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Text von: Christina Fischer

Coco Chanel sagte einmal: „Ich bereue nichts im Leben, außer das, was ich nicht getan habe.“

So ging es mir in meinem Studium auch. Nur, dass ich viel zu bereuen hatte. Ständig wurde ich nach meinem „wilden Studentenleben“ ausgefragt – das es bei mir irgendwie nicht gab. Anstatt allabendlich in diversen Studentenkneipen zu versacken, schlürfte ich mich, mit meiner Mitbewohnerin schnackend, durch unser immenses Tee-Repertoire. Irgendwann wurde meine Mutter ungeduldig, weil ich nie einen „jungen Mann“ mit nach Hause brachte, den ich auf einer Studentenparty hätte kennenlernen sollen. Als sie mich am Wochenende aus dem Schlaf riss, um mich in ihrer Verzweiflung dem Schornsteinfeger vorzustellen, der gerade nach unserem Kamin schaute, fragte ich mich schließlich, ob ich nicht etwas falsch machte. Ob ich nicht etwas verpasste: mein Leben.

Beziehungsstatus: Ich geh’ feiern

Danach änderte sich alles. Die Teetassen verstaubten, während ich durch die Clubs zog. Ich hatte das nagende Gefühl in mir, schon viel zu viel verpasst zu haben. Während ich zuvor noch bei „Heiße-Liebe-Himbeertee“ mein „wildes Studentenleben“ verpennte, schienen es die anderen Studenten längst voll auszukosten. Sie tranken Gin Tonic, während ich mich noch – voll uncool – an meine Rum-Cola klammerte. Sie kannten alle Nuancen aller elektronischen Tanzmusikstile, während ich noch „Bohemian Rhapsody“ beim Karaoke schmetterte. Und sie hatten sich von den interessantesten Leuten schon zwei Mal wieder getrennt, noch bevor ich auch nur irgendjemandem zugezwinkert hatte.

Was mich auf jeder Party bis zum (bitteren) Ende ausharren ließ, war jedoch weniger meine Lust darauf, etwas Bestimmtes zu erleben. Sondern die Angst davor, irgendetwas nicht zu erleben. Ich hatte keine Ahnung, was dieses „Irgendetwas“ war. Aber allein die Möglichkeit, dass die nächste Party die beste meines Lebens werden könnte, trieb mich immer wieder aus dem Haus.

Das Leiden, das mich damals plagte, hat inzwischen einen Namen: FOMO. Das steht für „Fear of missing out“ oder zu Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen.

Die FOMO-Morgana: Warum es nie genug ist

In die FOMO-Falle zu tappen ist heute leichter als jemals zuvor. Während ich damals „nur“ von dem unbestimmten Gefühl getrieben war, dass es da noch mehr geben musste, haben wir die Gewissheit, dass es tatsächlich (vermeintlich) so ist, heute täglich vor Augen: auf dem Smartphone. In den sozialen Medien reihen sich sorgsam inszenierte und mit Filtern aufgedonnerte Bilder von den exotischsten Orten, den leckersten Gerichten und den verrücktesten Partys in Endlosschleife aneinander. Kaum aufgewacht, kleben unsere Augen oft schon am Smartphone-Display und die Bilder von Orten, an denen wir nicht sind, von Zeug, das wir nicht haben und von Erlebnissen, die wir nicht erlebt haben – kurz: von Dingen, die wir verpasst haben und die unser Hirn fluten. Das weckt in uns oft die Lust, selbst solche Erfahrungen zu machen. Und dabei verzweifeln wir an der Tatsache, dass wir niemals alles werden erleben können, was es zu erleben gibt. Wir verpassen zwangsläufig immer etwas. Und uns treibt die Frage um: Was, wenn ich mich falsch entschieden und etwas noch Besseres verpasst habe?

Zwei große Denkfehler

Es gibt zwei Denkfehler, die uns vom eigentlich positiven Wunsch, unser Leben erfüllend zu gestalten, auf den Pfad des FOMO-Wahnsinns abzweigen lassen. Nämlich

  1. Was wir eigentlich suchen, ist oft gar nicht das Erlebnis an sich. Sondern unsere eigene subjektive Vorstellung davon, wie etwas angeblich ist. Und oft stimmt diese Vorstellung letztendlich gar nicht mit unserer tatsächlich erlebten Realität überein. Denn die bunten Bilder in den sozialen Netzwerken haben gar nicht den Anspruch, die Realität abzubilden. Was sie stattdessen wollen, ist: Gefallen – um jeden Preis.
  2. Wir erhöhen die Frequenz, statt die Intensität. Es ist ein bisschen so wie beim All-you-can-eat-Buffet. Vor lauter Angst, es könnte uns ein Gaumenschmaus durch die Lappen gehen, schlingen wir in Rekordzeit alles hinunter, was uns in die Finger kommt. Das ist die Schattenseite unserer vielen Wahlmöglichkeiten: Wir treffen keine Wahl, sondern wollen einfach alles. Also drehen wir die Frequenz unserer Erlebnisse nach oben. Rennen von einer Party zur nächsten, gehen nach dem Städtetrip direkt nochmal auf Weltreise und wechseln unsere Interessen wie die Unterhosen. Unnötig zu erwähnen … genießen können wir all das selten.

Wie Du das FOMO-Hamsterrad verlassen kannst

Was FOMO so schlimm macht, ist, dass der Wirbel aus Erlebnissen und die Geschwindigkeit, die wir selbst dabei vorlegen müssen, uns auch von etwas wegtreiben. Und zwar von dem Moment, den wir gerade erleben. Wir mögen vielleicht einen kurzen Schuss Befriedigungs-Euphorie durch unsere Adern jagen, wenn unser Avocado-Toast-Bild den neuen Like-Rekord aufstellt. Doch der nächste FOMO-Stress ist immer nur ein paar Klicks entfernt.

Wir können jedoch auch die Bremse ziehen. Beispielsweise so:

  1. Frage Dich: Will ich es auch mit allen Konsequenzen?

Was wir auf unserem FOMO-Trip oft in Wahrheit nachjagen, sind Idealvorstellungen. Dabei vergessen wir leicht, dass alles auch mit Kosten einhergeht. Das können bei einer Reise die tatsächlichen finanziellen Kosten sein. Aber auch das Packen, die eventuell lange Anreise, möglicherweise notwendige Impfungen, das Beantragen von Visa und so weiter. Wenn wir etwas wirklich von Herzen wollen, wiegen die Kosten weniger stark als unser Wunsch. Wenn Dir die Kosten aber plötzlich doch auf den Magen schlagen, könntest Du in die FOMO-Falle getappt sein.

  1. Halte den Moment fest

FOMO will Dich aus dem Hier und Jetzt vertreiben – wehre Dich dagegen! Die besten Mittel, die ich kenne, Deine Gegenwart bewusst zu erleben, sind Meditation und Achtsamkeitsübungen. Schon zehn Minuten Meditation pro Tag können Dich unglaublich erden. Oder versuch‘ immer mal wieder, einen Moment mit allen Sinnen zu erleben. Was hörst Du gerade? Wie riecht es? Was denkst Du? Je öfter Du diese Übungen praktizierst, desto stärker kannst Du Dich auch in Deiner Gegenwart verankern.

  1. Stell‘ die Bucket-List auf den Kopf

Die „Bucket-List“, also eine Liste mit Dingen, die Du vor Deinem Tod erlebt haben möchtest, ist das Must-Have zurzeit, ich weiß. Doch wenn die „Bucket-List“ lang und länger wird, spielt sie uns dem FOMO-Wahnsinn direkt in die Hände. Ich schreibe daher schon eine Weile lang eine „Unbucket-List“. Eine Liste mit wunderbaren Dingen, die ich bereits erlebt habe. Im Gegensatz zur „Bucket-List“, die mich antreibt, macht mich die „Unbucket-List“ dankbar für das, was bereits ist.

  1. Unterschätze nicht die Morgen-Routine

Lange war meine erste Tat am Morgen der Blick aufs Smartphone. Inzwischen benutze ich mein Smartphone morgens höchstens noch, um mir einen Podcast anzuhören, der mir gut tut. Dadurch behalte ich schon morgens den Blick aufs Wesentliche, anstatt mein noch schläfriges Hirn gleich mit FOMO-Quark vollzustopfen.

  1. Der Klassiker: Digital Detox

Manchmal muss die Radikal-Kur her: Weg mit dem Smartphone! Aus mit dem Laptop! Die Erfahrung, dass die Welt einen doch noch nicht abgehängt hat, auch wenn man mal offline war, kann äußerst heilsam sein.

Wenn wir Angst haben, etwas zu verpassen, nehmen wir an, dass dieses etwas irgendwo ist, wo wir nicht sind. Wir wollen auf unzähligen Festen tanzen und feiern am Ende nicht ein einziges davon wirklich.

Oprah Winfrey sagte:

„Je mehr Du Dein Leben feierst, desto mehr gibt es zu feiern in Deinem Leben.“

Und Dein Leben ist garantiert eine Party, die Du nicht verpassen willst.

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