Teile diesen Beitrag "Resilienz: Nicht Abhärtung macht uns stärker, sondern Erholung"
Text von: Christina Fischer
Ein junger Bewerber gießt sich im Bewerbungsgespräch versehentlich so viel Wasser in sein Glas, dass es überläuft.
„Ihr Glas läuft über“, merkt der Personaler an.
„Ich gebe eben immer 110 Prozent“, kontert der Bewerber.
Dieser „Witz“ machte jüngst die Runde unter meinen Freunden. Ich habe auch geschmunzelt. Dabei ist die Sache eigentlich überaus besorgniserregend. Zeit, dass wir einmal ein ernstes Wörtchen über Resilienz reden.
Zu diesem Thema gibt es einen Podcast:
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Was Resilienz wirklich ist
Seit unter Psychologen das Phänomen „Resilienz“ die Runde macht, ist die ganze Gesellschaft hin und weg. Viele Unternehmenschefs sind längst auf den Resilienz-Zug aufgesprungen. Resilienz, so geht die Kunde, ist das, was Menschen widerstandsfähig gegen die Beschwernisse des täglichen Lebens macht.
Gerne wird als Beispiel für Resilienz das Bild eines Gummiballs oder einer Sprungfeder bemüht: Egal wie sehr man den Ball drücken oder die Sprungfeder biegen mag – beides kehrt immer wieder in die ursprüngliche Form zurück. Da liegt der Schluss nahe, dass man Menschen nur genügend Resilienz beibringen müsse und schon könne man sie zusammenpressen, verbiegen und zu Boden werfen so viel man will. Nun sind aber Menschen leider weder Gummibälle noch Sprungfedern. Und sie sind auch nicht unendlich belastbar.
Ohne auf Metaphern zurückzugreifen, kann man Resilienz auch so definieren wie Tobias Stachele vom Institut für Psychologie an der Freiburger Uni. Als „die Fähigkeit, sich trotz widriger Lebensumstände positiv zu entwickeln und gesund zu bleiben.“
Sicher kennst auch Du solche Stehaufmännchen. Sie sind in unserer Gesellschaft überaus beliebt. „Hinfallen, Krone richten, weitermachen“ posten sich meine Freundinnen gerne auf ihre Facebook-Pinnwände. Andere lieben Filmhelden wie „Rocky“, die immer wieder auf die Fresse kriegen, sich aber stets aufrappeln und am Ende doch durchboxen. Bastian Schweinsteiger wurde wie ein Kriegsheld gefeiert, als er während der WM mit einer blutigen Verletzung weiterspielte.
Aber was genau macht „Rocky“ aus und wie können wir selbst einer werden?
Die Eigenschaften widerstandsfähiger Menschen
Einige Faktoren für Resilienz gelten inzwischen als gut belegt. So sollen resiliente Menschen z.B. vornehmlich Optimisten sein. Dabei geht es weniger um „immer positiv denken“, sondern um die Fähigkeit, das Positive auch in der Krise nicht aus den Augen zu verlieren. Auch rückwirkend: Univ.-Professorin Judith Glück an der Uni Klagenfurt spricht vom „posttraumatischen Wachstum“ – der Fähigkeit, etwas Positives aus einem Trauma zu ziehen. „Wie oft sind es erst die Ruinen, die den Blick freigeben auf den Himmel“, soll beispielsweise der österreichische Psychotherapeut Viktor Frankl gesagt haben, der das Konzentrationslager knapp überlebte.
Vor allem aber zeichnen sich resiliente Personen durch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aus. Den Glauben daran, die Dinge selbst in der Hand zu haben und nicht „Opfer des Schicksals zu sein“. Menschen mit diesen Eigenschaften sollen deutlich immuner gegen die Auswirkungen von Stress wie Burnout, Depressionen oder Angststörungen sein.
Was aber, wenn wir selbst keine Stehaufmännchen sind? Kann man Resilienz lernen?
Zwar wird Resilienz wohl vor allem in der Kindheit erworben, sagen Psychologen, doch auch als Erwachsener geht da noch einiges.
So wirst Du resilienter … und so nicht
Viele glauben an „Abhärtung“. Wir denken, je mehr Arbeit wir uns aufhalsen und je länger wir durchhalten, desto stärker und widerstandsfähiger werden wir – ein Trugschluss. Als ich mein Abitur machte, wollte ich alles mit links schaffen. Lernen, meine berufliche Zukunft organisieren, meinem Nebenjob nachgehen und jede Party mitnehmen. Als die Prüfungen dann vor der Tür standen, ging die Sache schief. Ich schlief schlecht oder gar nicht, sorgte mich um alles und hatte Mühe, mir den Lernstoff in den Kopf zu prügeln. Das hätte auch schief gehen können …
Um resilienter zu werden, musst Du Dich nicht mit aller Macht „abhärten“. Was wir für Abhärtung halten, ist nämlich oft schlicht Überforderung. Der Weg zu Resilienz führt in die andere Richtung: Erholung.
Je mehr Du Dir abverlangst, desto mehr Erholung musst Du Dir auch gönnen – und vor allem gönnen können. Erholung bedeutet nämlich nicht einfach „aufhören zu arbeiten“. Für viele, mich eingeschlossen, endet die Arbeit oft nicht automatisch mit dem Feierabend. Wir denken beim Abendbrot über Projekte nach, wälzen Arbeitsprobleme unter der Dusche oder nehmen sie gedanklich sogar mit ins Bett und in unsere Träume. Wirkliche Erholung entsteht erst, wenn wir die Arbeit auch aus unserem Kopf verbannen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten.
1. Den Geist leerräumen
Manche Menschen erholen sich durch „Abschalten“. Ob Du am besten beim Joggen, Schwimmen, Tanzen oder beim Yoga abschalten kannst, ist dabei vollkommen egal. Eine weitere vorzügliche Möglichkeit, Gedankenstille herbeizuführen, ist natürlich das Meditieren.
2. Den Geist mit anderen Dingen füllen
Stichwort „Flow“. In den Flow kommen wir immer dann, wenn wir in einer Tätigkeit ganz und gar aufgehen und alles um uns herum vergessen. Ob das für Dich das Malen, Schreiben oder Schrauben ist – wer im Flow ist, erholt sich auf kreative Weise. Bei welcher Tätigkeit gehst Du ganz auf, wo vergisst Du die Zeit?
Nur wer sich gut erholt, kann auch volle Leistung bringen, ob im Privatleben oder im Beruf. Das ist ein bisschen so wie beim Handyakku. Selbst Rocky kann nicht rund um die Uhr auf Schweinehälften einprügeln.
Das Wichtigste zum Schluss
Resiliente Menschen glauben, dass sie ihr Schicksal bestimmen und sich auf sich selbst verlassen können, auch in der Krise. Dieses Wissen ist uns nicht angeboren. Wir müssen es uns aneignen, indem wir uns etwas (zu)trauen und lernen, wozu wir fähig sind. Wenn unsere Eltern uns dabei schon früh unterstützen, ist das gut.
Doch auch noch als Erwachsene können wir dieses (Selbst)Vertrauen entwickeln. In mein Poesiealbum schrieb mir meine Oma vor Ewigkeiten etwas, das zu meinem Leitstern geworden ist: „Sage nie ‚Das kann ich nicht‘“. Dieses Motto bewahrt mich natürlich nicht vor Fehlschlägen. Doch nur, wer sich etwas zutraut, erkennt, wozu er fähig ist und dass er auf sich zählen kann. Egal, was kommt. Und dazu ist es auch gar nicht nötig, „immer 110 Prozent“ zu geben. Am Ende ist es mit der Resilienz nämlich wie beim Wasserglas: Was zu viel ist, geht einfach nur daneben.
Mehr unter Resilienz: Diese 6 Dinge machen Dich stärker sowie im myMONK-Buch für ein gelasseneres Leben.
Photo: Beautiful woman / Shutterstock
Danke, für den doch sehr interessanten Artikel.
Allerdings muss festgestellt werden, dass 110% lediglich eine Redensart ist.
110 % gibt es gar nicht.
Selbst wenn du glaubst 110 % erreicht zu haben sind es trotz alledem nur 100%.
Nur ist gut, die Frage ist ob man überhaupt sein volles Potential ausschöpfen kann.
Natürlich nicht denn dann würdest Du stillstehen ein Stillstand würde sich einstellen.
Persönlich habe ich mit einigen Menschen zu tun, die glauben sich verbiegen und verstellen zu müssen.
Höchstleistung ist keine Leistung.
Sehr schön zu beobachten sind hier u.a. die fanatischen Sportler.
Also vorsicht vor einer Besessenheit.
Hey Stephan,
danke für Deinen Kommentar. Ja, ich glaube, das Gefühl, sich verbiegen oder verstellen zu müssen, stellt sich leider leicht mal ein. Gut, wenn es nicht, wie du sagst, zu Besessenheit wird. Auch Profisportler können ihre Bestleistung ja nur für eine gewisse Zeit abrufen und müssen sich dann wieder erholen.
Liebe Grüße
Christina
Aus energetischer Sicht ist es etwas einfacher zu verstehen, denke ich. Starke Chakren bedeuten eben Stärke der Organe, die an der jeweiligen Energie hängen. Und Stärke der jeweiligen Aspekte der Persönlichkeit. Denkmuster und Glaubenssätze können ein Chakra stärken oder auch schwächen. So ist der physische Körper eher Werkzeug und Hülle. Auch wenn er mit Sport ein starkes Werkzeug werden kann.
Hi Richard,
danke Dir für Deinen Kommentar. In der Chakrenlehre kenne ich mich nicht so richtig gut aus. Klingt aber ganz einleuchtend.
Liebe Grüße,
Christina
Christina, danke für deinen Beitrag! Besonders wichtig fand ich den Absatz über Erholung und die Möglichkeiten zur Steigerung der Resilienz. Ich kann Dir nur zustinmmen, dass es wichtig ist, die Arbeit dort zu lassen, wo sie hingehört und regelmäßig Abstand von Problemen zu nehmen, die man im Kopf hin und her wälzt und dann doch zu keinem Ergebnis kommt. Der Lernprozess dahin kann sehr mühsam und schmerzlich sein. Es immer noch sehr bedauerlich, dass Meditation trotz wissenschaftlich erwiesener positiver Effekte als esotherisch verpönt ist und sich viele Menschen nicht trauen, es einmal auszuprobieren. Vom „nicht wissen wie es geht“ will ich garnicht erst schreiben. Wie mit jeder neu erlenten Fähigkeit ist es so, dass sich Erfolge nicht sofort einstellen sondern sich erst mit der Zeit zeigen. Viele haben dann schon wieder aufgegeben und das Thema abgeschrieben.
Hey Thomas,
danke für Deinen Kommentar. Was die Meditation anbelangt, gebe ich Dir total recht. Aber das Gute ist ja, dass man das Meditieren ja auch ganz heimlich still und leise für sich selbst ausprobieren kann. Und wenn es einem gut tut, dann kann es ja verpönt sein wie es will ;). Ich hab tatsächlich noch niemanden getroffen, der es ernsthaft versucht und das Meditieren für schlecht befunden hat. Mir hilft es auch ungemein.
Liebe Grüße
Christina
Hallo Christina,
den Spruch aus deinem Poesiealbum kenne ich auch noch…
weißt du, dass es noch einen zweiten Teil gibt?
Sage nie „Das kann ich nicht“,
sage stets „Ich will.“
Pass auch schön zu deinem Artikel, finde ich.
Liebe Grüße aus England
Julia
TOLLER ARTIKEL!
Lieber Tim
Victor Frankl (dessen grosser Bewunderer ich übrigens bin) wusste als jemand der das KZ als Einziger aus seiner Familie überlebt hat (Frau und Kind sind umgebracht worden), dass wir keineswegs Herr über unser Schicksal sind!! Zu keinem Zeitpunkt!! Wir haben einen Einfluss darauf wie wir auf dad Leben reagieren! Ja, aus Trümmern lassen sich der retroperspektive grosse Lehren ziehen. Und manchmal, wenn man bereits achtsam genug ist, kann man vielleicht -nur vielleicht – die Lektionen des Lebens früher lernen.
Wir sind keine Opfer mehr, wenn wir begreifen und verstehen, dass nichts!! sinnlos auf dieser Welt passiert, das bedeutet dass allem eine positive Intension zu Grunde liegt. Eine positive Intension seitens des Lebens. Das ist die Grundhaltung der Resilienz. Es ist nicht gut es ist nicht schlecht… es ist einfach es was gerade passiert und was ist die einzige positive Intension des Lebens für mich dahinter??? Diese Frage wird Welten öffnen.
Ich denke, wir tun tatsächlich gut daran, Resilienz zu kultivieren. Nur leider sehen wir schon an der Sprache mit diesem wissenschaftlich anmutenden Begriff, dass wir uns das unnötig kompliziert machen und wir uns vom Thema entfremdet haben. Und unsere Glaubenssätze tragen tatsächlich noch ihren Teil bei. Meine Mutter hat mich wohl schon früh dabei unterstützt, meine Resilienz zu pflegen, freilich ohne den Begriff Resilienz überhaupt zu kennen. Sie sagte mir einige Male: „Du musst es selber ganz fest wollen, immer wieder, dann wirst du gesund und gesund bleiben.“ Sie wurde 93 und war eher robust und gesund ihr ganzes Leben.
Einerseits wollen wir möglichst alles kontrollieren. Doch wir tun das im Glauben an die Macht des Wissens, das wir dann auch immer mehr anhäufen. Leider spüren wir dann auch oft nicht mehr unsere Macht die wir schon immer hatten, auch von Geburt an. Eher haben wir diese Macht verlernt, dem „Gott“ Wissenschaft und den Glaubenssätzen der Bezugspersonen folgend.
In unserer Zeit haben wir wohl eine neue Chance, indem wir östlichem Denken und östlichen Methoden Einlass gewährt haben. So können wir leichter erkennen, dass die Anhäufung von Wissen auch Entfremdung bedeuten kann. Umso mehr, umso weniger lebendig und mit umso weniger Erspüren wir das Wissen ansammeln und im späteren Verlauf lebendig nacherleben. Ein Wissen, das wir dann HABEN, irgendwie um uns zugriffsbereit, aber wenig lebendig spürend im Herzen, wie beispielsweise meine Mutter ihre Weisheit im Herzen trug. Wir kümmern uns weniger um das Spüren, an die Wichtigkeit des Wissens im Außen glaubend und weniger an unsere eigene Macht in uns, die wir dann auch zunehmend vergessen. Passend hierzu ist auch, dass wir gerade dann oft umkehren, wenn unser Kontrollieren mit Vernunftdenken in einer Krise oder an unseren Grenzen nachlässt. Dann entdecken wir wieder deutlicher die Macht in uns, wenn als letzte Wahl nur noch einfaches Loslassen im Vertrauen bleibt.
Als Methode durfte ich hier Reiki erfahren und lernen. Reiki ist per se das Kultivieren unserer uns innewohnenden Macht. Wer hier einsteigt und Fortschritte macht, der erfährt seine Macht buchstäblich körperlich, indem er die von ihm in Bewegung gesetzte Energie spürt. Grundlage ist hier, auch wie im Artikel angeführt, die Beseitigung des Nichtglaubens und des Verlernt Habens, was dann eine Beseitigung von Blockaden und Barrieren IST und die Energie wieder besser fließen kann, wir in den Flow gehen können. Reines Beabsichtigen und reines Vertrauen in uns selber ist im Kern alles.
Nach einer heftigen Trennung und stressigem Umzug im letzten Jahr hab ich ein großes Bedürfniss nach Ruhe.
Bin trotzdem weiterhin kreativ und treffe ab und an Freunde.
Aber ich genieße meine neue Wohnung und bin sehr oft alleine.
Ein indianisches Sprichwort sagt, man muss der Seele manchmal etwas Zeit lassen, damit sie uns wieder einholen kann.
Das tue ich gerade mit viel Muse.
LG Elke
Das ist ja toll, denn mein Vater schrieb mir in goldenen Lettern den gleichen Spruch ins Poesiealbum…auch für mich mein Lebensmotto. Hat geholfen. Nur mit dem Entspannen klappt es zur Zeit nicht, da arbeite ich noch dran.
Danke für den hilfreichen Beitrag
Ursula
Ergänzung:
Tai Chi und Qi Gong als Meditation in Bewegung erden und entspannen gut.
Also ich hab den Artikel nicht zu Ende gelesen. Mag sein, dass er noch gut geworden ist, aber mich ärgert das total…. Sollen wir resilient sein, damit wir noch mehr leisten können…
Schön wenn man es ist und klar gut wenn man daran was ändern kann, aber ich frsge mich in in unserer Leistungsgesellschaft diese wunderbare Eigenschaft nicht völlig missbräuchlich gesehen wird und da Leistung wieder Mal unter einem netten Deckmantrl daher kommt. Tja und wenn ich es dann nicht bin resilient…
Gruß Tanja