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Text von: Romy Hausmann

Wir stehen am Fließband oder hinter der Theke. Sitzen am Schreibtisch, vor Zahlen, Themen, Problemen. Rennen unseren Kunden, Kollegen oder Kindern hinterher. Jeder Handgriff sitzt, wach wie im Schlaf. Jeden Tag dasselbe, Pflichtprogramm, Termindruck, Stechuhr, Stechschritt, hundert Prozent, fünf (mitunter auch sieben) Tage die Woche lang. Mit letzter Kraft hangeln wir uns manchmal Richtung Feierabend. Suchen den Ausgleich.

Der eine geht sich beim Sport verausgaben, muss seinen Körper spüren nach neun Stunden als steifer Bürohengst. Ein anderer kriecht zur Couch und startet höchstens noch einen Serien-Marathon. Der nächste gräbt den Garten um (und dabei insgeheim eine Grube, in der sein nerviger Chef perfekt Platz finden würde). Und all das ist gut – um abzuschalten, zu entspannen, Kraft zu tanken für morgen, für den nächsten Tag hinter dem Fließband, der Theke oder dem Schreibtisch.

Stricken kann mehr als Fernsehen oder Sport

Nun wurde belegt, dass speziell kreative Freizeitbeschäftigungen sogar noch mehr können als Muckibude, Couch-Lümmeln oder Happy-Hour-Shopping: Sie sorgen nämlich nicht nur für einen kurzen Ausgleich, sondern können unsere allgemeine Lebenszufriedenheit steigern.

Für eine Studie, die im Fachblatt „The Journal of Positive Psychology“ erschien, ließen Wissenschaftler aus den USA und Neuseeland 658 Teilnehmer für zwei Wochen lang ein Tagebuch führen. Darin sollten sie ihr Allgemeinbefinden notieren und gleichzeitig bewerten, wie kreativ sie am jeweiligen Tag gewesen sind. Zusätzlich füllten die Teilnehmer täglich auch noch einen Fragebogen aus, mit vorgegebenen Aussagen wie „Heute bin ich meinen Aufgaben interessiert und engagiert nachgegangen“ oder „Heute habe ich meine sozialen Beziehungen als besonders unterstützend und lohnend empfunden“.

Bei der Auswertung der Tagebucheinträge stellten die Forscher fest: Je länger sich die Teilnehmer kreativ beschäftigt hatten, desto zufriedener, ausgeglichener, aber auch enthusiastischer und energiegeladener fühlten sie sich am nächsten Tag. „Diese Ergebnisse stützen die These, dass tägliche Kreativität ein Mittel sein kann, für das Wohlergehen unserer Psyche zu sorgen“, heißt es dazu in „The Journal of Positive Psychology“.

Warum Kreativität glücklich macht

Anhand einer anderen Studie mit Jazz-Musikern wurde bereits sehr aufwendig mit Hirn-Scans nachgewiesen, was passiert, wenn wir unserer Kreativität freien Lauf lassen: Kreativ-Sein entlastet den dorsolateralen präfrontalen Kortex (abgekürzt: DLPFC) , der in unserem Gehirn für Planung und Verhaltenskontrolle zuständig ist (und dementsprechend im Alltag unter tausend Regeln und hunderten To-Do’s ziemlich viel zu tun hat).

Das Resultat: Wir fühlen uns frei, rausgerissenen aus dem straffen Alltagsprogramm, irgendwo in einer Zwischenwelt, die nur uns gehört und die wir selbst gestalten können.

Mihály Csíkszentmihályi, Glücksforscher und Psychologieprofessor an der University of Chicago, nennt das dabei entstehende Glücksgefühl „Flow“ (zu Deutsch: „Fließen“ oder „Strömen“).

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Kreativität im Alltag

Wenn ich singe, haut die Katze ab. Meine Malkünste halten sich konstant auf Strichmännchen-Niveau. Und viel mehr noch als irgendein Hauch von Begabung fehlen mir öfter überhaupt erst mal die Ideen, um kreativ zu werden. Sieht also eher schlecht aus mit meinem „Flow“, Professor Csíkszentmihályi. Dachte ich lange.

Doch laut Csíkszentmihályis Buch „Flow. Das Geheimnis des Glücks“, braucht es gar kein spezielles, Castingshow-reifes Super-Talent. Wichtig ist nur, dass wir voll bei der Sache sind, uns ruhig auch mal ein bisschen anstrengen dürfen – uns gleichzeitig aber auch nicht überfordern sollten.

Das heißt: Kreativität hat gar nichts damit zu tun, zwanghaft ein Meisterwerk erschaffen zu müssen. Für den „Flow“ genügt es schon, ein paar Maschen zu stricken. Ein neues Koch- oder Backrezept auszuprobieren. Auf der Blockflöte rum zu tröten. Sich einen Text für die Glückwunschkarte zu Muttis 70. Auszudenken (natürlich so richtig schön gereimt!). Ein bisschen rumkritzeln, ein bisschen rumschrauben, ein bisschen rumprobieren, egal in welchem Bereich, genügt völlig. (Lass Dich aber natürlich nicht aufhalten, wenn Du neben Deinem Türsteher-Job bei einer Disko noch an einer Oper komponieren willst!)

Der beste Freund der Kreativität: Der Tagtraum

Abhauen im Kopf. Einen anderen, inneren Film abspulen. Und dabei auf Ideen kommen. Mit dem Gehirn im „Tagtraum-Modus“ arbeiten die Neuronen auf Hochtouren – und sorgen manchmal für einen regelrechten Kreativitäts-Schub.

Dazu eine kleine Geschichte: Es ist ein Tag, irgendwann im Sommer 1990. Die 24-jährige (und ziemlich abgebrannte) Joanne sitzt im Zug von Manchester nach London und langweilt sich. Ausgerechnet heute hat der Zug auch noch Verspätung. Joanne starrt aus dem Fenster, sieht Landschaften vorbeifliegen und fängt an, mit offenen Augen zu träumen: Von einem kleinen Jungen mit wirren, schwarzen Haaren und einer runden Brille. Immer schärfer wird sein Bild in ihrer Vorstellung. Der Junge ist ein Waisenkind, das keine Ahnung hat, dass es über Zauberkräfte verfügt.

Als Joanne schließlich in London ankommt, hat sie den kompletten Stoff für ein Kinderbuch im Kopf, der aus ihr eine der bekanntesten Schriftstellerinnen unserer Zeit machen wird. Joanne ist J.K. Rowling und der kleine Junge aus dem Tagtraum natürlich: ihr Romanheld Harry Potter.

Viele Jahre später erinnert sich Joanne immer noch an diese eine Zugfahrt. In einem Interview erzählt sie, sie habe keine Ahnung, wie genau ihr damals der Einfall zu Harry Potter gekommen sei.

„Ich denke, die Idee schwebte durch den Zug, auf der Suche nach jemandem, und da mein Geist gerade einigermaßen unbesetzt war, entschied sie sich eben, sich dort zu entfalten.“

Aber selbst, wenn kein neuer Welt-Bestseller dabei entsteht: Träumen wir ruhig mit offenen Augen. Kommen wir dadurch auf kreative Ideen. Und vor allem: Setzen wir sie um – ganz gleich, wie groß, klein, verrückt oder gewöhnlich sie uns vorkommen mögen. Tun wir es täglich und werden wir dadurch ein bisschen glücklicher. Hören wir auf den Schriftsteller Kurt Vonnegut, der sagte:

„Eine Kunst auszuüben, egal wie gut oder schlecht, ist ein Weg, um Deine Seele wachsen zu lassen, um Himmels Willen. Sing unter der Dusche. Tanze zum Radio. Erzähle Geschichten. Schreibe einem Freund ein Gedicht, sogar ein lausiges Gedicht. Mach es so gut, wie Du irgend kannst. Du wirst eine enorme Belohnung erhalten. Du wirst etwas geschaffen haben.“

Mehr unter Stille ist wichtiger für Dein Gehirn, als Du denkst und unter Ein 15-Minuten-Morgen-Ritual, das Deinen ganzen Tag verändert.

Photo: Drawing with pencil / Shutterstock