst“ zu haben.
Das stimmt Jan…ich glaube das tut man automatisch…unbewusst den Kind vorschlagen was man selber gerne hätte…Mein Kind hat es aber weiter geschafft als ich dachte…musikalisch…und ich freue mich wenn das auch ihre Freude ist…Wenn nicht,dann muss ich es akzeptieren…mit wenig Trauer schon…ganz ehrlich…Aber zwingen würde ich sie niemals…Ich hatte Glück dass sie sowieso singen wollte:)…umso mehr Freude für beide…weil es was gemeinsames ist…:)Aber beim Sohn freue ich mich auch mit obwohl ich nichts von Fussball verstehe…aber seine Freude macht mich glücklich:) Spielen ist sehr wichtig…wird zu wenig gemacht..Zeitalter des Computer vlt deswegen…Weiss es nicht…Aber Knetmasse finde ich toll…immer wieder:)
ab in den Garten bei jedem Wetter und spielen:0) oder zu Hause …die Kindheit ist so kurz..und selbst ich als Mutter liebe es heute noch zu spielen:0)
Hallo Tim,
ich bin ein Fan von Gerald Hüther, und freue mich, dass du dieses Thema auch ansprichst.
Ganz wichtig: Man muss die Kinder spielen lassen. Und das alleine reicht noch nicht.
Man sollte sich diesem Spiel anschließen. Zeit lassen, Druck abnehmen, der Begeisterung freien Lauf lassen. Nur so kapiert man, dass es wirklich funktioniert.
Grüße
Paul
Hallo, lieber Tim,
schön, dass auch du dieses Thema aufgegriffen hast. Nur bitte ich zu bedenken, dass Eltern immer weniger Zeit zur Förderung ihrer Kinder haben, weil die Kinder sich praktisch den ganzen Tag im Kindergarten oder in den Schulen aufhalten. Es geht eigentlich darum, dass Förderung immer mehr von Kindergärten und Schulen eingefordert wird,
weniger durch die Eltern bzw. Familien.
Ich sehe da weniger die Eltern, die da was verkehrt machen, sondern die Sozialpädagogen und Lehrer, die denken, Förderung wäre das Allheilmittel, um ein angemessenes Leben in unserem Land führen zu können.
Gerald Hüther und Jesper Juul schreiben schön länger über dieses Thema und geben auch Eltern-Seminare, für den natürlichen Umgang der Lehrer und Eltern mit den Kindern.
Ich persönlich hoffe, dass das Bewusstsein für die Überforderung der Kinder und Jugendlichen steigt und die Eltern-Kind Bindung bzw. Familienförderung wieder mehr in den Vordergrund gerückt wird.
Denn Ritalin & Co. kommen immer mehr zum Einsatz, wo Liebe, Geduld und Bindung fehlen — die durch unser verwirrtes Wertesystem erst entstehen.
Das Schwierige ist nicht unbedingt die Einsicht, dass Kinder mehr frei spielen sollen. Sie ergibt sich aus 2 anderen Komponenten: 1. Wo können sie das in der Stadt, ohne dass alles immer viel geld kostet? 2. Wie eliminiert man den Faktor Handy?
Wir haben für die erste Frage eine Mitgliedschaft bei den Pfadfindern gefunden, wo allerdings auch schon wieder Termine bestehen. Aber das Handy, der Computer, jeder Bildschirm erzeugt sofort Differenzrn und Suchtverhalten.
Vielleicht schreibt ihr mal einen Artikel darüber, wie man seinem Kind die Displaysucht abgewöhnt 🙂
Sucht hängt mit einem nicht erfüllten Nähebedürfnis zusammen. Kindern fehlt leider oft die Alternative. Es ist so viel einfacher, Ihnen ein Display in die Hand zu drücken als sich wirklich mit ihnen auseinander zu setzen.
Danke für den Artikel. Vieles was wir heute als Spiel verstehen ist kein Spiel. Da sollte man auch genau hinschauen. Außerdem spielen Kinder nur wirklich, wenn ihr Grundbedürfnis nach Nähe gestillt ist und sie in der Beziehung zu einem Erwachsenen zur Ruhe kommen. Man kann Spiel nicht befehlen oder fördern. Ein Kind, dem es gut geht, spielt.
http://mit-kindern-reifen.de/fruehfoerderung-oder-freies-spiel-von-druck-und-gruppenzwang/#more-232
Mich würde die Studie, die leider nicht als Quelle angegeben ist, interessieren. Ein link würde mir auch reichen. Vielen dank
Auch auf dem Land sieht man immer weniger Kinder draußen beim Spielen. Und viele Spiele, die nebenbei die Motorik, die Phantasie,die Aufmerksamkeit und das Sozialverhalten günstig beeinflussen sind heute kaum noch bekannt. Dabei kosten sie nichts, verlangen aber nach wichtigen „Ressourcen“: freie Zeit und andere Kinder, die auch draußen spielen wollen. Sei es Gummitwist;Hinkepinke; Fischer, wie tief ist das Wasser; Rollenspiele wie „Vater, Mutter, Kind“….
Ich erlebe es beruflich bedingt jeden Tag, wie sehr die so genannten neuen Medien den Kindern die Möglichkeit rauben, die Wirklichkeit zu erfahren und an ihr zu wachsen. Wie groß ist doch der Unterschied zwischen einer virtuellen Handlung am Bildschirm und dem echten Pendant! Letzteres erfordert evtl. Anstrengung und Durchhaltevermögen, körperlichen Einsatz und Geschick oder auch die Fähigkeit, zu kombinieren oder Empathie gegenüber Tieren und Menschen zu entwickeln.
Hallo,
aus meiner beruflichen Praxis als Erzieherin kann ich das zu 100% bestätigen! Leider hat man es zunehmend mit Kindern zu tun, die nicht mehr frei spielen können und ohne Animation von außen nichts mit sich und der Welt um sie herum anfangen können! Sie können auch immer weniger sozial mit anderen Kindern agieren, sondern brauchen ständig bei allem den Erwachsenen. Vermutlich weil sie von Anfang an gewohnt sind, dass der Erwachsene alles vorgibt und keine eigenen Freiräume da sind.