Teile diesen Beitrag "Deine Atmung ist die Fernbedienung für Dein Gehirn"
Text von: Johanna Wagner
„Atme noch einmal tief ein und dann geht’s los!“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Von anderen. Oder mir selbst zu gesprochen. Vor den kleinen Prüfungen – einem ungemütlichem Gespräch, der Kündigung, einer Präsentation. Sowie vor den vermeintlich großen Prüfungen des Lebens: der Führerscheinprüfung (gut, da hat das tiefe Durchatmen zumindest beim ersten Mal nicht geholfen), der Abi-Prüfung, einem Abschied.
Es gab und gibt unzählige Augenblicke in meinem Leben, in denen ich noch einmal tief durchatmete, bevor es ernst wurde. Ich hängte mich förmlich an den Atem, als wäre er das Seil, das über eine tiefe Schlucht führt.
„Halte Dich an Deinen Atem, so kann Dir nichts passieren! Schau‘ nicht nach links oder rechts, schon gar nicht nach unten. Halte Dich an Deinen Atem, halte Dich an Deinem Atem fest…“, redete ich auf mich ein.
Aber warum? Wird die Prüfung dadurch leichter? Die Kündigung angenehmer? Ein Abschied weniger schmerzhaft? Oder lässt der Fahrprüfer dadurch vielleicht das Einparken aus? Schön wär’s…
Ist das mit der Atmung also nur ein altes Sprichwort, ein Ritual, nicht viel mehr als „Viel Glück, Du schaffst das schon“? Oder hilft sie uns wirklich dabei, die Herausforderungen des Lebens besser zu meistern?
Unsere Atmung beruhigt uns
Fakt ist: Tiefes, langsames und gleichmäßiges Atmen beruhigt unser Nervensystem, indem es den Parasympathikus aktiviert und den Herzschlag senkt. Dies wiederum führt dazu, dass sich das Gefühl von Angst reduziert und Stress abgebaut wird. Der Körper wird ruhig; der Geist leise. Diese positive Wirkung bewussten Atmens ist der Menschheit lange schon bekannt.
Also ja: „Johanna, atme noch einmal tief ein, das hilft Dir, Dich zu entspannen und mindert den Stress und Deine Ängste!“
Genial. Ein universelles Mittel für jede Lebenslage. Immer in der Handtasche dabei, ohne dass sie schwerer wird – hätte ich das Mal im entscheidenden Moment meiner Fahrprüfung getan…
Wie die nasale Atmung unsere kognitiven Fähigkeiten beeinflusst
Klar, unsere Atmung ist lebensnotwendig. Wissenschaftler gingen darüber hinaus der Frage nach, inwiefern unsere Atmung die Gehirnregionen beeinflusst, die für die emotionale und mentale Verarbeitung zuständig sind. Also Prozesse, die von reinem Überleben weit entfernt sind und mit der Atmung vermeintlich nicht in Zusammenhang stehen.
Dafür zeigten Forscher sechzig Probanden entweder ängstliche oder überraschte Gesichter, die diese als jeweils solche identifizieren sollten. Das Ergebnis: Die ängstlichen Gesichter wurden immer dann deutlich schneller erkannt, wenn die Probanden gerade durch die Nase einatmeten. Dies war weder während der Ausatmung noch während der Einatmung durch den Mund der Fall.
In einem weiteren Experiment sollten sich die gleichen Testpersonen Bilder einprägen und diese später wieder abrufen. Dabei war das Erinnerungsvermögen an Bilder deutlich höher, die sich die Teilnehmer während der Einatemphase einprägten.
Die Atmung sichert also nicht nur unser Überleben, sondern hat offensichtlich auch einen Einfluss auf unsere Emotionen und auf unser Gedächtnis.
„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“
Gerüche sind das Tor zu unseren Erinnerungen
Jeder kennt das, wenn ein bestimmter Duft ganz präzise Erinnerungen an einen besonderen Moment weckt. An ein Gebäude, an eine Person oder an einen bestimmten Tag. Mich erinnert zum Beispiel der Geruch von neuen Büchern an meine ersten Schulbücher. Ein Atemzug – und plötzlich ist alles wieder da: das Gefühl, nun ein Schulkind zu sein, mein Klassenraum, der Schulflur und wie es dort roch.
Es ist, als öffne der Duft einen Raum in mir, den die Zeit vor langer Zeit geschlossen hatte. Und ganz unvermittelt zeigen sich mir Erinnerungen, die 25 Jahre zurückliegen, mit Bildern, die ich normalerweise nicht hätte erinnern können.
Der Hintergrund dafür liegt in der engen Verknüpfung des Riechzentrums mit dem limbischen System, das unsere Emotionen, unser Gedächtnis sowie unser Verhalten beeinflusst.
Klingt sehr physiologisch, ist aber sehr wertvoll, wenn man diese direkte Verbindung zwischen Atmung und den kognitiven Fähigkeiten zu nutzen weiß.
Die Hirnfunktionen mithilfe des Atems besser nutzen
Zurück zur Studie, in der die Personen – auch bei Abwesenheit von Gerüchen – während der Einatmung schneller Emotionen einordnen bzw. sich besser erinnern konnten. Denn der zugrunde liegende Mechanismus bleibt der Gleiche: Wenn wir durch die Nase einatmen, werden über die direkte Aktivierung des Riechzentrums indirekt die Regionen für Erinnerung und Emotionen stimuliert. Die Einatmung ist also gewissermaßen die Fernbedienung für das Gehirn. Richtig genutzt können wir mit ihr, ruhiger und klarer werden, schneller und präziser denken, Emotionales besser verarbeiten und uns besser erinnern.
Das mit dem „Atme noch einmal tief ein und dann geht’s los!“ ist also nicht an den Haaren herbeigezogen. Bewusstes – das heißt tiefes, langsames und gleichmäßiges Atmen – kann uns bei so manchem herausfordernden Drahtseilakt des Lebens tatsächlich sicherer über die Schlucht führen.
Mehr unter: Diese einfache Übung stärkt Dein Gehirn und macht Dich gelassener und unter Wie man inneren Frieden findet in 2 Minuten.
Photo: Sporty woman / Shutterstock
Guter Beitrag, Johanna, finde ich. Ist es doch immer wieder wertvoll und wichtig, bewusst den Atem zu beachten. Wir spüren es ja, dass es gut tut, einmal tief einzuatmen und den Atem anzuhalten. Er breitet sich scheinbar aus im Körper. Besonders wenn wir einmal in den Bauch hinein atmen. Und beim Ausatmen spüren wir auch etwas. Eine Art Erleichterung. Bei den Studien muss die Betrachtung (natürlich) bei etwas Körperlichem enden. Ich denke, dass hier tatsächlich das limbische System eine Etappe darstellen kann. Aber alles allein an gewissen Reizungen und Stimulierungen festzumachen?
Ich denke da sind wir uns alle einig, dass dies nicht allzu viel erklären kann. Der Atem und das limbische System sind für mich Dinge, die an einer Grenze liegen. Hinter dieser Grenze ist das (für die meisten Menschen) nicht Wahrnehmbare. Der Atem funktioniert auch unbewusst. Das limbische System, Akkupressur-Punkte und Meridiane liegen an der Grenze zwischen dem Stofflichen und dem Feinstofflichen. Zwischen dem Körperlichen und der Hülle der Energie des Menschen, die uns auch durchströmt. Und was sich da ausbreitet bei tiefem Atmen ist der Energiestrom. Hierauf basieren die ältesten Heilmethoden, allen voran das seit 3000 Jahren bekannte und angewendete Vipassana.
Vielen Dank Richard für Deine weiterführenden Gedanken.
Ist es nicht verrückt, dass die Menschheit den Atem schon seit so langer Zeit als Heilmittel entdeckt hat und er dennoch für die meisten Menschen die meiste Zeit nichts weiter als der unbewusste Dauerläufer im Hintergund bleibt?
Ich selbst muss mich auch immer wieder „erinnern“, dass ich atme. Und nutze dies als Anker ins Hier und Jetzt.
Du sagst es, Johanna. Das ist uns wohl zu einfach. Oder es dauert uns zu lange. Oder wir vertrauen nicht so recht unserer eigenen Fähigkeit, etwas zu bewirken, das wir am Atmen festmachen. Da möchten wir wohl zumindest schon genauer wissen, wie das funktioniert. Und dabei ist nicht wirklich was auszumachen, das dabei auf den Körper wirken könnte? Eine Therapie mit messbar zuverlässigen Ergebnissen kann das wohl nicht werden?
Ich sehe das auch so. Der kleine Unterschied bei der Sauerstoffzufuhr ist es wohl nicht. Aber die momentane beruhigende Wirkung ist auch kaum mit Nervenreizung zu erklären. Woher kommt dann diese Wirkung mit gerichteter Bewusstheit auf den Atemstrom in den Körper hinein und bewusstem Ausatmen?
Wer einmal intensiver Taichi praktiziert hat oder Reiki, der hat es meist erfahren.Wir bewegen Energie mit Geist und gerichteter Bewusstheit, wenn wir den Alltagsverstand ruhen lassen und es mit Vertrauen in uns selbst beabsichtigen. Mit dem Atem bewegen wir so auch (unbewusst) frische Energie in uns hinein. Und wenig hilfreiche Energie hinaus. Warum also nicht mit Geduld und Vertrauen der Tradition folgen und unsere Heilung damit unterstützen? Selbst eine Depression zeigt sich in Energiemustern. Schwarze Löcher tun sich in der Aura auf, wo ein gesunder Mensch strahlende Energie verbreitet. Freilich heilen wir auch damit meist nur zögerlich, solange (unbewusste) Energiefresser in uns und um uns am Werk sind.
Hallo Johanna,
ein großartiger Artikel. Ich mache schon seit vielen Jahren Atemübungen und betreibe Meditation. ich konnte mich dadurch von Depressionen (5 durchstandene depressive Phasen) ohne Medikamente befreien.
Ich kann die Kraft des Atems bestätigen.
LG,
Christian
Lieber Christian,
das freut mich sehr, dass Du einen Weg ohne Medikamente zurück zu Deiner Gesundheit gefunden hast. Ich bin mir sicher, dass wir viel mehr Ressourcen in uns selbst finden, als so mancher glauben mag.
Nicht umsonst ist die Rede von Selbst-Heilungskräften. Und die des Atmens ist sehr mächtig und doch so unglaublich „einfach“ – aber vor allem immer (für uns) da, so lange wir „hier“ sind.
Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute.
Habe vor einiger Zeit, zwei interessante Sätze gelesen.
Seufzen, ist der Stuhlgang der Seele.
Wer seufzt, ist unglücklich, genervt oder glücklich erleichtert.
Nun, die richtige Bauchatmung will wohl gelernt sein.