Teile diesen Beitrag "Befreie Dich von diesen 5 Lügen und Dein Leben wird viel leichter"
Text von: Romy Hausmann
„Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist.“ Robert Lembke, deutscher Journalist und Fernsehmoderator
Der Tag hat zu wenig Stunden. Das Leben – oder was davon im stressigen Alltag übrig geblieben ist – fühlt sich an, als drückte ständig irgendjemand auf der Vorspul-Taste rum. Was, schon wieder eine Stunde vorbei? Schon wieder Mittag? Schon wieder Abend? Ich bin doch grade erst aufstanden! Unsere Terminkalender sind so dick wie Tolstois „Krieg und Frieden“ und noch dazu zum Bersten voll. Die mit Rot, Gelb und Grün eingetragenen Termine im Outlook verursachen schon fast halluzinogene Trips (Farben, Farben, so viele Farben!). Die Erinnerungsfunktion im Handy piept wie ein EKG: Meeting mit dem Chef, Präsentation vor den Kollegen, Telefon-Marathon mit den Kunden, Kind vom Hort abholen, Kuchenbacken für die Vereinsfeier, Yoga-Kurs, wir müssen hier, wir wollen dort. Wir funktionieren wie Maschinen, sind getaktet wie Schweizer Uhren, privat wie im Job.
Und doch – so ging es zumindest mir früher – bleibt am Ende des Tages oft das Gefühl, wir hätten gar nichts auf die Reihe gekriegt. Haben unseren Tag zwar erfolgreich abgearbeitet – und sind dabei selbst auf halber Strecke liegengeblieben.
Warum? Weil wir glauben, wir können nicht anders in dieser schnelllebigen Zeit, die Verfügbarkeit voraussetzt wie ein Gesetz.
Oder: Weil hinter unserer ständigen Über-Beschäftigung oft noch ganz andere Motive stecken. Hier sind fünf meiner „Lieblings“-Ausreden, die ich immer dann gebraucht habe, wenn ich meinen übervollen Terminkalender für mein gehetztes Leben verantwortlich gemacht habe. Vielleicht kommen Dir einige davon bekannt vor.
1. „Kein Bares für Rares!“
„Willst Du was gelten, mach‘ Dich selten“ funktionierte vielleicht als Date-Tipp zu Großmutters Zeiten. Wer heutzutage Karriere machen und Geld verdienen will, kann sich ja gar nicht rarmachen. Du musst da sein, immer eine Viertelstunde früher als die Kollegen. Du musst da sein, als Letzter das Bürolicht ausmachen. Nur so stichst Du aus der Masse raus. Fällst Deinem Chef auf.
So in etwa dachte ich früher.
Je länger mein Tag war, desto wichtiger kam ich mir vor. Mein Terminplaner klaffte auseinander wie ein großes Maul, das mir lautstark den großen Absprung versprach, wenn ich es nur noch mehr fütterte. Ich war nicht glücklich, aber ich redete mir ein, dass ich es sein würde, wäre meine fette Karriere erst mal ins Rollen gekommen. In Wirklichkeit trabte ich auf der Stelle. Mein Terminplaner mag voll gewesen sein, meine Glücks-Reserven dagegen fühlten sich leer an.
2. „Ich hab‘ doch gar keine andere Wahl, ich werde schließlich gebraucht.“
Ohne Dich läuft der Laden nicht. Weder im Job, noch zu Hause. Ohne Dich bricht Chaos aus, so ist es nun mal. Wie solltest Du auch Dein Pensum runterschrauben und Dir zwischendurch einfach mal ein Kaffee-Päuschen gönnen, wenn die Gefahr besteht, dass Paul-Junior währenddessen mit seinem Finger in der Steckdose herumbohrt und die kleine Emma sich mit Deinem Nagellack nicht nur die Nägel, sondern gleich den ganzen Körper lackiert? Wie solltest Du Dir einen entspannten Tag auf der Couch machen, wo Deine Mutter doch heute dringend Deine Hilfe braucht? Sie muss zum Arzt gefahren werden, jetzt, zack, zack! Sonst stirbt sie nämlich an einem eingewachsenen Zehennagel.
Egal, wie eingespannt Du bist, wie viele Mäuler Du zu füttern, Bäuerchen zu klopfen, Knie zu verarzten und Herzen Du zu flicken hast – vergiss nicht, dass Du genauso wichtig bist wie alle anderen auch. Oft setzen wir aus (Nächsten-) Liebe und Verantwortungsgefühl die falschen Prioritäten: Wir lieben die, die uns nahestehen, na klar. Wir wollen da sein und helfen. Aber wir sind niemandem eine Hilfe, wenn wir ausgebrannt sind. Nehmen wir uns ein bisschen Zeit, im Rahmen unserer Möglichkeiten wenigstens ein paar Minuten. Nur für uns. Trinken wir unseren Kaffee. Genießen wir ein Schaumbad heute Abend. Das haben wir uns verdient.
„Wie man seine Berufung findet“
3. „Je mehr ich tue, desto produktiver bin ich.“
Wir wollen das Maximale rausholen. Aus uns, unserem Tag, unseren Möglichkeiten. 18 Stunden täglich, besser noch wären 19 oder 20 – nur leider macht der dumme Körper ja irgendwann schlapp. Was hätte ich heute Abend noch alles schaffen können, wie viele Wörter hätte ich noch getippt – wäre ich nicht über der Tastatur eingeschlafen?
Die Frage, die wir uns vielleicht eher stellen sollten, ist: Kommt wirklich etwas Gutes dabei heraus, wenn wir die fünfte Überstunde schieben, uns vielleicht sogar noch mit Überdosen von Koffein, Wachmacher-Pillen und verbissenen Durchhalteparolen weiter ans Limit pushen?
Nein, sagt Schlaf-Forscherin Cheri D. Mah von der Universität Stanford ganz klar. Sie hat herausgefunden, dass Basketballspieler neunmal so viele Korbtreffer haben, wenn sie 10 Stunden pro Nacht schlafen. Und andersrum: Wer dauerhaft 6 Stunden oder weniger schläft, ist weniger produktiv und rennt zudem ungebremst in Richtung Burn-Out. Die Harvard Universität schätzt in diesem Zusammenhang, dass chronischer Schlafmangel unter Angestellten Firmen im Jahr 632 Milliarden Dollar kostet – und das nur bezogen auf die USA.
4. „Was sollen denn die anderen von mir denken?“
Gestern traf ich zufällig eine Bekannte, die fragte: „Und? Was treibst Du grade so?“ Ich: „Hm, eigentlich nichts“. Die Bekannte prompt: „Na, Duuu hast ja ein Leben.“
Dieser Ton, das langgezogene „U“ im „Du“. Dazu der Blick und die hochgezogenen Augenbrauen. Und dann der Stempel drauf: Wer nichts zu tun hat, ist ein Loser. Hat keine Freunde. Ist wahrscheinlich sogar faul. Buuuh (mit noch länger gezogenem „U“)! Ein gesellschaftliches Manko.
Wirklich? Sind wir faule Loser, wenn wir uns so organisieren, dass wir unsere Arbeit ohne Überstunden schaffen? Haben wir keine Freunde, nur weil wir verstanden haben, wie wichtig es ist, auch einmal ein bisschen Zeit für uns alleine zu verbringen? Dass die ständige Hetze uns schlimmstenfalls sogar krank machen kann?
Zurück zu meiner Bekannten und ihrem: „Na, Duuu hast ein Leben.“
Ich lächelte nur, denn ich wusste: Sie hat Recht. Ich habe ein Leben. Ein ausgeglichenes. Und das fühlt sich eigentlich ganz guuut an.
5. „Nichts zu tun zu haben ist doch langweilig.“
Ein Grund, warum ich früher grundsätzlich als Letzte aus dem Büro gegangen bin, war, dass zu Hause nichts und niemand auf mich wartete. Kein Hobby, das mich ausfüllte. Kein Partner, nicht mal ein Haustier, das freudig mit dem Schwänzchen wedelnd zur Tür gesprungen wäre, kaum dass ich meinen Schlüssel ins Schloss gesteckt hätte. So einfach, so traurig. Manchmal ist es erträglicher, sich in Verpflichtungen zu stürzen, als andere Baustellen im Leben zu beackern. Einen leeren – oder wenigstens entschlackten – Terminkalender mit freien, weißen Stellen muss man erst mal aushalten lernen. Die Ruhe… die Langeweile… dabei sind gerade die nachweislich optimale Voraussetzung dafür, kreativ zu werden.
Der Kreativitätsforscher und Chef des Münchner Instituts für Medizinische Psychologie (IMP), Ernst Pöppel, glaubt sogar, dass wir es in unserer Gesellschaft mit einem regelrechten „Kreativitäts-Stau“ zu tun haben, verursacht durch unsere vollgestopften Terminkalender. Er sagt: „Multitasking ist die Vernichtung von Kreativität. Wer kreativ sein möchte, benötigt ein eigenes Zeitmanagement. Dazu gehören ausreichende Pausen.“
Es ist schön, wenn unsere Tage ausgefüllt sind. Vor allem aber sollten sie uns ausfüllen. Streichen wir doch heute einfach mal das Meeting um 18 Uhr, verschieben wir es auf morgen und schaffen so bewusst Platz für eine kleine Lücke. Ganz im Sinne übrigens von Pipi Langstrumpf, weil: „Man muss ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.“
Mehr unter Warum Du so erschöpft bist (der wahre Grund) und unter Süchtig nach helfen: Warum wir aufhören sollten, andere zu „retten“.
Photo: Calm / Shutterstock
Guter Artikel! Immer wieder wichtig sich das vor Augen zu führen!
Sehr schöner Beitrag!
„Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er nicht die Zeit hat, überall zu erzählen, wie beschäftigt er ist.“
Das Zitat ist richtig geil. Dieses Beschweren darüber, wie beschäftigt man doch ist, ist reine Selbstverarsche. Wir wollen nur hören, wie toll wir doch sind, weil wir so viel tun. Viele von uns wollen so beschäftigt sein, um das anderen mitteilen zu können. So nach dem Motto: „Jo, ich bin so wichtig, dass mein Terminplaner total voll ist. GUCK ES DIR AN, HIER!“
„Du musst da sein, immer eine Viertelstunde früher als die Kollegen“
„Ohne Dich läuft der Laden nicht“
„Je mehr ich tue, desto produktiver bin ich.“
Das ist so ein typischer Denkfehler. Statt uns zu bemühen, Stress rauszunehmen und effizienter zu werden, erhöhen wir eher die reingesteckte Zeit. Schön von hinten durch die Brust ins Auge. Lieber wenige Dinge richtig tun statt viele Dinge halbherzig. Auch dieser Irrglaube, dass ohne uns beruflich etwas nicht laufen würde – sorry, aber zu 95% reden wir uns das nur selber ein, um unser Geltungsbedürfnis zu befriedigen.
„Sie hat herausgefunden, dass Basketballspieler neunmal so viele Korbtreffer haben, wenn sie 10 Stunden pro Nacht schlafen“
Naja. Wie aussagekräftig eine Studie mit 11 Studenten ist, ist fraglich. Ich habe die Studie gerade mal überflogen und das haut nicht wirklich hin. Es sind 9%, nicht 9 mal so viele Treffer, wenn ich das richtig verstanden habe. Vielleicht schaust du da noch einmal drüber („Shooting accuracy improved, with free throw percentage increasing by 9%“).
Davon abgesehen spielen so viele Faktoren in den Schlaf mit rein, dass ich pauschal 6 Stunden Schlaf nicht als zu wenig bezeichnen würde. Die Qualität des Schlafes ist da schon eher ausschlaggebend. Ist aber auch nur meine persönliche Meinung. Bin da vielleicht auch ein bisschen biased, weil ich selbst selten mehr als 6-7 Stunden schlafe.
Herzlichst,
Waldemar
Das ist das Wollen und Sollen, wie wir es in unserem Denken einmal eingerichtet haben. Es hat einmal funktioniert für uns und wir wurden dafür scheinbar geschätzt und geliebt. Und unsere Umwelt und Freunde haben wir uns damit auch passend erschaffen. Nur der innere Kompass wurde beiseite gestellt und die Seele hatten wir in der Warteschleife. Fehlende Liebe hätte weiter geschmerzt, hätten wir die Seele und Authentizität sprechen lassen. Scheinbar.
Dazu faellt mir gerade dieser Spruch ein…..never get so busy making a living that you forget to make a life
Also mich beeindrucken Leute mit vollen Terminkalender absolut nicht. Die tun mir eigentlich eher leid 😀
Aber jeder soll tun was er für richtig hält. Bin zum Glück von diesem Anerkennungstrip runter.
„Wer kreativ sein möchte, benötigt ein eigenes Zeitmanagement. Dazu gehören ausreichende Pausen.“
Könnte man meinen, dass da was dran ist. Auch in der Sichtweise, dass uns das wenig anginge, wie der Kollege mit pausenlosem Multitasking veranstaltet. Bestimmt können wir dem folgen bis zu einem gewissen Ausmaß, wenn wir in der Lage sind, uns diese Eigenwilligkeit und Freiheit zu nehmen.
Doch, was ist das dann, wenn wir einen Plan aufstellen, mit dem wir dann gewissem Druck aus der im Gruppendenken entstandenen Planung zu entkommen? Das fühlt sich für mich ein wenig an, wie der Rat, mit einer im Vernunftdenken entstandenen Absicht übermäßigem Vernunftdenken zu entkommen. Auch der Weg nach Innen braucht so einen Gedanken, der aber dann die Gedanken zeitweise nahezu abschaltet, wenn er tatsächlich gegangen wird.
Es wird nicht funktionieren, wenn, ja wenn ich damit nicht auch meine Bewusstheit deutlich und mit zunehmendem zeitlichen Anteil in meine Mitte und in mein Innen verlagere. Und wir können das schwerlich halten, wenn wir nicht SEIN lassen können und leben können, was stimmig zu diesem Innen passt. Wenn wir für andere oder die Gruppe oder unser eigenes HABEN Wollen wieder schnell aufschrecken und mit unserem Tun nicht im SEIN bleiben (können). Und doch kommt wohl Kreativität aus den Momenten im SEIN, nicht im Kombinieren, Vergleichen oder Anstreben. In der Praxis finden wir aus meiner Sicht sehr oft einen Übergang in einer Mischung von Innen und Außen. Insofern passt der Rat mit den geplanten Pausen doch wieder.
Es ist aber wohl sehr entscheidend, ob ich das Innen auch lebendig lebe. Eine Pause und Erwarten dass da was kommt, muss das noch nicht sein. Das ist auch nicht gemeint mit dem Hier-Und-Jetzt. Sehr wohl kann ich aber im Hier-Und-Jetzt etwas aus der Vergangenheit innerlich lebendig nacherleben, oder auch ein erwartetes Geschehen der Zukunft. Denn es geschieht mit Energie in Bewegung und Gefühlen, die sich auch als Energie für andere spürbar zeigen können. In der Regel mit Neigung eines zwischenmenschlichen Austausches, wenn das so ist.
Das Lernen von Dingen oder auch das Blocken und Block-Lesen gestaltet sich aus meiner Sicht auch intensiver und erfolgreicher mit höheren Anteilen im SEIN, dem lebendigen emotionsgetragenen Mitteilen, Erfahren, Austauschen und Zurückfragen. Insgesamt ein gesundes Tun für Alle. Auch wenn sich dahinter ebenso ein Haben Wollen beteiligt, und sei es „nur“ das wollen von Mitgefühl, Wertschätzung oder Dankbarkeit. Hinter einem Zurückfahren des Austauschens versteckt sich dann für mich auch ein Geschäftigt Sein und eben weniger Lebendigkeit. Das Haben Wollen dominiert wieder mehr das lebendige gesunde Leben im SEIN.
Wundervoll! Kann ich voll und ganz nachvollziehen! Danke! 🙂