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Text von: Lena Schulte

Hach ja. Was bin ich schlagfertig. Was habe ich immer für gewiefte Antworten parat, wenn es jemand wagt, mir dumm zu kommen. Und alle, die um mich und meinen Kontrahenten herum stehen, kriegen große Augen, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und rufen: „Boah! Hat sie nicht gesagt!“ Während ich damit beschäftigt bin, mein Siegerlächeln im Zaum zu halten. Denn siegen und mit der Rehtorik-Keule austeilen, das kann ich… aber leider erst im Nachhinein… im Kopfkino… zehn Minuten, nachdem ich eigentlich hätte performen müssen. Und meine Schlagfertigkeit endlich die kognitive Spielstraße Richtung Autobahn verlässt. Ja, dann kann ich das mit der Schlagfertigkeit.

Ansonsten verhalte ich mich bei fiesen Sprüchen eher wie ein paralysiertes Reh im Scheinwerferlicht. Meistens fällt mir auf die Schnelle nichts Gewieftes ein. Vor allem nicht, wenn ich richtig empört bin. Ich bewundere Menschen, die auf unvorhergesehene Situationen gut reagieren können. Sie behalten nicht nur die Oberhand, sondern wirken auch gleich unfassbar smart, selbstbewusst und sympathisch.

Ich könnte das auch gern. Nicht, um andere zu beeindrucken, sondern mir selbst zuliebe. Deswegen hier mal ein paar Gedanken zur Schlagfertigkeit.

Beginnen wir mit der wichtigsten Frage zuerst:

Ist es wirklich immer notwendig zu siegen?

Schlagfertig sein heißt: Du kannst mir nichts. Ich stehe da drüber.

Deswegen wird es mit der Schlagfertigkeit auch so schwer, wenn wir in Wirklichkeit eben nicht drüber stehen und von einem Kommentar ernsthaft verletzt sind. Dann auf Teufel komm raus den coolen Gegenangriff zu erzwingen, ist stressig. Und geht auch oft in die Hose.

Überschreitet eine wichtige Person ernsthaft unsere Grenzen, ist es nicht immer ratsam, gute Mine zum bösen Spiel zu machen und keck zum Schlagaustausch auszuholen – nur, weil wir uns nicht die Blöße der Verletzbarkeit geben möchten. Ein Schlagabtausch suggeriert nämlich nicht nur emotionale Überlegenheit, sondern übermittelt indirekt eben auch eine andere Botschaft: dass wir bereit sind, notfalls weitere Kämpfe auf diesem Territorium auszutragen.

Ehrliche Ansagen zu unseren Grenzen gestalten die Zukunft unserer Beziehungen oft konstruktiver, als der Wunsch, in einem kurzen Moment die Oberhand zu behalten.

Aber zum Glück sind wir ja weder dazu verpflichtet, mit jedem dahergelaufenen Statisten langfristige Beziehungen gestalten, noch bei jedem Kommentar eine Predigt über unsere Grenzen halten.

Manchmal dürften wir auch einfach mal das kommunikative Beinchen heben und etwas Dominanz zeigen.

Aus der Vergangenheit lernen

Die oberste Devise und Königsklasse der Rhetorik: den Gegenangriff wie einen gezielten Schuss aus der Pistole zu gestalten. Kann ich schon mal nicht. Wie gut, dass Vorbereitung die halbe Miete ist.

Zuerst gilt es, die Achillesferse zu schützen. Welche Kommentare will ich definitiv nicht auf mir sitzen lassen? Welche Kommentare begegnen mir oft? Welche Kommentare nerven mich am meisten?

Ich für meinen Teil hatte irgendwann die Sprüche á la: „Für eine Frau bist Du ja echt ziemlich hochgewachsen“ satt und antwortete mit: „Tja, der liebe Gott mag mich eben mehr und will mich näher bei sich haben.“ Den Satz habe ich im Internet gefunden und er hat mir oft gute Dienste erwiesen.

Von alleine wäre mir das nie eingefallen – und schon gar nicht auf die Schnelle. Wenn wir wissen, was wir nicht (mehr) auf uns sitzen lassen wollen, können wir uns im Vorhinein in Ruhe einen kleinen Katalog an möglichen Kontern zusammenstellen. Das spart Zeit für den Ernstfall und gibt uns ein sicheres Gefühl.

Allerdings haben besonders Idioten ein speziell ausgebildetes Näschen für blöde Kommentare, mit denen sie an Stellen treffen, die wir vorher nicht für angreifbar gehalten hätten. Aber auch dafür gibt es Strategien.

Recht geben

Ein einfaches „Okay“, „Stimmt“ oder „Du hast recht“ geht schnell von den Lippen und verlangt nicht viel Denkschmalz. In einem Seminar zur Hass- und Konfliktforschung habe ich gelernt, dass Menschen von Außenstehenden als Konfliktsieger bewertet werden, die dem Gegenüber zugestehen können recht zu haben.

Wenn uns jemand beleidigt, hat er natürlich weder das Recht dazu, noch hat er mit seinen Anschuldigungen recht. Aber das Recht-geben wird in erster Linie mit Größe verbunden. Außerdem lebt eine Beleidigung von unserer Verletzung und Gegenwehr. Durch ein einfaches „Ja, da wirst du wohl recht haben“ nehmen wir dieser die Luft zum Leben.

Schweigen

Nichts kann für das Gegenüber so unangenehm werden, wie die plötzliche Stille. Und gegebenenfalls ein zielgerichteter, standhafter Blick, der mehr als tausend Worte sagt. Man muss nicht immer die größte Rhetorik aus dem Hut zaubern, wenn man mit kühler Ignoranz ein Statement setzen kann. Nicht jeder dumme Spruch ist kommentarwürdig. Alternativ natürlich auch möglich: Sorry, ich habe nicht zugehört oder Sorry, ich habe dich nicht verstanden – und wenn wir gerade in guter Verfassung sind, auch gerne in Dauerschleife.

Verwirren

Eine Taktik, die oft auch Vorbereitung und auf jeden Fall Mut zur kommunikativen Regelverletzung abverlangt: mit ernstem Gesicht völlig unsinniges Zeug antworten und für Verwirrung stiften. Am besten im Mantel kluger Wörter, Phrasen oder vermeintlichem Expertenwissen, wie zum Beispiel:

„Du kennst ja das alte Sprichwort: Große Worte können der größten Wortgewalt nur standhalten, wenn der Redner von ihrer Größe nicht überfordert ist.“

„Keine Synthese der Welt kann Kohlenwasserstoff in ein eigenständiges Atom verwandeln. Es bleibt einfach so wie es ist. Mehr muss ich dazu nicht sagen, oder?“

„Weißt Du, die Geschichte hat doch bereits bewiesen, dass ein Degenauer niemals ein Richtersfeld werden kann. Egal, wie sehr er sich anstrengt.“

Der Kreativität sind dabei natürlich keine Grenzen gesetzt. Die Zeit, die der andere benötigt, um den Satz zu entschlüsseln, können wir dann nutzen, um das Gespräch zu beenden.

Mir persönlich gefallen die letzten zwei Strategien am besten. Die werde ich in Zukunft häufiger anwenden, wenn jemand seine schlechten Gedanken an mir auslassen möchte.

Und jetzt gehe ich vor den Spiegel und übe meinen vielsagenden Schweigeblick. Denn wie Dichter Nebel bereits vor zweitausend Jahren zu sagen pflegte: Nur der gewiefte Hai kann die Schönheit des Mondes genießen.

Photo: Talk von stockfour / Shutterstock