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Text von: Romy Hausmann

Kürzlich diskutierte ich mit meinem Freund über die Haushaltsaufteilung. Ob es darum ging, dass ich vergessen hatte, einkaufen zu gehen, er seine dreckigen Socken irgendwo liegengelassen hatte, oder einer von uns beiden den Abwasch nicht erledigt hatte, weiß ich schon gar nicht mehr. Denn die Diskussion lief völlig aus dem Ruder. Das fiel mir allerdings erst auf, als ich irgendwann einen Satz mit „Deine Mutter…“ begann.

Deine Mutter, die mit dem Einkauf/ den Socken/ dem Abwasch natürlich überhaupt nichts zu tun hatte.

Deine Mutter, wie armselig dieser Versuch meinerseits, die Situation mit dem gefühlt ultimativen Totschlagargument als „Gewinnerin“ zu beenden.

Kaum waren diese beiden Worte über meine Lippen gekommen, hielt ich genauso erschrocken wie irritiert inne. Was tat ich hier? Was war das denn bitte für eine Art von Streitkultur?

Wahrscheinlich habe ich in meinem Leben viele Mütter diverser Freunde benutzt, um Diskussionen zu meinen Gunsten zu beenden. Wobei „Gunsten“ weniger bedeutet, dass ich eine Lösung für das jeweils zu diskutierende Problem gefunden (oder überhaupt wirklich gesucht) hätte. Vielmehr hatte ich damit das letzte Wort behalten, hatte gewonnen. Im Streit habe ich mich oft vergessen. Mich, meine guten Manieren, meine innere Ruhe, den Grundgedanken, dass Diskussionen in erster Linie lösungsorientiert sein sollten. Im Streit habe ich mich wie eine Neandertalerin aufgeführt.

Das, sagt die Konflikt-Mediatorin und Zen-Lehrerin Diane Musho-Hamilton, sei tröstlicherweise ganz normal: „Wir sind seit der Steinzeit darauf gepolt, uns zu verteidigen, wann immer wir eine Bedrohung verspüren. Dieser grundlegende Impuls, uns selbst zu schützen, ist automatisch und unbewusst.“

Nur, dass wir seit Ende der Steinzeit nicht mehr gegen hungrige Säbelzahntiger kämpfen, sondern oft gegen die Menschen, die uns am nächsten stehen. Die wir mit unseren Worten und unserem Verhalten verletzten. Manchmal so sehr, dass eine Narbe zurückbleibt. Das ist mir – und Dir vielleicht auch – viel zu selten bewusst. Für mich ist es nur ein Streit, wüste Worte, die reinweg meiner Verteidigung dienen, wenn ich mich in die Enge getrieben fühle. Worte, die für mich oft längst schon wieder vergessen sind, während sie bei meinem Gegenüber möglicherweise dauerhaften Schaden angerichtet haben.

Nägel im Zaun

Dazu gibt es eine Geschichte von einem unbekannten Verfasser. Sie handelt von einem kleinen Jungen, der schnell wütend wurde, ständig herumstritt und dabei regelrecht ausrastete. Eines Tages gab ihm sein Vater einen Hammer und eine Packung Nägel. Er sagte seinem Sohn: „Jedes Mal, wenn Du wieder ausrastest, gehst Du zum Gartenzaun hinterm Haus und schlägst einen Nagel hinein.“

Am ersten Tag schlug der Junge noch 30 Nägel in den Zaun. Doch in den folgenden Wochen wurden es nach und nach weniger. Er gelangte langsam zu der Einsicht, dass es einfacher war, sein wütendes Temperament zu beherrschen, als ständig kraftaufwendig Nägel einzuhämmern. Eines Tages teilte er seinem Vater stolz mit, dass er heute keinen einzigen Nagel habe in den Zaun schlagen müssen.

Der Vater nahm ihn bei der Hand, ging mit ihm zum Zaun und sagte: „Von jetzt an machen wir es so: Für jeden Tag, an dem du nicht ausrastet, darfst du einen Nagel wieder aus dem Zaun herausziehen.“

Wieder vergingen mehrere Tage, bis der Junge zu seinem Vater lief und ihm freudig mitteilte, dass nun keine Nägel mehr im Zaun seien. Gemeinsam gingen sie zum Zaun. Der Vater sagte: „Das hast Du toll gemacht. Aber schau Dir die vielen Löcher an, die die Nägel hinterlassen haben. Der Zaun ist nicht mehr der, der er einmal war. Denk daran, wenn Du das nächste Mal im Zorn etwas zu anderen Menschen sagst. Deine Worte können Narben hinterlassen, so wie diese Nägel Spuren im Zaun hinterlassen haben. Auch wenn Du Dich entschuldigst, die Narben bleiben.“

Wie wir lernen können, in der Wut achtsam zu bleiben

In Konfliktsituationen (einigermaßen) gelassen zu bleiben, erfordert ein unheimlich großes Maß an Achtsamkeit, die uns allerdings – wie oben von Konflikt-Mediatorin und Zen-Lehrerin Diane Musho-Hamilton auf den Punkt gebracht – von Natur aus automatisch abgeht, sobald unser Verteidigungsreflex einsetzt. Die folgenden fünf Tipps können es leichter machen, den inneren Neandertaler abzulenken und achtsamer zu streiten:

Tief durchatmen

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber wenn ich erst mal in Fahrt bin während eines Streits, atme ich (gefühlt) entweder gar nicht mehr – oder wie ein wütender Stier aus einem Zeichentrickfilm, dem Qualm aus den geblähten Nasenlöchern kommt. Beides mag der innere Neandertaler übrigens sehr gerne. Rein biologisch sieht’s nämlich so aus: Flaches Atmen ist die angeborene Reaktion des Körpers bei der Konfrontation mit Stress. Diese natürliche Reaktion zu unterdrücken und stattdessen tiefes Atmen zu üben, hilft dem Körper, ruhig zu bleiben und die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Cortisol zurückzufahren. Dadurch bleiben wir als Ganzes während eines Konflikts entspannt(er) und konzentriert(er).

Wirklich zuhören

Oft sind wir so damit beschäftigt, unsere Zeter-Salven abzufeuern, dass das, was unser Gegenüber zu sagen hat, zu einem lästigen Grundrauschen wird. Unsere Meinung und unseren Standpunkt haben wir dabei ohnehin längst vorgefasst. Und dass wir Recht haben, steht schon dreimal fest. Natürlich hat die Ehefrau Recht, die ihren Ehemann, der seit Wochen Überstunden schiebt und sie mit den Alltagssorgen rund um Haus, Kinder und Katze alleine lässt, für einen ziemlichen Arsch hält. Andererseits hat er Recht, seine Frau für verständnislos und unfair zu halten. Schließlich macht er Überstunden, weil seine Firma gerade Stellen kürzt und er Angst hat, den Job zu verlieren, der die Familie ernährt.

Wenn wir gewillt sind, wirklich zuzuhören, fällt es uns leichter, uns in unser Gegenüber hineinzuversetzen. Selbst wenn wir dabei herausfinden, dass es oftmals gar kein allgemeingültiges „Rechthaben“ gibt – und manchmal auch keine sofortige Lösung.

Offene Fragen stellen

Während meiner Ausbildung zur Fernseh-Journalistin lernte ich, wie wichtig offene Fragen bei Interviews sind. Dazu zeigte man meinen Mitstudenten und mir einen Auszug aus einem Fernsehinterview von 1964, in dem der Pop-Art-Künstler Andy Warhol eine Journalistin in den Wahnsinn trieb, indem er auf jede ihrer Fragen nur mit „Yes“ oder „No“ antwortete. Der Fehler, den die Frau gemacht hatte: sie hatte Warhol ausschließlich geschlossene Fragen gestellt.

Offene Fragen – sprich: Fragen, die mehr Antwortmöglichkeiten als „Ja“ oder „Nein“ zulassen und zum Beispiel beginnen mit „Was?“, „Warum?“, „Wann?“ oder „Wie?“ – können auch bei der Konfliktlösung von unschätzbarem Wert sein. Erstens zeigen sie, dass wir aufmerksam zuhören. Und zweitens übermitteln sie unserem Gegenüber Respekt, indem sie ihm Raum geben, seine Gedanken zu formulieren. Die Antworten wiederum können uns helfen, wirkliches Verständnis für den anderen und seinen Standpunkt zu entwickeln, da er durch die Formulierung unserer Fragen quasi „gezwungen“ ist, sich zu erklären.

Nicht laut werden

Wie schnell eskaliert eine Meinungsverschiedenheit, sobald die Lautstärke hochgedreht ist? Abgesehen davon, schießt mit unserer Stimme auch unser Blutdruck nach oben, was dafür sorgt, dass wir uns noch gestresster fühlen. Erinnern wir uns aber daran, ruhig zu sprechen, überträgt sich diese Ruhe vielleicht auch auf unser Gegenüber und sorgt im besten Fall dafür, dass aus einer eigentlich harmlosen Diskussion kein ausgewachsener Streit wird.

Streit-Pausen einlegen

Der Zen-Meister Thich Nhât Hanh sagt: „Es braucht zwei Hände, um einen Stift zu zerbrechen. Es braucht zwei Personen für einen Streit.“

Das bedeutet auch: bevor ein Streit ernsthaft eskaliert, wir völlig die Kontrolle verlieren oder befürchten, im nächsten Moment beim anderen „Narben“ zu hinterlassen (oder uns selbst bereits von ihm schwergetroffen oder gar verwundet fühlen), könnte es besser sein, die Konflikt-Situation vorerst zu verlassen und die Diskussion auf später zu verschieben, wenn die Köpfe und Gemüter wieder etwas runtergekühlt sind. Das Recht zu gehen, hast Du jederzeit. Das hat nichts damit zu tun, zu flüchten oder Konfrontationen zu scheuen. Es ist manchmal schlicht die vernünftigste Option.

Es ist und bleibt menschlich und völlig natürlich, in einer Streit-Situation wütend zu werden – da können wir noch so viele Erleuchtungs-Bücher lesen, im Kopf in Dauerschleife „Ommmm“ summen oder unsere Aggressionen in einen Anti-Stress-Ball kneten. Wir können (und sollten) Konflikten nicht aus dem Weg gehen, denn sie gehören zum Leben und zum Miteinander nun mal einfach dazu. Was wir aber beeinflussen und verändern können, ist, wie wir in diesen Situationen reagieren. Wir können lernen, unsere negativen Emotionen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Findet Deine Mutter bestimmt auch.

Mehr unter: Die Weisheit der Wut – Was Dein Zorn Dir sagen will und unter Wie man aufhören kann, genervt und verletzt zu sein (in 60 Sekunden).

Photo: Arguing / Shuttertock