Teile diesen Beitrag "Wie man schmerzhafte Erfahrungen loslassen kann"
Wir können Vieles verlieren im Laufe unseres Leben:
Die Haare, die Zähne, einen Unterschenkel.
Die Pläne, die Zuversicht, einen Traum.
Die Beziehung, die Freundschaft, ein Familienmitglied.
Die Jugend, die Heimat, einen Job.
Manches kommt zurück, vielleicht in anderer Form. Anderes bleibt für immer verschwunden.
Kaum etwas ist so schwer wie: hinnehmen, das uns etwas genommen wird.
Kleine Verluste und große Verluste wechseln sich ab. Mal schlägt das Leben mit Wucht zu, mal schneidet es Tag für Tag kleine Scheiben vom so sicher Geglaubten ab, so dass wir‘s lange Zeit nicht merken.
Daran können wir nichts ändern.
Woran wir etwas ändern können, ist, wie wir damit umgehen.
Es gibt eine Reihe von Wege, damit umzugehen, die uns nicht helfen, und ich kenne sie alle besser, als ich‘s gern zugeben möchte.
Im Wesentlichen sind es diese vier:
- Gooootttt, warum bestrafst Du mich?
- Den oder die Schuldige suchen
- Nicht akzeptieren, was JETZT ist, dass die Vergangenheit gelaufen ist und nie wieder zurückkehren wird
- Die Gefühle verdrängen, die uns ein Verlust beschert
Daraus wachsen Probleme, die häufig viel größer sind als der Verlust selbst.
So gehen wir unter in Selbstmitleid oder Wut und Rachephantasien. Wollen den Schmerz in Alkohol ertränken (Schmerz schwimmt jedoch, heißt es). Geben uns selbst die Schuld, weil wir doch „zu negativ gedacht“ und damit angeblich das Unglück angezogen haben; oder weil wir an einem Tag, an dem Schlimmes passierte, hier und nicht dort waren, dieses und nicht jenes gesagt haben. Stalken die Ex auf Facebook. Zetteln Streits an mit Menschen, die wir lieben, und die die letzten sind, die‘s verdient haben, dass wir unseren Schmerz an ihnen auslassen.
All diese Auswüchse des Leidens wurzeln in einem Gedanken:
„Ich will, dass es nicht so ist wie es ist!“
Aber es ist, wie es ist.
Was stattdessen hilft, ist der Satz
„Ja, es ist so: mein Partner liebt eine andere / meine Katze ist überfahren worden / meine Mutter ist schwer krank und wird sterben.“
(wieder und wieder, bis der Widerstand kleiner und kleiner wird)
… sowie die Frage:
Was fühle ich gerade?
Jedes Gefühl ist dabei berechtigt und darf sein. Mit der achtsamen Wahrnehmung unserer Gefühle landen wir aus dem Gedankenstrudel ins Hier und Jetzt, so, wie es ist.
„Beuge Dich über den Schmerz wie über ein Kind, das Du sanft streicheln möchtest“, schrieb der buddhistische Lehrer Jack Kornfield.
Es gibt kein Loslassen ohne Zulassen.
Je mehr Aufmerksamkeit wir dem Schmerz in uns schenken, desto eher beruhigt er sich und kann heilen.
Dann, wenn man dem Ist-Zustand immer weniger feindlich gesinnt ist, wenn man sich langsam mit ihm angefreundet hat, lohnt sich ein Blick nach vorn, vorsichtig, im eigenen Tempo:
- Was kann ich Gutes in dem sehen, was passiert ist … welchen Nutzen kann ich dem Verlust womöglich abgewinnen? (Kann ich nun mich oder mein Leben neu erfinden?)
- Was wünsche ich mir für die Zukunft, welche Bedürfnisse habe ich?
- Was kann ich tun, um diese Bedürfnisse zu erfüllen?
Wie das Loslassen Schritt für Schritt gelingt, erfährst Du im neuen myMONK-Buch Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt.
Photo: Image Catalog
„Es gibt kein Loslassen ohne Zulassen“
An diesem Satz bin ich hängengeblieben und JA er ist einfach so verdammt wahr.
Wir können das nicht nur auf das Loslassen von Problemen übertragen, sondern eben auch auf unsere Persönlichkeit.
Soll heißen: wenn ich mich und meine Persönlichkeit weiterentwickeln will, ist auch hier der erste Schritt die „Selbstakzeptanz“. Auch das ist eine Form des Zulassens, denn ich LASSE endlich ZU, so zu sein, wie ich wirklich bin und wie meine Lebensmotive wirken wollen.
Danke Tim für diesen Beitrag!
Viele Grüße
Dirk
Besten Dank für diesen und Deine anderen Kommentare der letzten Tage, Dirk (ich war wegen des Buchlaunchs recht gebunden, sodass ich bisher leider auf Vieles noch nicht eingehen konnte).
Das ist tatsächlich auch das größte Hindernis des Loslassens – dass wir etwas loswerden wollen, ohne es zuvor haben da sein lassen. Wie Du schon schreibst: auch was uns selbst betrifft.
Liebe Grüße Tim
Hallo Tim, ist doch gar kein Problem! Ist doch toll, wenn Du Dich um Deine Bücher kümmerst, die uns dann auch wieder zugute kommen 🙂 Lass Dich nicht stressen! LG
Finde ich gut. Wir sollten wohl besser das Wort „Loslassen“ gar nicht verwenden. Es wird zu sehr missverstanden in unserer Zeit, in der wir gewohnt sind, die Kopflösung zu suchen.
Es geht ja um die Akzeptanz, dass nun etwas so gekommen ist wie es gekommen ist. Und je nachdem, wie sehr wir noch damit verbunden sind, steht mehr oder weniger Trennungsarbeit an.
Andere Fragen wären, warum mir das so schwer fällt, und warum ich so abhängig bin davon, dass es nicht so kommt, und warum das Vertrauen nun wieder fehlt. Das hat aus meiner Sicht weniger mit Strategie zu tun, eher mit meinem Zustand, in dem noch immer Gefühle von Unwertsein und Schuld ihren festen Platz haben.
So ist das „Ja“ als bekannte wirksame Methode, wieder Vertrauen zu wagen, von Bedeutung.
Hi Richard,
obwohl ich das ähnlich sehe – mit dem Loslassen werden oft eher unangemessene Dinge verbunden – möchte ich den Begriff des Loslassens nicht loslassen.
Denn ohne die Mißverständnisse (und gegen die kann man ja ein bisschen anschreiben) ist das einfach ein schönes Bild und ein Wort, das gut tut, auch mit Freiheit verknüpft ist.
Was das ja angeht: mir hilft es manchmal, es laut auszusprechen, während ich mich auf meine Gefühle zu konzentrieren versuche.
Liebe grüße Tim
Ja klar Tim. Schön ist was gefällt. Allein der Signalwirkung in der Überschrift wegen kann es nicht wegfallen. Genauso wenig wie „Positiv“ aus der Szene wegzudenken ist. Der Leser wartet ja auch auf die Signale, die ihm einen keinen Schubs am Morgen geben.
Guten morgen & Danke Tim, für all Deine Energie hier auf mymonk.
Nach meinem Empfinden sind es weder die Worte positiv oder loslassen, die Menschen / mich am morgen beflügeln – eher Worte wie Liebe, Freude & Dankbarkeit. In diesem Sinne…
Zur Verdeutlichung hier noch etwas vom American Monk über das Loslassen, wo der Begriff aus meiner Sicht nicht verbogen ist.
Hast du dir etwas in den Kopf gesetzt und nun gehst du den Weg nur noch der Sturheit willen und wegen der Eitelkeit? Dann stell dir einmal vor, die Idee im Kopf ist eine heisse Kohle. Nimm sie im Geist in die Hand, spüre wie es brennt. Dann öffne die Hand so schnell du reagieren kannst und lass sie fallen. Geh weiter und lass sie liegen, ohne zurück zu schauen.
Wie angedeutet, nicht geeignet für etwas, das Trennungs- bzw. Trauerarbeit braucht. Es sei denn du willst mit dieser mentalen Methode unbedingt eine Befreung für den Moment haben.
Danke wieder für die Denkanstöße!
Bin auch so jemand, der den Schmerz gerne verdrängt…. oder es zumindest versucht.
Beim Lesen kam mir ein Satz in den Sinn, der früher gerne in Poesiealben (jaja, lang ist’s her 😉) geschrieben wurde: „Kommt Dir ein Schmerz, so halt still und frage, was er von Dir will.“
Und dann weiter…In dem Moment, wo ich (etwas hinter)frage, setze ich mich damit auseinander und verdränge nicht mehr.
Ich habe mir angewöhnt, mir – wenn’s sein muss laut- zu sagen: „Ja, so ist das!“ Das hilft mir, vom Verdrängenwollen weg zu kommen – hin zum Wahrnehmen und damit zur Akzeptanz und auf den Weg der Annahme.
LG
Sabine
Hi Sabine,
Danke für Deinen Kommentar. Hab gerade Richard oben geantwortet, dass ich das genauso mache mit dem lauten JA.
Poesiealbum … das wär mal wieder was. 🙂 Ich frag mich gerade, was ich damals immer in das „Was ich später mal werden will“-Feld reingeschrieben habe …
Liebe Grüße Tim
Hi Tim,
danke für die Gedanken und Anregungen zu diesem Thema!
Sehr relevant, weil diese Erfahrungen jeder macht, mal mehr, mal weniger. Als ich deine 4 Punkte gelesen habe, dachte ich mir, dass das so wahr ist. Die Frage nach dem Warum kann einen fast wahnsinnig machen, weil man in diesem Moment (wenn es noch nicht verarbeitet ist) keine passende Antwort findet.
Was mir geholfen hat: Darauf zu vertrauen, dass alles irgendwo seinen Sinn hat, den ich jetzt noch nicht verstehe.
Sonnige Grüße!
Stefanie
Hallo Tim,
sehr cool was du aufgebaut hast, kannst sehr stolz auf dich sein. Respekt!
Ich denke die Sache wie wir an die Dinge herangehen ist sehr wichtig und auch unsere Gedanken haben eine enorme Macht. Bei mir hat es sehr lange gedauert bis ich dies wirklich glauben wollte und meine Denkweise geändert habe. Als ich meine Webseite erstellt habe, war mir vieles noch nicht so klar. Ich lernte erst im Laufe der Zeit, was mir gut tut, welche Macht unsere Gedanken haben und wie wichtig es ist, auf sich zu hören.
Dies ging selbstverständlich nicht von heute auf Morgen. Es brauchte seine Zeit… Ich war zwischenzeitlich in einer psychosomatischen Kur und einer Tagesklinik. Überall nahm ich etwas für mich mit. Mittlerweile denke ich, dass ich den Sprung aus diesem Teufelskreis geschafft habe.
Gerne würde ich bei dir mal einen Gastbeitrag schreiben. Das wäre echt cool. Solltest du Interesse daran haben, lass es mich wissen.
Viele Grüße
Dennis
Hey Dennis,
besten Dank für dein Kompliment und Deine Offenheit.
Die Gedanken haben in der Tat eine enorme Macht, ich -denke- nur, dass wir ihnen häufig eher misstrauen und den Gefühlen dafür vertrauen sollten.
Wenn Du magst, schreib mir einfach eine Mail wegen des Gastbeitrags!
Liebe Grüße
Tim
Lieber Tim,
für diesen Text, bei dem mir mal wieder die Tränen kullern(dürfen), danke ich Dir ganz herzlich!
Es ist ein Gefühl der Verbundenheit und das ist wundervoll.
Die Formel des Lebens heißt Loslassen…
Dennoch spricht es sich viel leichter aus als es tatsächlich ist. Und da muss man sich auch nichts vormachen.
Ein Bein, einen Job, seine Armbanduhr zu verlieren kann bisweilen leichter sein,
als einen Seelenverwandten. Dieser Schmerz ist beinahe unerträglich und sich hier im loslassen zu üben
ein hartes Stück Arbeit, das bisweilen nicht von Erfolg gekrönt ist.
Und dann ist es gut zu wissen, dass man akzeptieren darf,
den Druck des ‚loslassen-zu-müssen-um-glücklich-zu-sein‘, loslassen zu können.
AL Heike
Hi liebe Heike,
Danke für Deine Zeilen und Deine Wertschätzung.
Ich denke, wir können auch die Vorstellung loslassen, dass das Loslassen immer sofort komplett gelingt – und die Sicht gewinnen, dass jedes Prozent Fortschritt auf diesem Weg hilfreich und wertvoll ist.
Liebe Grüße Tim
Meine Gedanken zu diesem Thema: Altes/Bekanntes loslassen – sich auf Neues einlassen. Das Leben ist eine einzige Veränderung. Jeden Tag und jeden Moment.
Ich kann meine Jugend, meine Illusionen, meine Gesundheit, die Liebe nicht festhalten. O.k. mit entsprechenden Aufwand kann ich einiges hinauszuzögern. für Wochen/Monate/Jahre. Und manchmal, wenn ich nachts aufwache, überfällt mich eine furchtbare Angst… Dass mir alles entgleitet; dass ich die Kontrolle verliere; dass mein Leben bis zur letzten Minute nichts ist als ein sinnloser Kampf, gegen etwas Unabänderliches. Die Begrenztheit des Lebens…
Trö
Liebe Amelie,
ich glaube, ich kann Deine Gefühlslage nachvollziehen, ich kenne sie.
Die Frage ist, worauf man sich konzentriert: auf das Ende, das unvermeintlich ist (bisher). Oder auf das Hier und Jetzt und die Zeit, die einem schon geschenkt wurde.
Liebe Grüße
Tim
Danke.
Das hat mir gerade sehr gut getan. Zum ersten Mal hat der Schmerz nach Monaten nachgelassen.
Liebe Grüße.
Lieber Tim,
dieser Artikel ist so wundervoll geschrieben und deine Worte sind so bedächtig gewählt, dass ist einfach genial. Du hast es auf den Punkt gebracht und der Kern allen Leidens liegt in uns selber. Nur wer in sich hinein hört, weiß was und wohin er will, der findet zum inneren Frieden. Akzeptanz ist das Zauberwort überhaupt. Sich selbst, seinen Mitmenschen und dem Leben und all den Erlebnissen gegenüber. Lieben Dank für all deine Inspirationen. Ich liebe my MONK💖👍🍀
[…] dazu unter Wie man schmerzhafte Gefühle überlebt und unter Wie man schmerzhafte Erfahrungen loslassen kann sowie Du kannst nie wissen, wofür es gut […]
Dein Beitrag kam für mich genau richtig,in dem Augenblick, in dem ich ihn für mich gebraucht habe. Neige ich doch dazu meine Bedürfnisse und Gefühle zu verdrängen (und mit mir selbst ausmachen) und immer wieder holt mich ein Ereignis ein. „Bang“ unkontrolliert! Schock, Starre und mit den „Nebenwirkungen“ auf die Liebsten, wie Du sie beschreibst. Ich war mutig und habe gestern die Gefühle zum Thema zugelassen, Tränen liefen! Durch Zufall rief eine Freundin an, die das Thema mit auffing. Eine wichtige Erfahrung für mich, nur wenn man Gefühle authentisch zeigt, merken auch die anderen, was mit mir los ist und können auch darauf eingehen. Klingt voll normal, vom Verstand her logisch und natürlich bekannt – die Umsetzung …hammerschwer für mich, wie ein fremdes Land, was man betritt. Die destruktiven Muster hinter sich zu lassen und einen neuen Weg zu gehen erfordert soviel Mut. Dank Dir habe ich jetzt aber erstmal ein „Wie es gehen kann!“ gefunden – laufen muss ich natürlich alleine – aber Deine Webseite hat so viel Hilfestellungen (auch zu anderen Themen) bereit, dass ich mich traue (ohne Dinge die den Weg vermeintlich erleichtern…Pillen oder Alkohol)! Danke Tim!
„Je mehr Aufmerksamkeit wir dem Schmerz in uns schenken, desto eher beruhigt er sich und kann heilen.“ So isses!