Teile diesen Beitrag "Wie man sich und sein Leben akzeptiert – und trotzdem noch Ziele haben kann"
Da scheint’s einen Konflikt zu geben, der mich schon lange beschäftigt, und Dich ja vielleicht auch. Einerseits heißt es immer: „Akzeptiere Dich selbst, liebe Dein leben wie es jetzt ist!“. Andererseits: „Setz Dir Ziele, werde besser, lebe besser in allen Belangen, gib Dich nicht zufrieden mit dem, was Du schon hast! Was nicht wächst, das verkümmert!“. Akzeptanz und Selbstliebe als Gegenteil zu Zielen und Wachstumsstreben.
Podcast zum Thema:
Alle Folgen / Podcast bei iTunes / bei Spotify
Sollen wir also nun alles gut finden wie’s ist, chillig wie ein Hippie von Luft und Liebe leben und nur noch dasitzen und zuschauen, wie unsere Fußnägel wachsen und so lang werden, dass wir im Teppich hängen bleiben, wenn wir doch mal aufstehen müssen, weil der Blasen-Katheter voll ist, den wir uns aus Bequemlichkeit zugelegt haben?
Oder sollen wir immer in Bewegung, immer auf der Jagd sein, uns selbst und unser Leben verändern, immerzu, wie der Juppie, der nie stehenbleibt, nie zufrieden ist mit sich und dem, was er hat, der immer rennt, bis er tot umfällt (mit ner Rolex am durchtrainierten Arm), weil er eben mit dem Hier und Jetzt nie im Reinen ist.
Also:
Akzeptanz und Liebe
oder
Selbstkritik und Hiebe
… was denn nun?
Von diesem Was-denn-nun handelt dieser Text. Vom Konflikt zwischen Akzeptanz und Zielen, der mich schon so manches Mal in die eine Richtung geschleudert hat und dann wieder in die andere, zwischen innerem Frieden, hey passt schon hier, und Motivation, ney weg hier! Je mehr man sich akzeptiert, umso weniger motiviert ist man, und je weniger man sich akzeptiert, umso motivierter. Oder? Am Ende hat man sich bei diesem faulen Kompromiss weder selbst völlig akzeptiert, noch mit aller Kraft an sich und seinem Leben gearbeitet.
Das ist ein Konflikt, der gar keiner sein muss.
Nein, wir müssen uns weder bewegungslos hinter der Akzeptanz verstecken, noch müssen wir uns permanent bis zum bitteren Ende fertig machen und abhetzen, nur weil und unser Leben nicht perfekt sind … und auch nie sein werden.
Was akzeptieren wirklich bedeutet
Lass uns zuerst schauen, was akzeptieren eigentlich bedeutet. Nur wenn wir das verstehen, lässt sich der Konflikt auflösen.
Akzeptieren bedeutet:
- Wir sehen uns wie wir jetzt sind, mit all unseren Bedürfnissen, Stärken und Schwächen,
- wir sehen unser Leben wie es jetzt ist, mit allem was wir daran gut und weniger gut finden und
- wir fühlen, was wir jetzt fühlen,
- mit offenen Augen und offenem Herzen, ohne Widerstand.
Wenn wir akzeptieren, versöhnen wir uns mit der Vergangenheit und dem Heute. Wir haben in der Vergangenheit getan, was wir tun konnten. Hätten wir mehr tun können, hätten wir es wohl getan. Wir alle wollen doch, dass es uns so gut wie möglich geht. Selbst wenn wir uns eigenhändig sabotieren, indem wir zum Beispiel „faul“ sind, tun wir das nur, um uns zu schützen. Etwa vor der Anstrengung oder der drohenden Enttäuschung, wenn wir scheitern würden.
Akzeptieren bedeutet hingegen nicht:
- alles toll finden müssen, wie es jetzt ist (wir werten zunächst mal gar nicht, weder in die eine, noch in die andere Richtung)
- alles für immer so lassen müssen, wie es jetzt ist
Richtig wachsen kann nur, wer sich akzeptiert
Akzeptanz ist kein Stillstand, eher eine Ausgangssituation.
Wir können schließlich auch akzeptieren, dass:
- es uns in Zukunft, unter anderen Bedingungen besser gehen könnte
- Wachstum zu unseren Grundbedürfnissen als Mensch zählt
Außerdem wandelt sich das Leben ohnehin. Auch ohne unser Zutun müssen wir immer wieder mit neuen Umständen klar kommen, sie für den Moment akzeptieren – und allein daran wachsen wir doch schon, indem wir mehr und mehr lernen, im ersten Schritt alles zu akzeptieren, was uns das Leben vor die Füße wirft.
Wenn es regnet und wir unterwegs sind, dann regnet es nun mal. Wenn wir im Regen so tun, als würde die Sonne scheinen, werden wir – Überraschung! – definitiv nass. Wenn wir akzeptieren, dass es regnet, können wir ihn aushalten oder einen Unterschlupf suchen.
Akzeptanz kann also Hand in Hand mit Zielen gehen. Ohne jetzt zu akzeptieren, wie die Dinge sind, lassen sie sich für die Zukunft nicht bewusst ändern.
Denken wir an die Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird, immer wenn er besoffen ist und seine Fußballmannschaft verliert oder ihm ein Furz quersitzt, und diese Frau, ja, will das gar nicht so recht sehen und fühlen, wie Scheiße die Situation ist, wie schlecht ihr Mann sie behandelt und wie schlecht es ihr damit wirklich geht. Erst in dem Moment, wo sie den Widerstand gegen die Wahrnehmung dessen überwindet, was nun mal Sache ist; wenn sie ihren Schmerz, ihre Trauer und Wut zulässt; wenn sie ihre Anker in der Realität auswirft … erst dann kann sie etwas ändern. Vorher fehlen ihr Problem-Bewusstsein und Motivation.
Denken wir an den überdicken Mann, der sich kaum noch bewegen kann und nur noch auf der Couch hockt, Fußball schaut und Bier in sich hineinkippt wie in ein Loch, und der so extrem frustriert über diesen Zustand ist, den er sich gar nicht eingestehen will, dass sich sein Frust dort Bahnen bricht, wo er es auf keinen Fall tun sollte: bei seiner Frau, die blaue Flecken in Form seiner Hände mit sich herumtragen muss. Erst wenn der überdicke Mann erkennt, wie unglücklich er über seinen körperlichen Zustand ist – und dass er ihn selbst hervorgerufen hat und nur selbst wieder geraderücken kann, vielleicht auch mit professioneller Hilfe … erst dann kann er etwas ändern. Fehlen ihm doch zuvor Problem-Bewusstsein und Motivation.
Der berühmte Psychotherapeut Carl Rogers sagte „nur wenn wir uns selbst akzeptieren, können wir uns auch verändern“. Das gilt für unser äußeres Leben genauso.
Wir können uns am besten selbst lieben und am besten für uns selbst sorgen, wenn wir uns akzeptieren und sehen, welche Bedürfnisse gerade nicht erfüllt sind, die wir aber durch einen anderen Umgang mit uns oder durch ein anderes Handeln besser erfüllen können.
Akzeptieren wir uns nicht, verharren wir entweder setzen uns blind Zielen, wie sie sich viele Menschen setzen. Ziele, die uns alles und mehr abverlangen, aber überhaupt nicht zu uns passen – und kein Bisschen glücklicher machen, auch wenn sie uns vielleicht Anerkennung von anderen einbringen (geile Rolex, Mann). Falls uns ein erreichtes Ziel doch mal weiterbringen sollte, ist das ohne Selbstakzeptanz nur Zufall. Meistens wachsen wir dabei nicht, sondern VERwachsen wie Quasimodo.
Ehrliche und für uns gute Ziele basieren damit immer auf Akzeptanz: darauf, wie wir wirklich sind, was wir wirklich haben, und was wir wirklich brauchen.
Welche bessere Basis gibt es denn, was könnnte uns mehr Kraft geben, unser inneres und äußeres Leben in die Hand zu nehmen als die liebevolle Akzeptanz?
Warum überhaupt Ziele setzen, wenn wir alles akzeptiert haben?
Wir haben bisher gesehen, dass wir uns und die Dinge erst akzeptieren müssen, wenn wir bewusst etwas verändern wollen – indem wir uns Ziele setzen, die uns wirklich wachsen lassen, damit wir nicht stecken bleiben oder VERwachsen. Nur dann werden uns Ziele zufriedener machen können. Und nur dann werden wir in Zukunft noch leichter akzeptieren lassen, wie wir sind und wie unser Leben ist.
Es gibt zwei Gründe, sich Ziele zu setzen:
- 1. Wir wollen flüchten vor uns selbst und dem Leben, das wir führen. Wir glauben, nicht gut genug zu sein und dass wir endlich irgendwann gut genug sein können, wenn wir nur genug erreichen (Abschlüsse, Kontostand, Connections, …). Setzen wir uns aus diesem Grund Ziele, dann wollen wir die Akzeptanz überspringen. Wir suchen verkrampf im Außen und entfernen uns mehr und mehr von unserem wahren Wesen. Nie erreichen wir so inneren Frieden.
- 2. Wir wissen, dass wir gut genug sind. Wir setzen uns trotzdem Ziele, weil wir uns ausgehend von unserer Akzeptanz und Selbstliebe, von unserem inneren Frieden ein schönes Leben machen und vielleicht auch der Welt etwas zurückgeben möchten. Dadurch erleben und verwirklichen wir mehr und mehr unser wahres Wesen.
Wenn Du Dich zur ersten Gruppe zählen würdest, dann wäre
anhalten,
still sein,
tief durchatmen,
Dich und Dein Leben akzeptieren lernen
vielleicht eine gute Idee.
Zählst Du Dich zur zweiten Gruppe, dann könnten Ziele genau das Richtige sein, um Dich auszudrücken und bewusst zu wachsen.
Auf dem Weg, mit innerem Frieden
Wie geschrieben tun uns Ziele, die auf Akzeptanz beruhen, in der Regel gut. Wir haben sie danach ausgewählt, was uns wichtig ist, was zu uns passt und was wir leisten können, ohne uns auf dem Weg zum Ziel kaputt zu machen.
Hier noch ein paar Gedanken zur Auswahl der Ziele und für den anschließenden Weg:
- Manchmal heißt wirklich wachsen, dass wir in einem Bereich nicht weiter wachsen oder sogar schrumpfen müssen. Indem wir demütiger werden gegenüber allem, was wir nicht beeinflussen können. Statt uns nur immer potenter zu fühlen, lernen wir, dass alles was steigt irgendwann auch wieder fällt. Alles ist vergänglich. Oder wir schrumpfen im Außen, indem wir den gutbezahlten Job an den Nagel hängen – um zwar weniger Geld, aber mehr Zeit zu haben.
- Es kann schwer sein, ein Ziel zu verfolgen, ohne auf Dauer von ihm gefangen genommen zu werden und kaum noch akzeptieren zu können, dass wir es noch nicht erreicht haben. Dann helfen (mir) Ruhephasen, Spaziergänge im Park, Meditieren oder Zeit mit Menschen, die ich mag. Wie Buddha über den mittleren Pfad schrieb: „Spannst Du eine Saite zu stark, reißt sie. Spannst Du sie zu schwach, kannst Du nicht auf ihr spielen“. So setzen wir uns Ziele, nicht zu viele, nicht zu wenige.
- Um nicht aus der Akzeptanz zu fallen und vom Ego und den Dingen vereinnahmt zu werden, können wir uns auch immer wieder auf folgenden Klassiker besinnen: „Der Weg ist das Ziel“.
- Wahres Wachstum hat wenig mit äußeren Ergebnissen zu tun. Statt uns messbaren Zielen im Außen zu verschreiben, können wir uns auch in den Dienst von Prinzipien stellen. Wenn Dein Ziel ist, Liebe zu geben und Menschen zu helfen, spielt es keine Rolle, ob das Leben Dir gerade Sekt oder Selters einschenkt. Dadurch löst Du Dich von der Identifikation mit äußeren Geschehnissen: Du bist nicht Dein Job, nicht Dein Einkommen, nicht Dein Status, nicht Deine Trophäen, nicht Deine Beliebtheit.
- Solche Prinzipien helfen uns dabei, das Wachstum zu erlangen, das aus meiner Sicht wirklich zählt: ein wachsendes Bewusstsein. Siehe Die 17 Bewusstseins-Stufen.
So, nun wünsche ich Dir einen angenehmen Weg. Einen Weg, auf dem Dir immer wieder innerer Frieden gewahr wird.
Die heutige Frage in die Runde: Wie geht ihr mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen Akzeptanz/Selbstliebe und Zielen/Wachstum um?
Photo: Hartwig HKD
Lieber Tim,
das ist schön!
Danke 🙂
Alles Liebe und einen tollen Start in die Woche!
Marie
Vielen Dank liebe Marie – freut mich, dass der Text Dir gefällt. Ich wünsch Dir auch einen tollen Montag und eine wunderbare Woche. LG Tim
Lieber Tim,
ich glaube, jetzt habe ich es verstanden. Herzlichen Dank dafür, sehr erfreut!
Liebe Grüße
Nora
Liebe Nora,
bitteschön! 🙂
LG
Tim
Weiß nicht, wie ich meine Gedanken so formulieren kann, dass sie auch nachvollziehbar sind, LOL 😉
Zum Thema „Zielen/Wachstum“ sage ich besser mal möglichst wenig, weil ich in meinem durchaus wechselhaften Berufsleben (selbstständiger Musiker, Büroleiter eines Bauunternehmens, Programmierer, Postbote) gelernt habe, die jeweils aktuellen Gegebenheiten hinzunehmen und daraus das Beste zu machen. Mal funktioniert´s, mal klappt´s auch nicht oder nur teilweise, aber was ich in den vielen Jahren gelernt habe, ist: das nicht-erreichen-können von gesteckten Zielen bzw. die punktuelle Stagnation sind halt Teil des „Deals“ und sind auch keine in Stein gemeißelten Resultate, die ewig an dir kleben bleiben. Ist doch eh alles Improvisation im Leben, also warum nicht einfach und ohne das „ich bin ein Loser“ Hämmerchen auf den eigenen Schädel die begangenen Fehler analysieren und dann zum Wesentlichen kommen: „What´s next ?“
Zum Thema „Akzeptanz/Selbstliebe“: hierauf eine Antwort zu finden, ist deutlich schwieriger, zumal ich eine Erziehung genossen habe, in der die permanente Selbsthinterfragung gefordert wurde bzw. mein „ich habe mich selber lieb“ – Zustand überhaupt nicht auf dem elterlichen Radar war. Ist sicher klar, dass ich im späteren Leben lernen musste, mich von diesem Ballast möglichst zu befreien und mir ein Leben mit Momenten des unkritischen Glücks zu erlauben.
Hat dies funktioniert? Weitgehend ja, aber eigentlich nur, weil ich kapiert habe, dass einfach zu viele selbst ernannte „Autoritäten“ ein merkwürdiges Interesse daran haben, in meinem Leben rumzupfuschen, und dies gestatte ich einfach keinem mehr — schonmal gar nicht denjenigen, die mir weismachern wollen, der Weg zur ewigen Selbstzufriedenheit lässt sich durch Methode X finden oder durch -zigmal tief ein/ausatmen oder was-weiß-ich. Ist der Weg das Ziel? Ja manchmal schon, aber manchmal ist auch das Ziel das Ziel, und – vielleicht ein blöder Vergleich – irgendwann muss ich z.B. als Postbote ja auch mal zurück ins Depot kommen 😉
Wie dem auch sei, ich denke, einen deutlichen persönlichen Fortschritt erreicht zu haben, indem ich mich auch nicht zur Selbstliebe bzw. zum Glück zwinge bzw. dies auch nicht als notwendiges Ziel voraussetze. Wie der Kölner so sagt „et kütt, wie et kütt“ – und wenn ich mal happy und mit mir im Reinen bin, ist es super, und wenn mal nicht, dann ist es auch OK.
Günter
Hallo Tim,
als ich Deinen Text gelesen habe, musste ich sofort an Eckart Tolle denken. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass er 2 Jahre auf einer Parkbank saß und dort einen Zustand tiefen Friedens und Glückseligkeit erlebt hat. Ich weiß es nicht, aber ich nehme mal an, das war der Zustand der vollkommenen Akzeptanz / Liebe zu sich selbst und des gesamten Lebens / Universum das All-Eins-Sein. Und dennoch ist er ja nach 2 Jahren von der Parkbank wieder aufgestanden und hat noch Ziele verfolgt, hat Vorträge gehalten und Bücher geschrieben, weil er, nehme ich mal an, Freude an diesen Zielen (Herzensziele) hat. Und ich denke, dass er nach wie vor zwischen den Ebenen Sein (Bedingungslose Akzeptanz, mit dem was ist) und Haben (Ziele) hin und her pendelt. Von dem her würde ich sagen, das eine schließt das andere ja nicht aus und wie so oft im Leben ist es die Vielfältigkeit, die Freude bringt.
Vor kurzem überkam mich in einer Meditation auch ein sehr schönes Gefühl von großer Liebe, Frieden und Freiheit und das war so schön, dass ich ein paar Stunden auf der Couch gesessen bin und auch kein Bedürfnis nach irgendeiner Veränderung / Verbesserung meines Lebens hatte. Dennoch habe ich auch nach wie vor Ziele, die ich aber mittlerweile genau prüfe, ob es Herzens- oder Verstandesziele sind und meine Herzensziele möchte ich schon noch gern erreichen, das wäre sonst echt schad drum.
Aber wenns mir hin und wieder im Alltag doch zu bunt wird, nehme ich mir auch die Zeit für eine Meditation und versuche „ungünstige“ Gefühle anzuschauen und aufzulösen und wieder in das Gefühl der vollkommenen Akzeptanz zu gelangen.
Und wenn mich jemand oder eine Situation aufregt und ich mich grad nicht selbst lieben kann, weil ich meinem Unmut vielleicht grad ein wenig Luft gemacht hab und mich vielleicht sogar wenig peinlich verhalten habe, dann liebe ich mich halt dafür, dass ich mich grad nicht lieben kann.
Bin ja auch „nur“ ein Mensch.
Sorry, Text ist mal wieder ein bischen lang geworden.
Also mein Fazit: Es gibt weder ausschließlich nur das eine noch das andere und ich horche achtsam in mich hinein, was ich grad brauche/möchte (Sein oder Haben).
LG
Martina
ZITAT „Vor kurzem überkam mich in einer Meditation auch ein sehr schönes Gefühl von großer Liebe, Frieden und Freiheit und das war so schön, dass ich ein paar Stunden auf der Couch gesessen bin und auch kein Bedürfnis nach irgendeiner Veränderung / Verbesserung meines Lebens hatte.“
@Martina. Das nennt man ‚Eskapismus‘ – und ich tu’s auch, fast täglich 🙂 Man spürt einen schön spirituelle Nestwärme aus sich selbst heraus. Das ist ab und an mal so nötig wie ein Ölwechsel fürn Auto.
@tim. Starker Text, weil er eben nicht das Entweder-oder propagiert, sondern das (viel heiklere) Dazwischen-Segeln, Wind-aufnehmen, Wellen-nutzen. (Ich hoffe, Du verstehst diese blöden Metaphern ;))
Und apropos akzeptieren: Das fällt mir spontan C.G. Jung mit der „Integration des Schattens“ ein. Ich glaube allerdings, ein Eingeständnis, dass in einem etwas ist, das Böse, Zersetzend oder Destruktiv ist und bleibt, diese Kapitulation setzt voraus, dass man unheimlich starken Leidensdruck erfährt. Überspitzt ausgedrückt: Ehe einem nicht vor Elend (nicht: Selbstmitleid!) das Blut aus der Nase tropft, wird man an die Schichten, von denen wir hier reden, nicht rangehen – geschweige denn, sich professioneller Hilfe zuwenden. Am „Schatten“ zu arbeiten ist ungefähr so angenehm, wie dem Doktor die Hämorriden zu zeigen.
Hallo Henning,
also als Eskapismus – Realitätsflucht würde ich das Gefühl nicht bezeichnen, aber ich weiß, Du hast Spass gemacht.
Ich weiß nicht, ob Du Dich mit Meditationen auskennst, aber ich mach die schon sehr lange und ich persönlich finds keine Realitätsflucht mal Ruhe und Frieden in den Kopf / das Denken zu bekommen – sondern mir damit was Gutes zu tun, das wollte ich damit ausdrücken.
LG und einen schönen Abend.
Martina
@Martina
„Ich weiß nicht, ob Du Dich mit Meditationen auskennst …“ – ’n bisschen schon.
„… aber ich mach die schon sehr lange und ich persönlich finds keine Realitätsflucht mal Ruhe und Frieden in den Kopf / das Denken zu bekommen – sondern mir damit was Gutes zu tun, das wollte ich damit ausdrücken.“ – doch exakt meine Worte!
Was ich plump ‚Eskapismus‘ genannt habe, wird anderswo ’spiritueller Materialismus‘ bzw. ‚Anhängen an einen durch das Ego fabrizierten, scheinbar (!) heilsamen Verweilungszustand des Geistes‘ bezeichnet.
Auf gut Deutsch: Man fühlt sich toll und ach so erquickt und, na ja, fortgeschritten – und merkt nicht (bzw. will nicht merken), wie das Ego sich höhnisch kichernd die Hände reibt, wieder einen Dumm-Naiven, den wir sedititiert haben.
Aba is allet ne Frage von: wat willste, wat brauchste.
Ich hab vor Kurzem angefangen, das Buch „Kompass neues Denken“ von Natalie Knapp zu lesen.
Darin fand ich unter anderem auf Seite 39/40 folgenden Gedankengang. Dieser sei mein Beitrag zu dem Thema, das hier aufgeworfen ist.
„Der Anthropologe, Biologe und Kybernetiker Gregory Bateson wies immer wieder darauf hin, dass ‚das von Ziel- oder Zweckdenken geformte Bewusstsein die Wahrnehmung auf besondere Weise verzerrt und uns glauben macht, dass die Welt in linearen Sequenzen funktioniert.‘ […]
Zahlreiche Managementratgeber postulieren noch immer, dass wir geradlinig unsere Ziele verfolgen müssen, um zum Erfolg zu kommen. Und in völlig unzeitgemäßen Vorstellungsgesprächen wird tatsächlich noch die Frage gestellt: ‚Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?‘ […]
Wenn wir aber alle heute schon wüssten, wo wir in zehn Jahren stehen wollen, würden wir zahlreiche Möglichkeiten und Wechselwirkungen übersehen und könnten uns das Leben schlichtweg sparen. […]
Um unser Ziel zu erreichen, würden wir alles ausblenden, was uns zu einer umfassenderen Wahrnehmung zwingen und dadurch ablenken könnte. Viel sinnvoller wäre es also zu fragen, was uns aktuell wirklich inspiriert und worauf wir deshalb verstärkt unser Augenmerk legen wollen. Was scheint uns im Augenblick das Wesentliche zu sein? Nur so können wir wach bleiben und dem Leben immer wieder die Hand reichen. Wohin es uns im Einzelnen führen wird, wissen wir nicht….“
In dieser Textstelle finde ich etwas ausgedrückt, was mir so ähnlich auch immer wieder durch den Kopf gegangen ist – mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber dem viel propagierten Zielesetzen und In-X-Schritten-Verfolgen. Mein Gefühl war und ist dabei immer, dass wir dabei zum einen nicht genügend wertschätzen, was wir schon haben und zum anderen leicht den Blick verlieren für die vielfältigen spannenden – und vielleicht auch sehr stimmigen – Möglichkeiten unterwegs …
Was ich gerne sage, und dann oft nicht so einfach hinbekomme: „Gnädig mit sich sein.“ Es ist vielleicht eine Umschreibung für „Selbstliebe“ mit einem anderen Schwerpunkt. Die eigenen Schwächen anzunehmen, ohne sich daran festzubeißen wie ein gedopter Kampfhund. Wenn man sich festgebissen hat, geht nämlich nichts mehr. Aber es ist gar nicht so einfach, das nicht zu tun. Wir sind ja quasi schon ergebnisorientiert aufgewachsen worden, wir könnte man da etwas locker sehen?
Am ehesten gelingt mir das in der Musik. Ich bin nicht der beste Musiker, aber ich habe meistens meinen Frieden damit – weil ich weiß, dass ich langsam besser werde und dass es keinen Grund gibt, stehenzubleiben. Allerdings darf ich in der Musik mein Tempo und meine Ziele auch selbst bestimmen. Das geht aber in der Regel nur, wenn man nicht davon leben muss/kann.
Wie im Artikel schon beschrieben, setzen sich die meisten Leute anderer Leute Ziele. Oder eben Ziele, die „die Gesellschaft“ vorgibt. Der Konflikt zwischen „sein sollen“ und „sein wollen“ tritt mir fast jeden Tag entgegen. Und dieser normierte Gegenwind macht das Dingen mit der Selbstliebe nicht gerade einfacher.
Somit lässt mich der Themenkomplex nach wie vor mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück.
Hey TocTocToc,
eine kleine Anmerkung meinerseits: in „Gnädig mit sich sein“ steckt ja Gnade … so, als würde man sich Fehler vergeben, die eigentlich bestraft werden könnten. Weiß nicht, ob für Dich soetwas mitschwingt, aber wenn ja, könnte das eine ambivalente Geschichte sein, die die Ratlosigkeit teilweise mitbegründet.
LG
Tim
Auch gerade mein Thema:)
bin zum schlussgekommen, dass ich ja zeit habe, und dass man das leben (und seine eigene entwicklung) nicht beschleunigen oder erzwingen kann. wichtig ist, aus dem selbst zu leben, und das hat sein eigenes gutes tempo – nicht zuviel und nicht zuwenig und was ist genügt erstmal:))
ich glaube entwicklungswille entsteht von alleine aus sich selbst heraus! oder sag mir ein tier/pflanze das nicht von sich aus ohne druck und zug wachsen würde, wenn die bedingungen stimmen…:)
Hallo Tim,
ein wirklich toller Beitrag. Vielen Dank. ‚Richtig wachsen kann nur der, der sich akzeptiert‘. Das habe ich auch immer wieder erfahren müssen / dürfen. Ich habe hier noch einen interessanten Artikel speziell zum Thema Selbstakzeptanz gefunden. Hier geht darum, dass Selbstakzeptanz die Basis aller Veränderungen darstellt: http://www.selbstbewusste-kommunikation.de/selbstakzeptanz.php
Vielen Dank noch mal.
LG
Uli
Lieber Tim.
jeder Tag in den ich mir Fragen stelle, wieso-weshalb-warum? Über jeden meiner Gedanken die ich mir an diesem Tag mache, immer genau dieses Thema, bekomme ich von Dir beantwortet-Danke dafür<3das Universum verbindet und vernetzt uns immer und zu jeder Zeit!!
Herzensgrüße Silvia
Hmm. Ich meine, der Denkfehler beginnt schon mit der Frage in Form eines Entweder/Oder. Oder besser gesagt, dass das Akzeptieren auch ein möglicher Plan ist, gleichsam einer Schublade neben jener des Zielesetzens. So entstammt die Frage des Akzeptierens auch dem Ego. Sie kann ein genauso falsches Ichgefühl schaffen, wie die Illusion der Ziele es schaffen kann. Die Illusion heißt dann: ich akzeptiere, damit ich … bekomme oder sein werde. Fazit: die Frage führt so nicht aus dem Zielesetzen heraus.
Was aus meiner Sicht mit Akzeptieren gemeint ist, ist ein anderes Ichgefühl. Es ist ein Gefühl, das der Seele entstammt. Es zeigt sich, wenn wir einmal durch unser unterschwelliges Unglücklichsein hindurchschauen. Wenn wir mal die Schuldgefühle und anderen niederen Gefühle lassen, genauso wie das, was wir denken zu brauchen oder anstreben zu sollen. Klar kann hier ein Glaubenssystem helfen oder im Weg sein.
Dieses Ichgefühl ist immer da, ob ich nun Ziele habe oder keine. Ziele können auch mit Freude einhergehen und Ausdruck meines Lebens sein, ohne dass ich mich davon vereinnahmen lasse. Doch brauche ich auch Ziele für meine praktischen Belange, zumindest eine Planung von Schritten, um nicht einfach dahinzutreiben. D.h. Akzeptanz und Ziele gibt es nebeneinander.
Die eigentliche Frage sollte vielleicht lauten: wie sehr ist meine Akzeptanz beeinträchtigt durch Schuldgefühle und Ziele, die mich vereinnahmen?
Mein Leben War wunderbar geklungen! Privat, wie beruflich.
Bis zu meinem Verkehrsunfall 2007. Schweres SHT. Folge Behinderung.
Dann 2012 Scheidung nach 14 Jahren. Habe 2 Kinder (jetzt 10, 12), die bei ihrem Vater und seiner zweiten Frau leben. ICH zahle Kinderunterhalt und ER macht mir immernoch das Leben schwer!
Ich bin jetzt behindert, frühpensioniert und habe einen neuen Wohnort, weil mein Ex mir nicht „über den Weg“ laufen wollte.
Ich finde keineneuen Freund und werde angestarrt und ich komme zurecht, bin wieder durch Arbeit an mir autark, aber glücklich bin ich nicht und immer alleine!
Ich will aber noch nicht am Ende, meiner Entwicklung sein, darum fällt es mir schwer, zu akzeptieren, so wie ich jetzt bin.
LG Wibke