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 Text von: Romy Hausmann

„Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.“ – Wilhelm Busch.

Die eindrucksvollere Karriere. Das größere Gehalt. Das schnellere Auto. Die definierteren Bauchmuskeln (oder überhaupt erst mal welche). Die bessere Frisur. Hat er. Hat sie. Egal, wohin ich blicke, haben sie alle etwas, das ich gerne hätte. Haben sie es unverdient – natürlich. Ist ihnen irgendwie in den Schoß gefallen – wie gemein, wie verdammt, verdammt noch mal unfair!

Guck mich an: Ich strample mich seit Jahren ab. Hangele mich von Monat zu Monat mit meinen mageren paar Euro. Fahre Bus. Mache Diäten und Sit-Ups, von denen ich nichts bekomme außer schlechter Laune und Muskelkater. Und meine Haare sehen aus, als würde ich mich frisieren, indem ich jeden Morgen einen feuchten Finger in die Steckdose hielte.

Ja, manchmal fühle ich mich betrogen. Vom Leben, von der Welt. Fühle ich mich, als nähmen mir die anderen etwas weg, das eigentlich mir zusteht. Bin ich neidisch. So sehr, dass ich bestimmt schon auf kilometerweite Entfernung gelb leuchte wie ein riesiger, eitriger Pickel kurz vor dem Platzen. Okay, ich übertreibe (aber wahrscheinlich sind sogar darin andere noch um einiges besser als ich!).

Fakt ist dennoch: Manchmal bin ich neidisch.

Bist Du es vielleicht auch.

Auf Deinen unfähigen Arbeitskollegen, der trotzdem die fettere Kohle absahnt und auf der Leiter längst an Dir vorbeigeklettert ist. Der Dir zu allem Überfluss auch noch von oben zuwinkt und darüber schwärmt, wie gut die Luft und die Aussicht von seiner Warte aus sind. Auf die Super-Mom aus der Krabbelgruppe, die immer aussieht, als käme sie direkt von einem Shooting für ein Hochglanz-Magazin, während Du schon froh bist, dass Du im morgendlichen Stress nicht vergessen hast, Dir eine Hose anzuziehen. Mitunter sogar auf Menschen, die Dir nahestehen. Auf Deine beste Freundin, die sich mit dem Brad Pitt des Dorfs verlobt hat, oder auf Deine schöne, begabte Tochter, die den Traum lebt, den Du irgendwann mal begraben hast. Und Du kommst Dir schlecht dabei vor. Schämst Dich. Kannst aber eben auch einfach nicht aus Deiner Haut.

Falls es Dich tröstet: Vor Neid ist keiner von uns gefeit. Solange wir atmen, wird es immer etwas geben, um das wir andere beneiden. Nicht nur, weil es schlichtweg unmöglich ist, jemals alles zu haben – sondern auch rein genetisch bedingt.

Der neidische Höhlenmensch

Neid ist ein wichtiges Thema der Evolutionsgeschichte. Schon damals erhöhten die größere Keule, die geschickteren Moves beim Jagen oder die gebärfreudigeren Hüften die Chancen bei der Partnerwahl – und damit auch die Chance zu überleben. Und auch heute noch steckt Neid von Geburt an in uns drin, genau wie das Bedürfnis nach Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit (deshalb kloppen sich wahrscheinlich auch schon Zweijährige im Sandkasten um das größere Schäufelchen, weil sie glauben, damit die schönere Sandburg bauen zu können).

Neid entsteht aus Vergleichen – auch etwas, mit dem wir von Kindheit an konfrontiert werden. Der kleine Bruder, der die besseren Noten mit nach Hause bringt. Oder das Nachbarskind, das schon längst das Seepferdchen hat, während wir nach tausend Schwimmstunden immer noch nicht mehr können, als „My Heart will go on“ zu gurgeln, wenn wir oscarreif im knietiefen Kinderbecken absaufen. Neid erfasst uns immer dann, wenn wir bei der täglichen, ständigen Vergleicherei (gefühlt) den Kürzeren ziehen – und bei einer „Mitbewerberzahl“ von fast 8 Milliarden Menschen, mit denen wir uns die Erde teilen, tun wir das zwangsläufig eben leider sehr oft. Das zumindest ist die Theorie.

In der Praxis fühlen wir uns einfach nur beschissen. Klein. Wertlos. Unfähig. Wir werden traurig, vielleicht sogar depressiv, wütend, manchmal gar aggressiv. Verlieren die Fähigkeit, uns zu freuen – an dem, was wir selbst haben, und mit anderen. Was für ein tristes Leben, oder nicht?

Hier sind drei Denkanstöße, die uns helfen können, mit Neid umzugehen (und sein neongelbes Leuchten ein wenig blasser zu machen)

Seien wir selbst unser eigener Vergleich

Sobald wir mit anderen in den Ring treten, riskieren wir, eins auf die Zwölf zu kriegen. Ist nun mal so. Da wird immer jemand schöner, schlauer, reicher und allgemein „weiter“ sein als wir. Warum also vergleichen wir uns nicht einfach nur mit uns selbst?

Wenn ich an Romy 1.0 denke, die kleine Nixblickerin, die damals ihr Studium abgebrochen hat, um nur ein paar Jahre später Redaktionsleiterin beim Fernsehen zu sein, dann schwillt mir das BH-Körbchen um wenigstens eine Nummer. Wenn ich weiterdenke – an Romy 2.0, dauergestresste Redaktionsleiterin und völlig überforderte Jungmutter – dann wird mir klar, wieviel mehr noch ich in den letzten Jahren geschafft habe. Und wenn ich mir dann noch bewusst mache, dass ich heutzutage meinen Traum vom Schreiben lebe, mein Sohn neun Jahre alt, gesund und gut entwickelt ist, dann kann es mich eigentlich gar nicht mehr so sehr kratzen, dass andere eine steilere Karriere, mehr Geld oder eine bessere Frisur haben als ich. Denn dann weiß ich: Ich habe – für mich – einen guten Weg gemacht. Ich schneide in meinem eigenen Vergleich verdammt gut ab.

Wie ist es mit Dir? Wer, wo und was warst Du noch vor zehn Jahren? Worauf kannst Du stolz sein? Was hast Du für Dich erreicht?

Verändern wir unsere Perspektive

„Jeder wäre gerne Cary Grant. Sogar ich wäre gerne Cary Grant.“

Das ist ein Zitat von – tada! – Cary Grant, seines Zeichens Hollywood-Ikone. Ich denke, dass er darauf anspielt, dass wir viel zu oft und unsinnig Dinge auf unsere Mitmenschen projizieren, die eigentlich mehr unserer eigenen Fantasie entsprechen als der Wahrheit. Klar, von außen sieht das Leben der anderen immer glänzender aus. Aber würden wir wirklich tauschen wollen?

Der Top-Manager mit dem fetten Gehalt hat vielleicht seine Frau verloren, weil sie es einfach nicht mehr ertragen hat, dass er nur für die Firma lebt. Vielleicht sieht er seine Kinder nur einmal im Quartal. Oder diese unfassbaren Bauchmuskeln! Wieviel anstrengendes Training steckt dahinter? Wieviel Magerquark statt leckerer Spaghetti Bolognese? Machen wir uns klar, dass jeder seine Prioritäten für sich selbst setzt. Und dass hinter jedem Erfolg auch immer eine Entbehrung steckt.

Neid kann auch ein Ansporn sein

Noch vor ein paar Jahren, als ich für meine Roman-Manuskripte haufenweise Absagen kassierte, dachte ich im Bezug auf andere Schriftsteller oft: Warum ausgerechnet der und nicht ich? Bis ich irgendwann meine Einstellung änderte. Mir zuerst einmal bewusst machte, dass „der“ mindestens genauso viel Arbeit in seine Schriftstellerei investierte wie ich. Vermutlich genauso zweifelnd nächte-, monate- oder gar jahrelang über seiner Geschichte brütete wie ich. Zu essen und zu duschen vergaß, weil er jede freie Sekunde für sein Werk nutzen wollte. Und dann dachte ich: Dass „der“ es geschafft hat, hat doch eigentlich gar nichts mit mir zu tun. Es zeigt doch nur, dass es überhaupt möglich ist, es zu schaffen. Dass mein Traum keine dusslige Utopie oder Zeitverschwendung sein muss, wenn „der“ es bereits vorgemacht hat. Und daraus wiederum zog ich Mut und Motivation, um weiterzumachen. Für Neid konnte in diesem Moment gar kein Platz mehr sein, vielmehr verspürte ich Erleichterung und echte Dankbarkeit.

Wenn sich also der quietschgelbe Neid bemerkbar macht, akzeptieren wir ihn als ein ur-menschliches Gefühl – doch geben wir ihm eine andere Bedeutung. Machen wir uns klar, dass uns niemand etwas wegnimmt. Dass genug da ist für uns alle. Lassen wir uns von der Freude anstecken, die jemanden erfasst hat, dem gerade etwas gelungen ist, der glücklich ist. Seien wir dankbar, wenn er das mit uns teilt. Schließlich liegt es doch an uns, welche Farbe wir der Welt geben wollen.

Mehr dazu im myMONK-Podcast mit der Folge „Wie man aufhören kann, sich mit anderen zu vergleichen:

Alles zum Podcast und zu den Folgen findest Du hier.

Photo: Woman thinking von Luis Molinero / Shutterstock