Text von: Lena Schulte
Jahrelang stellte ich vor Klausuren einen Zeitplan zum Lernen auf. Doch anstatt ein zunehmend besseres Gespür fürs Zeitmanagement zu bekommen, geschah bei mir genau das Gegenteil. Je länger ich studierte, desto schlechter konnte ich meine Zeitpläne zum Lernen einhalten.
Und jedes Mal drehte ich innerlich fast durch, denn Pünktlichkeit hatte mich sonst nie vor Herausforderungen gestellt. Den Vogel schoss ich bei meiner letzten Klausur ab – die musste ich nämlich mit einem Schlafdefizit von über dreißig Stunden antreten. Großen Dank an der Stelle an meinen letzten Lebenswillen und die Koffeinindustrie.
Als wäre das nicht genug, dehnte sich mein schlechter werdendes Zeitmanagement immer weiter auf weitere Bereiche meines Lebens aus. Irgendwann waren die Tage bereits vorbei, bevor ich überhaupt das Gefühl hatte, das sie wirklich angefangen hätten.
Was war los mit mir? Warum schaffte ich auf einmal gar nichts mehr?
Es stellte sich heraus: Ich hatte kein Problem damit, meine Zeit einzuteilen. Mein Problem war ein anderes: Das Einteilen meiner Energie. Im Laufe der Jahre hatte ich nämlich Gewohnheiten entwickelt, die an meiner Kraft zerrten und mich immer länger für meine Aufgaben brauchen ließen.
In einem Artikel zum Thema Energie Management schildern die Autoren Tony Schwartz und Catherine McCarthy ausführlich ihre Ergebnisse, die sie bei ihren Studien mit dem Personal aus verschiedenen Großkonzernen gewonnen haben.
Hier ist, was ich daraus gelernt habe … und was Dir vielleicht auch ein bisschen hilft.
Um den Körper kümmern – in ruhigen und stressigen Zeiten
Klar, wir kennen die Basics: viel Wasser trinken, gesund essen, genügend Sport treiben, ausreichend schlafen. Habe ich irgendwas davon gemacht, während ich im Stress steckte? Nö. Schließlich hatte ich in „ruhigen“ Zeiten nie eigens dafür Rituale etabliert. Musste ich auch nicht, ich hatte genug Zeit, um mich daran zu erinnern.
Das rächt sich, wenn wir im Stress sind. Da bleibt oft keine Zeit mehr, an unsere Gesundheit zu denken. Was wir dann brauchen, sind gesunde Rituale, die wie auf Autopilot laufen und uns keine zusätzliche Gedanken- bzw. Gewissensenergie rauben.
Was mir sehr geholfen hat, waren „Qualitätspausen“ während der Arbeit zu kultivieren und nicht mehr verbissen durchzuackern. Qualitätspausen sind kleine, aber wirklich regulär eingehaltene Pausen, die wir nach einer 90-120 minütigen Arbeitsphase tätigen. Wichtiger als die Länge der Pause ist, dass wir uns physisch und gedanklich so weit wie möglich von der Arbeit entfernen. Also immer vom Schreibtisch aufstehen, weg gehen und dann zum Beispiel kurz eine Runde um den Block drehen, Musik hören, oder jemanden anrufen.
Aktiv um positive Emotionen bemühen
Natürlich arbeiten wir am besten, wenn wir gut gelaunt sind. Für einen kleinen Schwung neuer positiver Energie empfehlen die Autoren drei unterschiedliche Rituale:
1. Das Anerkennungsritual
Zu einem festgelegten Zeitpunkt aktive Dankbarkeit und Wertschätzung für einen anderen ausdrücken. Und zwar die Art, die wirklich von Herzen kommt und nichts mit Beförderungen oder eigenen Beliebtheitswerten zu tun hat.
Egal, ob in Form von Anrufen, einer Mail, einer kleinen Notiz oder im Gespräch. Je detaillierter wir unsere Anerkennung formulieren können, desto besser schärfen wir unseren Sinn für das, was bereits gut ist und wofür den anderen danken können.
2. Das „Die eigene Geschichte umdeuten“-Ritual
Jeder von uns hat unzählige kleine Geschichten, die ihn zu dem geformt haben, was er nun ist. Allerdings formt uns auch die Art, wie wir diese Geschichten wiedergeben und hat mehr Auswirkungen auf unser generelles Empfinden, als wir denken. Bei schlechten Erfahrung legen wir unseren Erzählfokus oft auf die ganzen negativen Gefühle. Wir können uns jedoch auch daran erinnern, die Geschichte aus einer anderen, uns möglichst ermächtigenden Perspektive wiederzugeben – und damit langfristig positive Emotionen uns gegenüber zu kräftigen. Es geht dabei nicht um Verblendung oder ums Schönreden, sondern um einen Perspektivwechsel, der uns wieder ein Gefühl für unsere Stärken gibt.
Dazu können wir uns fragen: Wie würden andere meine Geschichte(n) erzählen? Wie werde ich am wahrscheinlichsten diese Geschichte in Zukunft bewerten? Und, egal, wie es ausgegangen ist: Was kann ich daraus lernen, was mich wachsen lässt?
3. Das Lungen-Ritual
Tieeef eiiin und ausatmen. Und noch einmal. Und noch einmal. Danke Lungen, dass ihr euren Job macht. Und weiter atmen.
Multitasking verbannen
Unser Gehirn kann nicht mehr als zwei Dinge gleichzeitig machen, sondern „springt“ dann nur noch zwischen mehreren Aufgaben hin und her. Das nimmt bis zu 25 Prozent mehr Zeit in Anspruch, als wenn wir uns gleich nur auf eine Sache konzentrieren würden.
Ich mache es inzwischen so, dass ich mich beim Arbeiten im besagten 90-120 Minuten Intervall von allem abkapsele, das mich ablenkt. In meinem Fall sind das mein Handy, mein Mailordner und Youtube. Und auch wenn ich während eines Arbeitsintervalls stocke, zwinge ich mich, keinen anderen Versuchungen nachzugehen.
Bereits am Abend zuvor können wir uns überlegen: Was wird morgen meine wichtigste Aufgabe sein? Und der dann gleich zu Beginn des Tages eine Stunde lang nachzugehen. So haben wir schon früh etwas Gutes geschafft.
An den Sinn erinnern
In meiner Ausbildung zur Sterbebegleitung mussten wir unsere eigene Grabrede verfassen – aus der Sicht eines anderen. Schnell zeigten sich Unterschiede zwischen: „Wie möchte ich in Erinnerung behalten werden?“ und „Wie werde ich wahrscheinlich in Erinnerung behalten?“. (Zudem zeigte sich, dass manche für eine informative Grabrede besser die Arbeitskollegen als den Ehepartner engagieren sollten …)
Ich finde die Auseinandersetzung mit beiden Fragen wichtig: Die erste ist wie ein Kompass, der uns zeigt, was uns für unser Leben wirklich wichtig ist.
Die zweite Frage kann Lücken sichtbar machen, uns bewusster machen, welche Prioritäten wir momentan setzen und wie weit wir noch von unserem persönlichen, erinnerungswürdigen Lebenssinn entfernt sind.
Wenn wir wissen, was uns wirklich wichtig ist, gibt das uns eine ungeheure Kraft, wenn wir diesen Dingen ab und zu aktiv unsere Zeit widmen.
Inzwischen schreibe ich zum Glück (und zum großen Bedauern der Koffeinindustrie) keine Klausuren mehr. Trotzdem hilft es mir, mich in stressigen Phasen mehr um meinen Energiehaushalt als um mein Zeitmanagement zu kümmern. Was gibt Dir Energie? Wie tankst Du dich auf?
Mehr unter: Warum Du so erschöpft bist (der schmerzhafte wahre Grund) und unter Ein einfacher Gedanke von Buddha, der Dein Leben heilen kann.
Photo: Working / Shutterstock
Ich glaube, Energiemanagement kann ein super Einstieg für Viele sein. Verlagert so ein Gedanke doch deutlich den Blick weg von rein kopflastigem Planen und etwas weg von einer Fixierung auf Ergebnis und Erfolg.
Auf den Energiehashalt zu achten ist allerdings für mich insofern auch noch nicht alles. Denn mit der Energieeinteilung ist auch noch nicht klar, inwieweit ich mich achtsam meiner Gesundheit zuwende und meine Aufmerksamkeit genug öffne. Körperlich, seelisch und letztlich auch spirituell, wie dies mit der Sinnfrage im Artikel anklingt.
LG Richard
Wow, ein sehr schöner und vor allem entspannender Text. Als ich über den Absatz mit dem Multitasking gestolpert bin, habe ich mich direkt daran erinnert, mal wieder achtsamer unterwegs zu sein und nicht alle Reize im Aussen sofort aufsaugen und alles gleichzeitig machen zu müssen. Auch die Sache mit der eigenen Grabrede fand ich erst etwas radikal, aber der Grundgedanke dahinter ist total super und ich bin überzeugt davon, das der zweite Punkt, wo es darum geht wie sie tatsächlich aussehen könnte, sehr zur Orientierung der eigenen Entwicklung helfen kann.
Wie gesagt, ein unglaublich guter Artikel! Danke Lena.