Teile diesen Beitrag "Neid in Freundschaften: Muss ich mich immer für den anderen freuen?"
Text von: Lena Schulte
Als neugieriger Mensch, der seine Nase gern mal in Erleuchtungsbücher steckt, weiß ich: Neid ist uncool. Und echt weit entfernt von diesem seligen Buddha-Grinsen und dieser strahlenden lässigen Erhabenheit, die ich irgendwie doch ganz gerne hätte. Also was tun? Richtig, ganz schnell versuchen, sich noch mehr für den anderen zu freuen. Klar, immerhin will ich ja gar nicht missgünstig sein. Vor allem will ich das nicht, wenn mein Neid einen Menschen trifft, der mir nah steht.
Neid in Freundschaften ist eine echt unangenehme Sache. Ich fühle mich dann schnell „falsch“. Und ziemlich allein. Denn das offene Sprechen darüber kann sehr schnell ernsthafte Konsequenzen für den eigenen Ruf oder auch für die Freundschaft bedeuten.
Persönliche Bezugssysteme als Neidquelle
Eigentlich ergibt es wenig Sinn, dass ausgerechnet Freundschaften anfällig für Neid-Attacken sind. Sollte eine gute Freundschaft doch gerade der Ort sein, an dem man mal Ruhe von diesem ständigen Konkurrenzdenken hat. Schließlich teilt man viele Gemeinsamkeiten, hat ähnliche Moralvorstellungen, meistens auch einen ähnlichen Sinn für Humor und ähnliche Zielvorstellungen vom Leben. Gleich und gleich gesellet sich eben gern. Und das wiederum ist die beste Keimzelle für Neid.
Psychologen bestätigen: Je größer der persönliche Bezug ist, den wir zu einer bestimmten Sache haben, je mehr sie uns also bedeutet, desto schneller kann die Freude für den Anderen in Neid umschlagen. Und bei Freunden hat dieser potenzielle Neid-Faktor einfach naturgemäß eine größere Schnittstelle.
Deswegen ist es viel einfacher sich für andere zu freuen, wenn es um etwas geht, was für uns selbst weniger Relevanz hat. Wenn Simone zum Beispiel keinen Bezug zur Familiengründung hat, kann sie hocherfreut die Korken knallen lassen, wenn Anette ihr erzählt, dass sie ihr sechstes Kind erwartet. Und wenn Anette wenig Bezug zu Karriereleitern hat, kann sie viel Bewunderung für Simone übrig haben, wenn sie demnächst in Shanghai als erster weiblicher CEO eine tradierte Butterbrot-Firma leiten wird.
Wir alle sind mal neidisch
Ein Chefredakteur einer großen Boulevard-Zeitung sagte einmal in einer meiner Vorlesungen:
„In keinem anderen Land macht Neid so viel Auflage wie in Deutschland. Hier redet man nicht offen darüber, aber die Leute lieben es, dass wir das aussprechen, was sie selbst zu unterdrücken versuchen.“
Damit traf er den Punkt: Wir sind alle mal neidisch, auch wenn wir nicht gern drüber sprechen. Neid ist keine Randerscheinung und bloß für charakterschwache Menschen reserviert, die nichts in ihrem Leben auf die Kette bekommen. Ich glaube auch, dass es nicht schlimm ist, ab und zu mal neidisch zu sein, sondern ganz normal und menschlich. Als meine neue Mitbewohnerin damals zum Beispiel nach gerade einmal vier Wochen in der neuen Stadt eine riesige WG-Party bei uns schmiss, wäre ich vor lauter Neid fast geplatzt. Es war echt schwer mit anzusehen, wie einfach es für sie anscheinend war neue Freundschaften zu schließen. Ich hingegen lebte schon drei Jahre in der Stadt – und wäre nicht einmal auf die Hälfte der Leute gekommen.
Neid als Ratgeber
Obwohl Neid einen sehr schlechten Ruf genießt, ja, sogar als Todsünde gilt, ist Neid nicht gleich Neid. Neid hat zwei Gesichter. Einmal das hässliche, destruktive, das uns mit seiner Fratze böse anstarrt, uns lähmt und uns runterzieht. Und dann einmal das Gesicht eines netten Sportlehrers, der die Trillerpfeife in den Mund nimmt und uns anfeuert.
Das erste Gesicht taucht meistens auf, wenn uns der Erfolg des anderen willkürlich oder nicht berechenbar erscheint. Wenn wir das Gefühl haben, er hätte zu wenig dafür getan und es sei ihm einfach so in den Schoß gefallen und er sei nun ständig überglücklich darüber. Mir helfen dann zwei Fragen: Kann ich sicher sein, dass es so mühelos war? Und erlebt der andere diesen Erfolg genauso positiv, wie ich es ihm unterstelle?
Wir können Neid auch als Ansporn werten. Gerade, weil Freunde oft ähnlich fähig sind (wenn auch in verschiedenen Bereichen), können sie ähnlich viel erreichen. Zudem sitzen wir direkt an der Quelle und können von den Erfahrungen des anderen profitieren, was funktioniert hat und was nicht.
Sollen wir drüber reden?
Neid in Freundschaften offen thematisieren? Finde ich schwierig. Denn genauso wenig, wie ich neidisch auf einen Freund sein möchte, möchte ich, dass Freunde neidisch auf mich sind. Außerdem ändert Neid nichts an einer Situation. Als Beneideter würde ich mich in späteren Situationen vielleicht auch gehemmt fühlen, wenn ich von wichtigen Meilensteinen erzählen möchte.
Natürlich geht der Neid nicht weg oder tut weniger weh, wenn man ihn einfach verdrängt oder verschweigt. Ich versuche es inzwischen so: Ich trete einen Schritt zurück und denke über die Freundschaft nach und über das, was mir in meinem Leben (vermeintlich) fehlt. Manchmal steckt auch etwas bisher Unentdecktes hinter meinem biographischen Kräftemessen. Statt dann direkt über den Neid zu sprechen, sage ich dann lieber, dass ich mich zwar für ihn / sie freue, mich aber gerade in einem (klar, unnötigen) Wettbewerb sehe oder selbst ein großes unerfülltes Bedürfnis habe, das mir zu schaffen macht.
Den einen Weg, richtig mit Neid umzugehen, gibt es wohl nicht. Aber es ist schon viel geschafft, wenn wir ihn uns eingestehen, dann prüfen, und dann bei Bedarf über das sprechen, was dahintersteht.
Wann hast Du das letzte Mal einen Freund so richtig beneidet und wie bist Du damit umgegangen?
Mehr unter Wie man aufhören kann, sich ständig mit anderen zu vergleichen und unter 10 Anzeichen, dass Du eine Freundschaft beenden solltest.
Photo: Envy / Shutterstock
Wieder ein interessantes Thema, Lena. Es gibt dazu wohl viele Perspektiven, die sich in einer Diskussion lohnen. New Age Leuten fällt dazu schnell ein, dass Neid eine Art Angst ist. Klar, im Kern gibt es ja nur Liebe und Angst, die auch die Abwesenheit von Liebe ist, schaut man einmal ganz tief auf die Gefühle. In der grünen, warmhertzigen, alle einschliessenden Gemeinschaft ist Neid uncool, widerspricht den Regeln dieser Gemeinschaft. Die Verdrängung setzt uns dann eher zu. In Gesellschaft der erfolgsorientierten Individualisten ist das oft aich ein Antrieb im Wettbewerb. Träume und Ziele regieren und das Vergleichen. Gesunde Authentizität verhindert das Gefühl, wenig wert zu sein. Und sei es mit Bildern über die Zukunft.
Es ist also gesünder, Neid zuzulassen, wenn er schon da ist. Das hat auch mit mir zu tun und es gibt Ursachen, wenn der Neid extremer ausgeprägt ist.
Ich denke, es geht zum einen um die gleichen Schmerzen und Ursachen wie das Haben Wollen ansich. Und hier geht es um einen Ersatz. Wert und geliebt zu sein. Das Kleinkind verbindet noch beides. Zu bekommen (besitzen) und gelobt werden bedeutet Wert und Liebe. So schmerzt beim Haben Wollen im Kern nur fehlende Liebe, was Angstgefühlen gleichkommt.
Und was passiert, wenn wir dem anderen etwas voraus haben? Mit genug Liebe vielleicht wenig. Mit einem Mangel an Liebe können sich Hochgefühle einstellen, auch ein unbewusstes Herabsehen auf den anderen.
So geht es zum zweiten auch um Trennung. Schmerzen der Trauer. Abschied vom Einssein. Dies kann vom anderen ausgehen, der tatsächlich herabschaut und mir damit Schmerzen bereitet, ohne dass mir oder ihm diese Ursachen bewusst sind. Oder er lässt es mich direkt bewusst spüren. Oder nichts davon und allein meine Glaubenssätze schaffen den Schmerz.
Ich persönlich bin lieber authentisch, wenn ein Neidgefühl aufkommt. Und ich gestehe mir meist ein, dass ich noch Baustellen habe. Zum anderen halte ich mich lieber fern von Menschen, die leicht herabschauend auf mich wirken könnten.
Einen schönen Sonntag wünsche ich allen. Und Nachsicht mit sich selber.
LG Richard
Komisch, also für mich ist Neid ganz anders. Ich hab überhaupt kein Problem damit, mich gleichzeitig ehrlich für meine Freunde zu freuen und trotzdem auch das neidische Gefühl zu haben, dass ich diese Sache auch gerne hätte. Das widerspricht sich bei mir ganz selten. Naja, wenn ich Menschen gar nicht mag, kann das schon mal passieren, dass ich neidisch denke: Das hätte lieber ich bekommen sollen als der/die andere.
Aber meistens empfinde ich meinen Neid überhaupt nicht als destruktiv, sondern nur als Zeichen unerfüllter Wünsche – dann hätt ich das halt auch gerne, aber ich würd es meinen Freunden auf keinen Fall „wegnehmen“ wollen.
Allerdings kann das dann immer noch schwierig sein, wenn es um wirklich wichtige Themen geht. So sehr ich mich ehrlich für meine Freunde freue, schmerzt ein großer unerfüllter Wunsch halt trotzdem. Aber das empfinde ich nicht wirklich als missgünstigen Neud, sondern eben als Trauer um unerfüllte Wünsche – die darf ich ja auch haben.
oh hallo! ja so ähnlichist das bei mir auch 😉 dachte schon, ich wär ein sonderling, nachdem ich den artikel gelesen habe ;))
Neid zulassen aber sich nicht davon auffressen lassen. In diesem Fall sollte man eine Freundschaft nicht mit offener
Aussage belasten oder gar auseinanderbringen sondern mal nachdenken, was man alles
Schoene selbst erlebt oder besitzt.
endlich mal ein thema, das mich null berührt 😉 damit hab ich überhaupt kein problem und war nie thema bei mir. natürlich beneide ich ganz oft freunde von mir und manche beneiden mich. aber ich hab zum glück keine freunde, für die das ein problem ist. wenn man grad so im plaudern ist, sagt man das auch ganz normal. das löst weder pos. noch neg. emotionen aus. einfach ein satz wie „wow, das ist ja cool! das hätt ich auch gern!“ oder „echt? wahnsinn, da beneid ich dich total drum!“ also das finde ich ganz normal. ich freue mich FÜR den anderen aber manches hätt ich eben auch selbst gern. das ist einfach so und das kann ich (und man) auch ganz einfach aussprechen, ohne jegliche konsequenzen. und wenn es negative konsequenzen hat, dann sollte man diesen „freund“ vielleicht meiden.
Hey,
das mit dem Neid kenne ich leider auch gut. Bei mir ist es die Kinderfrage, die mich neidisch werden lässt. Es klappt leider seit 5 Jahren nicht und gleichzeitig wird eine Freundin nach der anderen schwanger. Das ist schon ziemlich hart, wenn du dann irgendwann die einzige bist, die keinen Nachwuchs bekommt. Da fällt es auch schwer, zu jubeln, wenn dich wieder eine anruft und verkündet, dass sie wieder schwanger ist. Letztes Jahr waren meine 3 besten Freundinnen parallel schwanger und ich nicht – für mich echt schwer. Doch mittlerweile wird es leichter. Mit der Akzeptanz der eigenen Situation verschwindet auch der Neid. Es ist dann eher so etwas wie Wehmut. Und die stille Hoffnung, viell. wenigstens als Freundin mit den kleinen Menschen zu tun zu haben…
Liebe Grüße Nicole
Sehr interessantes Thema liebe Lena.
Klar gibt es Situationen, in denen man sich wünscht: Oh das hätte ich jetzt aber auch gerne.
Was mir dabei geholfen hat, ist die Dankbarkeit. Dankbar zu sein, was man schon alles hat und vor allem erreicht hat.
Denn gerade wenn man sich damit beschäftigt verschwindet der Neid wie im Flug und man konzentriert sich auf die Dinge die absolut positiv sind. Und so kann man sich auch noch besser füreinander freuen.
Ganz toll geschrieben.
Wünsche dir einen schönen Tag
LG
Nina
Lieber Tim!
Ich schätze deinen Blog und deine Podcasts sehr! Es war toll unter den Schlagworten „MyMonk“ und „Neid“ 3 wunderbare Artikel und einen perfekt passenden Podcast gefunden zu haben. Welch schöne Erkenntnisse für mich:
– ich bin nicht allein
– ich bin nicht falsch
– mein Gefühl möchte mir etwas mitteilen
– ich habe schon viel erreicht, im Vergleich mit mir selbst (zum Beispiel habe ich trotz abgebrochenem Studium einen Job, der mir Spaß macht….ich habe es geschafft mich aus einer unglücklichen Beziehung zu befreien, obwohl noch kein neuer Partner vor der Tür stand und auch noch immer nicht in Aussicht ist…ich schaffe es immer öfter mich abzugrenzen und nicht immer „ja“ zu sagen, obwohl ich „nicht“ meine…). Je länger ich an diesem Kommentar schreiben, desto besser geht es mir, weil ich wieder bei mir bin und nicht im Außen. Herzlichen Dank lieber Tim und liebes MyMonk Team…ihr macht einen verdammt guten Job!