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„Ich bin Tim und ich bin ein Junkie.“

Es war das erste Mal, das mich hintraute und es gab kein Zurück mehr. Der Scheinwerfer war auf mich gerichtet und ich musste also aufstehen und es sagen, im (Stuhl-)Kreis der Anonymen Inspirations-Abhängigen, jener Selbsthilfe-süchtigen Menschen, denen man von außen nichts ansieht, die aber drauf und dran sind, ihr Leben wegzuwerfen.

Nach Hunderten von Büchern und Hörbüchern und Tausenden von Blogtexten zu Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität und Produktivität, mit denen ich mir Inspiration in die Venen pumpen wollte (am Ende morgens, mittags, abends und dazwischen), hatte ich einfach keinen anderen Ausweg mehr gesehen.

Ich brauchte das irgendwie. Permanente geistige Nahrung, die wie jedes Mittel dieser Welt überdosiert Probleme macht. Ich las und las und hörte und hörte, noch diesen Text, nur noch dieses Buch, noch diese fünfhundert Zitate. Dann werde ich das finden, was mich wirklich ausreichend inspiriert und motiviert. Dann kann ich aufhören mit Lesen und Hören und Lesen und Hören und endlich etwas tun. Dann wird sich alles ändern.

Es war eine Ersatzbefriedigung. Wie ständig Pornos schauen, statt mal eine richtige Beziehung zu suchen. Wie den ganzen Tag über mit einer Gummipuppe unterm Arm herumlaufen, nur eben stattdessen mit Büchern.

Was Inspiration wirklich bedeutet

Inspiration heißt: das Göttliche eingehaucht bekommen und dem Göttlichen dann Ausdruck verleihen.

Einatmen und ausatmen. Erst beides zusammen ist Inspiration; die Form von Inspiration, die wir wirklich suchen.

Lesen, hören, schauen … und dann etwas tun: schreiben, sprechen, tanzen, malen, kochen, fotografieren, das eigene Leben gestalten.

Oder noch besser: Ausatmen, die Lunge frei und bereit machen … und dann einatmen.

Nicht nur endlos auf göttliche Eingebung warten, bevor wir mit dem Handeln beginnen, wie ich‘s lange Zeit gemacht habe: einatmen, einatmen, einatmen, einatmen, und kein Ausatmen. Es war wie Blähbauch voll heißer Luft, ein Massengrab aus Tagen, die ich umbrachte, ohne wirklich zu leben.

Ich hatte das Ausatmen vergessen. Oder ich wollte es vergessen, weil konsumieren viel leichter ist als kreieren.

Eine Flucht, wie immer bei Drogen. Vor der Stille vielleicht und der Leere in mir, vor allem aber vorm Handeln.

Ein Schattenleben.

Der Schriftsteller William Somerset Maugham wurde mal gefragt, ob er nur schreibe, wenn er inspiriert sei. Er antwortete: “Ich schreibe nur, wenn die Inspiration mich trifft. Glücklicherweise tut sie das jeden Morgen pünktlich um neun Uhr”.

Dazu muss man nicht zuvor Unmengen „eingeatmet“ haben. Die beste Eingebung kommt, wenn man sich an die Arbeit macht.

Ich bin Tim und ich will weiter inspirierendes Zeug lesen, noch ein bisschen, ein bisschen noch … aber vor allem will ich auch was davon umsetzen.

Ich will einatmen und ausatmen.

P.S.: Den Text hab ich schon vor einer ganzen Weile geschrieben. Inzwischen gelingt mir das Tun besser. Mehr zum Thema unter 5 Anzeichen, dass Du nicht DEIN Leben lebst und Die gefährliche Falle der Persönlichkeitsentwicklung.

Photo: Mario Antonio Pena Zapatería