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Text von: Lena Schulte

Du bist genug. Du reichst. Sagen Freunde. Sagt der Partner. Sagt Mami. Nicken wir uns selbst zu, wenn es mal wieder dunkel wird, obwohl die Sonne nicht heller scheinen könnte. Und es stimmt auch. Es stimmt wirklich. Aber glaubst Du das immer? Ich nicht. Manchmal brauche ich dafür nicht einmal einen schlechten Tag.

Es gibt immer mal wieder Abschnitte im Leben, in denen ich mich wie eine laufende Enttäuschung fühle. Ich kenne auch keinen Menschen, der wirklich jeden Tag seines Lebens von sich selbst berauscht seine eigene Existenz bejubelt. Aber das ist oft der Anspruch, der an uns herangetragen wird, wenn wir uns auf die Suche nach einem Leben begeben, in dem wir uns endlich (wieder) mögen. Wenn Dir ganz schwindlig von Dir und Deinem neuen Leben wird, dann hast Du alles richtig gemacht, dachte ich früher. Dann bist Du nie wieder enttäuscht von Dir selbst sein. Dann bist du auch in Dir angekommen.

Selbstbeweihräucherung hilft nicht gegen Selbstzweifel

Vielleicht ist die destruktive Seite in uns ein wenig wie ein unliebsamer Verwandter. Er nervt, er stört mit seinem dummdämlichen Gerede und dürfte gerne mit irgendetwas Besserem ersetzt werden. Doch egal wie sehr man ihn ignoriert, oder ihm den Kampf ansagt … irgendwie bleibt er ein Teil von uns.

Es ist nicht gesagt, dass die dunkle Seite in uns für immer bleiben muss. Aber gleich mit den riesigen Geschossen der grenzenlosen Selbstliebe aufzufahren, kann auch ganz schnell nach hinten losgehen. Vor allem, wenn man ein Profi-Selbsthasser ist. Möglicherweise könnte es auch reichen, erst einmal kleine Brötchen zu backen. Sich einfach nur ganz okay finden, kann schon ein riesiger Schritt sein. Hier ein paar Gedanken dazu:

Wann muss, wann sollte und wann darf ich „Nein“ sagen?

Ein „Nein“ freundlich aber bestimmt zu formulieren, ist eine Kunst. Denn es verlangt uns einiges ab. Zum Beispiel einen gewissen Grad an Selbstrespekt. Und da wurde es bei mir früher schon schwer. Denn wer nein sagt, begibt sich ins Terrain des Widerstandes. Der andere könnte sich zum Beispiel gekränkt fühlen oder sich abwenden. Und „schwupps!“ lodert der Selbsthass noch weiter auf.

Ich sage bei Weitem noch nicht so oft nein, wie ich es eigentlich tun sollte. Aber ich finde die Idee hilfreich, ein bis zwei persönliche Qualitätsstandards fürs Leben festzulegen, auf die man auf keinen Fall verzichten will. Die es wirklich wert sind, mit einem „Nein“ verteidigt zu werden. Damit lassen sich die „Nein“-Kraftreserven für ganz bestimmte Situationen aufsparen und Du musst Dich nicht für jede Situation geißeln, in der Du nicht nein sagen konntest.

Vergebung, Vergebung

Klappt nicht, obwohl alle Welt schreit, du sollt es tun? Tja, dann bist Du wohl ein schlechter Mensch und verdienst es, wie ein Broiler von Deinem Selbsthass geröstet zu werden. Es könnte natürlich auch sein, dass Du einen verdammt harten Terrorangriff auf Deine Werte hinter Dir hast. Und es trotzdem schaffst weiterzumachen. Irgendwie morgens aufzustehen, obwohl alles in Dir wehtut. Ich gebe es zu, ich habe auch einen „Sollten wir uns jemals wiedersehen, reibe ich Dir eine Zwiebel in die Augen – oder auch zwei“-Dauerbrenner. Ich kriege es einfach nicht hin, damit ins Reine zu kommen, dass ich um mein ganzes Geld gebracht wurde. Und in diesen Betrüger auch noch verknallt war. Auch wenn ich jung war und unerfahren mit den Abgründen, die hinter einer schönen Fassade schlummern können. Daran zu denken tut immer noch weh und macht mich immer noch wütend, irgendwie. Dabei will ich eigentlich drüberstehen und es hinter mir lassen. Und an die Kommunikationsbomben, die ich in Gegenwart anderer gezündet habe, will ich nachts auch nicht unbedingt denken.

Vergebung kann gerne mal zu einer großen Angelegenheit werden. Egal, ob sie nun für uns selbst oder für wen anders ist. Aber auch den größten Berg kann man nur Schritt für Schritt erklimmen. Also fang langsam an. Vielleicht kannst du ja einen Teil verzeihen und wenn es nur zehn Prozent in zehn Jahren sind. Ansonsten kannst Du Dir dein Nicht-Verzeihen verzeihen. Und daran üben.

Es ist nicht wahr, nur weil es für Dich wahr war

Wenn ich im Studium (neben dem exzessiven Ausschlafen) eins gelernt habe, dann dass unser Gehirn ein ziemlicher Schlingel ist. Wir sollten ihm definitiv nicht alles glauben, was es uns so erzählt. Oder, genauer gesagt, was wir uns so erzählen. Es war ein ziemlich großes Ding für mich, nach und nach zu erkennen, dass viele der schlimmen Sachen, die ich zu mir selbst gesagt habe, nicht unbedingt der Wahrheit entsprachen. Aber ein noch größeres Ding war es für mich, dass auch die wahnsinnig tollen Dinge, die ich mir so über mich erzählte, wahrscheinlich auch nicht viel wahrer waren. Wahrheit und Gehirn sind eher eine mäßig geglückte Kombi.

Wenn es um uns und unser Selbstbild geht, fährt unser Gehirn wirklich alle Geschütze der Realitätskonstruktion auf. Wunschdenken, Tilgungen, Wahrnehmungsfilter, Hoffnungen. Das Prinzip deutet sich bereits bei Streitereien an, bei denen komischerweise jeder im Recht ist. Unser Gehirn denkt, es sei etwas ganz Besonderes. Und es lügt, es ist nur ein Gehirn wie die meisten anderen Gehirne auch. Du wirst wahrscheinlich niemals so besonders sein, wie Dein Gehirn es gerne von Dir hätte. Egal, ob nun unfassbar großartig oder besonders scheiße. Und das ist auch gut so! Der Anspruch, besonders sein zu wollen, schafft sehr unvernünftige Erwartungen. Und unvernünftige Erwartungen schaffen viel Raum für viel Selbsthass. Und Stress.

Ob ich irgendwann mal vollkommen erfüllt von mir selbst bin und mich für all meine Schwächen bedingungslos liebe, weiß ich nicht. Vielleicht gehört das Ideal der großen Selbstliebe ebenfalls in die Kategorie der unvernünftigen Erwartungen. Vielleicht reicht ja schon eine Freundschaft zu uns selbst.

Vielleicht ist das ja schon genug.

Mehr dazu im myMONK-Buch für mehr echtes, tiefes Selbstwertgefühl.

Photo (oben): Tetsumo, Lizenz: CC BY 2.0