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Text von: Lena Schulte

Schubser, Vordrängler, Leute, die sich lieber schnell durch die Tür schlängeln, damit sie dem Hintermann auch bloß direkt vor der Nase zuschlägt – bei solchen unnötigen Aktionen könnte ich an die Decke gehen. Oder auch bei unfreundlichem Verhalten, wie es diese fremde Frau neulich in der Bar an den Tag legte, die erst meinen Cocktail austrinkt, mir dann trotz meiner Proteste einen neuen bestellt, den dann wiederum in einem unbemerkten Moment ausschlürft – und mich dann später auf der Rechnung sitzen lässt.

Wenn ich ohne (für mich) ersichtlichen Grund unfair behandelt werde, ist meine Stimmung dahin. Stundenlang, tagelang, und meistens immer wieder, sobald ich daran denke.

„Reg Dich nicht auf.“ „Chill mal.“ „Da kannst Du eh nichts machen.“ Sagen die besonnenen Mitmenschen dann – und haben im Prinzip haben ja auch recht. Und, ja, eigentlich weiß ich es ja auch: Sich über Lappalien oder unveränderliche Dinge aufregen, bringt nichts. Nimm den Menschen, wie er ist, du kannst ihn eh nicht ändern… Aber erst einmal in der Situation gefangen, sieht es bei mir mit der gelassenen Gleichgültigkeit schnell ziemlich schlecht aus.

Gelassenheit bedeutet nicht Kontrollverlust

Dass es bei mir mit der Gelassenheit-To-Go so oft nicht geklappt hat, lag nicht zuletzt auch daran, dass ich in Situationen, die meine Werte verletzten, gar nicht gelassen reagieren wollte. Schließlich hat der andere etwas falsch gemacht – und wo kämen wir denn hin, wenn ich ihn dafür nicht wenigstens mit Missbilligung strafen würde? Ihn mit Gelassenheit einfach davonkommen lassen? Pah! Das fühlt sich in Momenten wie in dieser Bar wie ein Verrat an meinen Werten an. Als hätte mein Ärger keine Berechtigung.

Mit dem Konzept „Einfach atmen und drüber stehen“, kam ich oft nicht weit. Entweder driftete ich in emotionale Apathie ab, oder fühlte mich schlecht, weil ich es nicht hinbekam, wirklich drüber zu stehen.

Deswegen musste ich strategischer vorgehen. Denn statt gleich den Anspruch zu haben, auf einer Wolke über allem und jedem zu schweben, können wir auch Schritt für Schritt beginnen:

Die Energie des Ärgers für sich nutzen

Wenn wir uns aufregen, fließt unglaublich viel Kraft durch uns. Damit diese nicht unkontrolliert ausbricht und wir die Contenance bewahren können, müssen wir andere Energiereserven anzapfen, um diese Kraft irgendwie im Zaum zu halten. Das laugt aus und ist oft unbefriedigend, weil wir oft nur einen Deckel auf den kochenden Topf pressen und hoffen, dass er sich dann schon von allein abkühlt. Damit richten wir die Wut letztlich gegen uns selbst.

Dabei könnten wir diese Kraft bei so vielen anderen Dingen gebrauchen, die uns wirklich voranbringen. Beim Sport, beim Malen, beim Gestalten unseres Traums. Sollen wir diese Gratis-Kraft wirklich an einen anderen verschwenden? Kann der andere das wert sein? Oder wäre es nicht hilfreicher, diese Kraft in positive Bahnen zu lenken? In unangenehmen Momenten können wir auch mal ganz bewusst die eigene Kraft und ihre positive Absicht wahrnehmen – und sie mit dem Versprechen auf eine bessere Entfaltungsmöglichkeit „einfrieren“. Damit sie bei Aktivitäten freigesetzt werden kann, für die wir wirklich Kraft brauchen. Seitdem ich diese Kraft beim Sport rauslasse, nämlich beim Schwimmen, schieße ich wie eine Rakete durchs Wasser.

Jemand, der uns aufregt, führt uns vor Augen, wie viel Stärke in uns schlummert. So gesehen ist das auch ganz nett von ihm. Es liegt dann an uns, wohin wir diese Stärke verteilen.

Sprache bewusst nutzen

„Ich bin so sauer!“ „Ich könnte kotzen!“ „Was fällt diesem Ars… ein?!“ Die Art und Weise, wie wir unser Unbehagen (gedanklich) verbalisieren, entscheidet mit darüber, wie viel Öl wir in unser eigenes Feuer gießen. Denn auch sprachlich können wir Abstand von einer unliebsamen Situation nehmen.

Je intensiver wir uns ausdrücken, desto einfacher rufen wir emotionale Zustände ab, die mit diesen Ausrücken codiert sind. Wenn wir jedoch Ausdrücke benutzen, die wir sonst nicht verwenden und zu denen wir ein eher neutrales (oder im besten Falle positives) Verhältnis haben, ändert sich auch unsere emotionale Verfassung. Es macht einen Unterschied, ob wir uns selbst als „wütend“ oder als „nicht entzückt/ nicht erquickt bzw. etwas pikiert“ bezeichnen.

Auch der Verzicht auf die „Ich“-Form schafft Abstand in kritischen Situationen. Das Sprechen über/zu sich in der 3. Person bzw. Du-Form hilft, die Szene von einer Metaebene zu bewerten.

Welche Wörter haben auf mich eine beruhigende Wirkung? Wie würde ein Mensch mit mir reden, der mich immer zum Lachen bringt? Was würde der klügste Mensch, den ich kenne, zu mir sagen?

Mehr unter Sprich achtsam: Wie Deine Worte nachhaltig Dein Gehirn verändern.

Die geistige Umnachtung einkalkulieren

In seinem Buch „Der Elefant, der das Glück vergaß“ schreibt der buddhistische Mönch Ajahn Brahm eine Geschichte zur Gelassenheit, die mich tief beeindruckt hat:

Ein Mann geht zum Markt, er will einfach nur Eier für sich und seine Frau zum Abendessen besorgen. Dort angekommen, wird er ohne Grund von einem fremden Mann auf übelste Art und Weise beleidigt. Und er hört nicht auf. Peinlich berührt verlässt er schnell wieder den Markt und erzählt seiner Frau davon. „‚Ach der!‘, sagte seine Frau und versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. ‚Das macht er mit jedem. Weißt du, als Kind ist er mal auf den Kopf gefallen. Dabei hat einen Hirnschaden erlitten und führt sich seither immer so auf. So ein armer Kerl. […]‘“

Im Buddhismus sind Zorn und Beleidigungen Ausdruck einer „zeitweiligen geistigen Verwirrung“.

Wie sehr müsstest Du Dich dann noch über einen anderen aufregen, wenn Du Dir vorstellen könntest, dass er gerade einfach unter einer vorübergehenden geistigen Verwirrung leidet? Wie viel Freiheit würde es Dir geben? Der Mann aus der Geschichte konnte zumindest ganz entspannt wieder zurück auf den Markt gehen und ungeachtet aller weiteren Beleidigungen des anderen Mannes seine Eier kaufen…

Inzwischen denke ich nicht mehr, dass ich meine Werte verrate, wenn ich mich von einem Drama fernhalte, das mir ein anderer aufzwingen will. Drama-Abstinenz ist eine Entscheidung, die aus meiner eigenen Freiheit entspringt – und die ich meiner Kraft, meinen Zielen und meinem Leben zur Liebe nutzen kann. Jederzeit, wann immer ich es entscheide.

Mehr unter Wie man aufhören kann, genervt und verletzt zu sein (in 60 Sekunden).

Und hast Du schon in den neuen myMONK-Podcast gehört? Passend zum Thema des Textes geht’s in der neuesten Folge darum: „Wie man seine Erwartungen loslassen und leichter leben kann“:

Alles weitere zum Podcast findest Du hier.

Photo: Contemplation von  Jaromir Chalabala / Shutterstock