Teile diesen Beitrag "Warum Deine Selbstzweifel ein gutes Zeichen sind"
Du malst und willst die Leinwand am Ende zerreißen. Du schreibst und jedes einzelne Wort scheint Dich auszulachen für Dein Unvermögen. Du hältst eine Präsentation und und während Du dort vorn stehst, fressen Dich Augen von außen und Selbstzweifel von innen auf.
Alle anderen können’s besser, glaubst Du.
Allein bist Du damit nicht.
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„Irgendwann fliegt alles auf“
Die US-Bürgerrechtlerin und weltweit renommierte Poetin und Romanautorin Maya Angelou zum Beispiel berichtete noch nach ihrem elften Buch von ihrer Angst aufzufliegen. „Irgendwann werden sie’s rausfinden, dass ich nur so tue, als wüsste ich, was ich, was ich mache“, sagte sie. Albert Einstein gesellte sich dazu, als er einen Freund einen Monat vor seinem Tod anrief und sagte: „die übertriebene Anerkennung für mein Lebenswerk macht mich krank, ich fühle mich als unfreiwilliger Schwindler“.
Chuck Lorre, Erfinder und Drehbuchautor von „Two and a Half Man“, „The Big Bang Theory“ und vielen weiteren hocherfolgreichen Serien und Filmen, berichtet ähnliches. Ebenso die Schauspielerin Emma Watson, Science-Fiction-Autor Neil Gaiman und zahlreiche weitere Bestseller-Autoren wie John Greene („Das Schicksal ist ein Mieser Verräter“) sowie die Autorin und Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg.
Woran liegt das?
Die Zweifel tragen einen Namen
An einem fiesen psychologischen Phänomen.
Dem „Hochstapler-Syndrom“ (auch „Impostor-Syndrom“).
Trotz offensichtlicher Beweise für ihre Fähigkeiten sind die Betroffenen davon überzeugt, sie hätten ihre Erfolge nur erschlichen, nicht verdient. Was von außen als Leistungen anerkannt wird, sehen sie als Glück, Zufall oder Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch die anderen.
Studien aus den Achtzigern zufolge schätzen sich zwei von fünf erfolgreichen Menschen generell als Hochstapler ein. Unter bestimmten Umständen oder zu bestimmten Zeiten sind es sogar sieben von zehn. Frauen trifft es häufiger, da sie die Ursachen von Erfolg tendenziell eher im Außen und für Mißerfolg eher bei sich sehen, schon im Mädchenalter, während es bei Jungs und spätere Männern eher andersherum ist.
Die Symptome nehmen in der Regel zu, je erfolgreicher der Betroffene ist. Die Unsicherheit steigt mit der Kompetenz.
Ohne Zweifel unfähig
Die Untalentierten hingegen profitieren von einem gegenteiligen Phänomen.
Dem Dunning-Kruger-Effekt.
David Dunning und Justin Kruger, zwei Psychologen, fanden durch Experimente heraus: inkompetente Menschen neigen dazu, ihr eigenes Können zu überschätzen und die Kompetenz anderer zu unterschätzen. Umso mehr, je weniger sie auf dem Kasten haben. „Wenn jemand inkompetent ist“, schrieben sie, „dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, sind genau jene Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als richtig (oder falsch) zu erkennen.“
Trauriges Highlight und Paradebeispiel für diesen Effekt ist ein Mann namens McArthur Wheeler, der 1995 zwei Banken in Pittsburgh ausraubte. Mitten am Tag, mitten im Tageslicht. Noch am selben Abend wurde er festgenommen. Man hatte ihn leicht anhand der Videos aus den Überwachungskameras identifizieren können. Seine Festnahme konnte er kaum glauben. Als die Polizisten ihm die Videobeweise zeigten, sagte er: „Aber ich hab doch Limonade getragen!“. Es stellte sich heraus, dass Herr Wheeler vor dem Bankraub sein Gesicht mit Zitronenlimonade eingerieben hatte im festen Glauben, damit für die Kameras unerkennbar (wenn nicht sogar unsichtbar) zu sein.
Was für ein Amateur … tja, nur echte Profis wie ich wissen, dass das natürlich nicht mit jeder Limonade klappt.
Die Zweifel beobachten
Ist also ein gutes Zeichen, wenn Du an Dir und Deinen Fähigkeiten zweifelst. Es müsste Dich eher zweifeln lassen, wenn Du keine Zweifel hättest.
Mich lässt das ja hoffen. Ich kenne dieses Gefühl schließlich auch, das mich manchmal am Kragen und manchmal an den Eiern packt: alles Schwindel, was ich hier mache (noch viel mehr, als ich’s eh schon zugebe), alles Scharlatan-Scheiße, und früher oder später muss euch das klar werden.
Das beste Mittel gegen das Hochstapler-Syndrom ist kognitiven Verhaltenstherapeuten zufolge: es zu kennen und zu erkennen – „ah, da sind wieder die Zweifel, aber es gibt eine einfache Erklrärung für sie.“ Überwinden können wir es nur schwer. Wir sollten also nicht auf den Moment warten, ab dem wir keine Zweifel, keine Ängste mehr haben.
Stattdessen können wir uns daran erinnern:
Die Unsicherheit spricht für Dich und Dein Können, nicht dagegen. Ihre Botschaft ist nur auf links gedreht, wie beim Negativ eines Fotos.
P.S.: Heißt nicht, dass wir komplett taub werden sollten für die Zweifel. Manchmal sind sie eben auch berechtigt.
Inspiriert von: 99u.com Photo: Mike Kniec
Sehr lehrreicher Artikel für mich! Danke!
Hi Tim,
zweifelst du mehr über größere Sachen oder eher auch vor Kleinen? Die großen sind wohl anstrengend, aber auch hilfreich für Weiterentwicklungen und Neuorientierungen und sind wie eine Antriebsfeder. Die kleinen Zweifel machen imho besser und stärker, würde alles vor Selbstbewusstsein strotzen, dann ist da zwar vielleicht der perfekte Verkäufer, aber will man das immer sein?
Wusste gar nicht, dass es so viele Zweifler gibt. 🙂
Irgendwie schön 🙂
Tanja
Hi Tim,
„Es müsste Dich eher zweifeln lassen, wenn Du keine Zweifel hättest.“
Das ist ein sehr wichtiger Satz! Interessanterweise habe ich gerade eben auf einem anderen Blog auch schon einen Artikel zu diesem Thema gelesen. Vielleicht findet das Thema ja endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient hat.
Leider arbeiten die Medien aktiv gegen diese Einsicht. Menschen fühlen sich unwohl wenn sie Zweifel haben. Konsumenten bevorzugen Medien, die ihnen eine möglichst einfache Welt vormachen. Natürlich haben sich viele Medien angepasst und präsentieren stark vereinfachte Inhalte, suggerieren zu oft Klarheit. Wir haben uns durch den Medienkonsum an die Abwesenheit von Zweifeln gewöhnt. Es kommt uns nicht mehr verdächtig vor.
Viele Grüße,
Jan
Wieder ein schöner Anstupser, Tim. Solche Hinweise finde ich auch immer hilfreich, um wieder einmal zu schauen wie ich „ticke“. Ich meine, sowohl die großen Zweifler wie die Selten-Zweifler sind Extreme. Manchmal springen wir zwischen den Extremen, für mich Zeichen, dass ich mehr bei mir selber sein sollte. Ja, der Beifall anderer und ihre Erwartungen können das auch mal schwer machen. Beides können aber auch Hinweise sein, dass mich noch Altes beeinflusst, alte Programme sozusagen.
Vor allem muss man auch daran zweifeln, ob der Selbstzweifel ein gutes Zeichen ist.
Aaargh, ja die berühmten Selbstzweifel… Ich find sie sind am schlimmsten, wenn man von irgendwoher eine hochgezogene Augenbraue wahrnimmt. Nicht selten halte ich dann meine Arbeit für totalen Bullshit und möchte am liebsten alles hinschmeißen.
Lieber Tim,
Danke für deinen Artikel! Du bringst es genau auf den Punkt: es wäre in vielen Situationen ja auch komisch, wenn wir gar keine Zweifel hätten. Wir können aber lernen mit ihnen umzugehen. Sie bewusst wahrnehmen und anerkennen ohne uns von ihnen ausbremsen zu lassen.
Ganz liebe Grüße,
Sophie
Hi Tim,
ich finde es zumindest beruhigend, dass auch oder vor allem Menschen, die viel erreicht haben, trotzdem Selbstzweifel kennen.
Das macht sie wieder menschlich und sympathisch 🙂
Zweifel sind meiner Meinung nach auch ein gutes Mittel, um alles nochmal zu reflektieren und sich selbst wieder anzuspornen – es ist wie es so oft ist, es gibt immer zwei Seiten und der Optimist kann Zweifel als Chance sehen 🙂
Liebe Grüße,
Monya
Hi tim! Meintest du im letzten satz tatsächlich, dass man an guten feedback welches man erhält zweifeln soll? Oder nicht doch auch oft am schlechten?
Hi Claudia,
vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit! Ich weiß ehrlich gesagt selbt gerade überhaupt nicht mehr, was ich da gemeint haben könnte – deshalb lösch ich den ganzen Satz am besten mal. 🙂
LG Tim
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Albert Einstein kann ich gut nachvollziehen. An anderer Stelle hat er ja erkannt, dass seine Erkenntnisse nicht hauptsächlich aus seinen Anstrengungen und Gaben resultierten. Es ist eben so eine Sache mit Einfällen und Kreativität. Sie scheinen einfach zu kommen. Von wo, durchschauen wir nicht leicht. Aber es scheint Offenheit, Annehmen, Gelassenheit und auch Entspanntheit zu brauchen. Erwartungen, wie sie bei Erfolg dann leicht von anderen Menschen an uns gerichtet sind, machen dies eher schwerer, belastend, und setzen uns ein Bild auf, das nicht stimmig ist. Und krank machen kann.
Solche Unstimmigkeit nennen wir wohl auch Zweifel. Splcher Zweifel kann hilfreich und gesund sein. Und uns helfen, bei uns selber zu bleiben.
Dinge kathegorisch als unmöglich auszuschließen, oder Schlimmes und Herabsetzendes zu erwarten und damit wenig Vertrauen zu kultivieren, sind wohl Zweifel, die gegen uns arbeiten. Es gibt sogar die Weisheit, dass sie dazu beitragen, sich selber zu erfüllen. Vertrauen hingegen wird auch mit Ermächtigung gleichgesetzt.
Gesund finden wir Zweifel wohl, wenn wir uns an etwas festgebissen haben, glauben, etwas haben zu müssen, oder wenn wir uns selbst erhöhen. Besonders im Oberflächlichen oder Ego-Getriebenen.
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Hallo Tim,
ich bin echt froh, dass Du diese Seite mit allem drum und dran machst! Ich lese eure Texte gerne. Manchmal auch zwei oder drei mal (so über die Zeit) und komme dadurch besser mit mir und meinen Problemen klar. Auserdem bin ich Abends oft zu Hause und kann mir Gedanken machen. Wenn ich also einsam, entschuldige, alleine bin, hab ich was das mich beschäftigt.
Da ich Deine Zweifel aber nicht vertreiben will: Hässlich bist! 🙂
(Hoffentlich nicht falsch verstanden 🙂 )
Mach so weiter! Viel Erfolg dabei!
Grüße
Thomas