Teile diesen Beitrag "„Radikale Veränderung“ ist ein Mythos. So erreichst Du Ziele viel besser."
Text von: Christina Fischer
2017 ist das Jahr, in dem ich mein Leben komplett umkrempele.
Mal wieder.
Wenn mir eins nicht fehlt, dann Motivation. Ich brenne für meine Ziele und kann es kaum erwarten, bis sie endlich Realität geworden sind. Doch leider verkümmert mein Feuereifer meist recht schnell zum bloßen Strohfeuer … und erlischt kurz darauf mit einem traurigen Flackern gänzlich – puff!
Ab diesem Jahr, so hatte ich mir vorgenommen, wollte ich gesund leben und fit werden. Und zwar richtig. Regelmäßig joggen, radikale Ernährungsumstellung – kein Zucker, nie wieder! – und überhaupt nur noch Essen, das hochbiologisch gereift, gewachsen und gestreichelt wurde und deshalb voller positiver Energie ist.
Ich hielt genau eineinhalb Monate durch. Diesmal starb mein Eifer irgendwo zwischen zwei Faschingspartys, ertrunken in Gin-Tonic. Die „Ausnahme“ wurde sofort wieder zur Regel, mein neues Leben wieder Vergangenheit.
Deswegen gelingen radikale Veränderungen so selten
Warum schlagen die großen Umwälzungen so häufig fehl?
Fehlende Disziplin? Oder eben doch nicht genug Motivation?
Vermutlich liegt es an etwas ganz anderem: Die radikalen Veränderungen sind in aller Regel ein Mythos. Eine Illusion. Hollywood-Fantasie.
Denn sie verstoßen gegen eine Art Naturgesetz: alles auf der Welt will in seinem Gleichgewicht bleiben. Das fängt schon bei unserem Körper an. Es gilt, die Körpertemperatur und den Blutdruck stabil zu halten. Kommen wir mit Viren oder Bakterien in Kontakt, arbeiten unsere Abwehrkräfte auf Hochtouren, um den Normalzustand wieder herzustellen.
Der Autor George Leonard schreibt in seinem Buch „Mastery“, dass es solche nach Ausgleich strebenden Kräfte auch überall in unserem Alltag gibt. Etwa als Verhaltensmuster, die sich schon so fest eingeschliffen haben, dass wir sie überhaupt nicht hinterfragen. Jeder von uns schwingt in seinem eigenen „Normal-Modus“, zu dem er immer wieder unbewusst zurückkehrt. „Homöostase“ nennt man das.
Für mich heißt das: Ein Mal Tanztraining die Woche, ab und zu eine Runde Yoga und eine gewisse Vorliebe für Eiscreme und Nudeln. In diesem Rahmens bin ich auf „Betriebstemperatur“. Ich werde zwar nicht lebensbedrohlich dick, aber eine Sportskanone kann man mich auch nicht gerade nennen.
Das passiert, wenn wir uns radikal verändern wollen
Dieses sensible Eiscreme-Yoga-Pasta-Tanz-Gleichgewicht geriet gefährlich aus den Fugen, als ich Anfang des Jahres anfing, zu joggen und lauter gesundes Zeug zu essen. Mein neues Fit-Programm wurde vom bisheriges Betriebssystem umgehend als Schadsoftware erkannt. Oder, um beim Körpersystem zu bleiben: als Virus, der das existierende Gleichgewicht störte. Meine Abwehrkräfte waren alarmiert und rückten an, um das alte Gleichgewicht wiederherzustellen. Zwar kämpfte ich eine Weile dagegen an, aber das kostete mich so viel Energie, dass ich bald aufgab.
So etwas geschieht auffällig häufig:
- Du hast gerade eine Diät gestartet und plötzlich wirst Du ständig auf Familienfeste und zum Essen eingeladen. Nebenbei entwickelst Du Heißhunger auf Sahnetorte statt auf Broccoli. Und dann erklären Dir die lieben Freunde und Kollegen noch, warum diese Diät niemals funktionieren kann.
- Du willst mehr Sport machen, aber zufällig fühlst Du dich gerade ganz schlapp und ständig kommt etwas dazwischen.
- Du willst unbedingt weniger Geld ausgeben, aber ausgerechnet jetzt fallen Dir tausend Dinge ein, die Du noch dringend brauchst. Außerdem flattern Rechnungen ins Haus, mit denen Du gar nicht gerechnet hast.
Wer zu schnell zu viel möchte, findet sich leider oft wieder ganz am Anfang wieder.
Ein Sportler, der sich überfordert, kann sich verletzen, sein Körper macht irgendwann nicht mehr mit.
Wer in einer Gruppe zu dominant auftritt und alles selbst bestimmen will, bringt die anderen irgendwann gegen sich auf.
Wer mit einer Null-Diät abnehmen will, hat dank Jojo-Effekt irgendwann das Doppelte auf den Hüften.
Und wer über Nacht reich werden will, verzockt am Ende vielleicht sein ganzes Geld.
„Hau-Ruck-Aktionen“ bringen unterm Strich nichts. Zumindest ist die Gefahr des Scheiterns ziemlich hoch. Obwohl Wachstum an sich sehr gut ist, macht auch hier die Dosis das Gift.
Es ist wie eine Tasse gefüllt mit Tee, den Du mit einem Löffel umrührst. Solange Du immer in dieselbe Richtung rührst, bleibt das System im Gleichgewicht. Wenn Du den Löffel aber unvermittelt andersherum bewegst, wirst Du wahrscheinlich einiges von dem Tee verschütten, weil der Löffel nun plötzlich „gegen den Strom“ ankämpfen muss.
Das alte Gleichgewicht überwinden
Soll Veränderung wirklich gelingen, muss sie „unter dem Radar“ bleiben, um die Abwehrkräfte Deines Systems nicht auf den Plan zu rufen. Das schaffst Du am besten mit kleinen Schritte, die das momentane Gleichgewicht nicht sofort völlig aus den Angeln heben.
Wichtig ist auch, dass Du Deine Motivation am Brennen halten kannst. Es muss keine lodernde Feuersbrunst sein (die ohnehin nur verbrannte Erde übrig lässt) – ein kleines, aber beständiges Flämmchen reicht völlig aus. Dieses kannst Du mit regelmäßigen kleinen Fortschritten immer wieder anfachen. Veränderung ist ein Ausdauerlauf, kein Sprint.
Du könntest zum Beispiel folgendes ausprobieren:
- Wenn Du abnehmen möchtest, verabschiede Dich fürs erste nur mal von den Sahnetorten, statt Dich von jetzt auf gleich nur noch von trockenen Salatblättern zu ernähren.
- Wenn Du fitter werden möchtest, melde Dich nicht gleich zu den olympischen Spielen an, sondern beginne vielleicht mit 5 Minuten Training, dafür aber täglich.
- Wenn Du Dich selbständig machen oder Dich anderweitig beruflich verändern willst, informiere Dich umfassend, probiere Dich aus oder arbeite nach Feierabend langsam an Deiner Selbständigkeit, statt ins Blaue hinein zu kündigen.
„Wer langsam geht, kommt auch zum Ziel“, hat früher schon immer meine Oma gesagt, wenn ich mal wieder nicht zu bremsen war.
Gute 20 Jahre später nehme ich ihren Rat endlich ernst – sogar wortwörtlich: Statt mit der Zunge am Boden schleifend und meiner Lunge in den Kniekehlen hängend jogge ich jetzt in meinem Tempo und mit Pausen. Begonnen habe ich mit einer Minute laufen, einer Minute gehen. Das ist nun gute zwei Monate her. Seitdem habe ich nach und nach kleine, gute Fortschritte gemacht. Zwar macht mich das nicht gleich zur Sportskanone, aber doch zu einer deutlich sportlicheren Kanone. Etwas hat sich verändert. Und das Beste daran: Joggen ist mir zu einer Gewohnheit geworden – es läuft (fast) wie von selbst.
Mehr dazu unter 10 Gewohnheiten, die Dich nachweislich glücklicher machen und im myMONK-Buch 12 Gewohnheiten, die Dein Leben verändern.
Photo: Tired Woman von Shutterstock
Das finde ich gut. Wir sollten uns kontinuierlich absprechen mit unserem Körper, der bestimmt nicht grundlos träge ist hinsichtlich Veränderung. Dann können wir die Dinge auch beherzter und stimmiger angehen und besser dabei bleiben. Wie Osho es treffend ausdrückte: Der Kopf ist ein schlechter Herr und Meister. Er sollte der Diener des Herzens sein.
Ich kann dir nur zustimmen, die Entscheidung etwas zu verändern muss wohl überlegt sein. Ein Fehler ist am Jahresanfang zu sagen, dass dies mein Jahr ist. Ich bin auch immer daran gescheitert, dass ich mir diesen Vorsatz am Jahresanfang gemacht hab.
Ich hab die wirkliche Veränderung an einem Septembertag getroffen. Es war gar nichts besonderes an diesem Tag, außer das ich gesagt hab, dass ich mein Leben ändern muss. Ich hab mir ein Lebensziel gesetzt und nicht ein Jahresplan vor die Nase gesetzt. Seit fast drei Jahren kämpfe ich täglich, damit ich dieses Ziel erreiche und halte.
Die wichtigste Änderung war, dass ich gesagt mich gibt es auch und ich bin auch wichtig. Dann habe ich entschieden, damit ich mehr Lebensqualität habe, benötige ich mehr Energie. Dies funktioniert einfach nur, wenn ich weniger Gewicht habe. Ich habe mich hier bewusst gegen eine Diät entschieden. Ich habe mich entschieden, dass ich mir keine Verbote erteile und wenn ich etwas ungesundes esse, dann ist es halt an diesem Tag so. Das merkwürdige ist, dass ich seit ich die Entscheidung dafür getroffen habe, ich überhaupt nicht mehr soviel ungesundes esse. Es steht nirgendwo auf einer Liste, dass ich dies nicht essen darf, dadurch hat es den Reiz verloren.
Natürlich habe ich mich bewusst für Sport auch noch entschieden, aber wenn es an einem Tag nicht klappt, dann ist es halt so. Was solls, dann mache ich am nächsten Tag einfach fünf Minuten länger.
Ich hoffe die Reise zu mir selbst kann ich weiter so fortführen….
Sehr schöner Artikel, und so wahr! Tut gut zu lesen. Vielen Dank 🙂
Ich musste auch lernen, dass zwanghafte radikale Veränderungen eher das Gegenteil bewirken. Jeden Tag kleine Verbesserungen, aber dafür konstant! Das hat sich für mich als besten Weg erwiesen.
Ein sehr schöner Artikel!
wunderbar lieber Tim!
mehr möcht ich gar nicht sagen, danke für den Blog! 🙂
Ich kann einer langsamen Veränderung auch zustimmen, alles andere bringt nix. Mit kleinen Schritten, aber stetig zum ZIel bringt den Erfolg. Was auch wichtig ist: Sich nicht zu verdammen, wenn man mal einen „Rückfall“ hat. Ist doch ok. Dann fängt man eben wieder an. Dranbleiben ist die Devise – erst dann werden sich Dinge dauerhaft verändern können.
Danke für diesen Artikel!
Grüße
Nicole
Klasse Artikel!
Ein Gedanke vielleicht noch dazu. Veränderung geschieht immer von innen heraus. Wenn man versucht Veränderungen von außen zu erzwingen, wird das niemals funktionieren. Immer zuerst die Gedankenstrukturen ändern und dann kommt die äußere Veränderung!
Liebe Grüße
Nils
Danke für den klasse Artikel.
Ich bin davon überzeugt, dass kleine Schritte nicht nur nachhaltiger sind, Sie produzieren auch die erstaunlicheren Ergebnisse, wenn man Sie über eine lange Zeit lebt. Jeff Olson hat das sehr eindrucksvoll in seinem Buch „Slight Edge“ aufgezeigt: „Successful people just do the things that seem to make no difference in the act of doing them and they do them over and over and over until the compound effect kicks in.”
Nico
„Eiscreme-Yoga-Pasta-Tanz-Gleichgewicht“ 😀 Ok.
Kleine Schritte, große Vision.
Das funktioniert für mich am gleitensten.
Grüße
Sehr schöner Artikel! 🙂
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine größten Leistungen radikal waren, meine größten Misserfolge allerdings auch. Wo der Unterschied lag? In der Überzeugung.
Ich habe vor fast zehn Jahren einfach so aufgehört Fleisch zu essen, nachdem ich mich mit dem Thema konkret auseinander gesetzt habe.
Vor fast vier Jahren kam dann der radikale, aber sehr überzeugte Schritt vegan zu leben. Und das, obwohl ich die Jahre davor davon überzeugt war, dies NIEMALS schaffen zu können.
Vor wenigen Monaten entschied ich mich, meiner Depression den Rücken zuzukehren und fand plötzlich die Kraft vollständig auf Industriezucker (auch Honig, Nektare, Sirups, Säfte usw) zu verzichten. Beides war seit meiner Kindheit fester Bestandteil meiner Identität (habe ich gedacht).
Ich mache plötzlich wie von selbst Sport und habe wieder ein normales Essverhalten und muss nicht mehr ständig an die nächste Dosis Essen denken. (Vorher absolut undenkbar!)
Ich bin gelassen und positiv geworden. „Einfach“ durch Überzeugung. 🙂
Lieber Tim, wie so oft ein fantastischer Artikel! Seit über einem Jahr lese ich regelmäßig wenn nicht sogar täglich deine Artikel und fühle mich immer wieder dazu angeregt mich oder meine Umwelt zu reflektieren. Allerdings kommentiere ich sehr selten.
„Man muss wollen“, finde ich, ist sehr passend zu diesem Artikel. Aber der Beginn dafür findet immer Kopf statt. Nicht weil die Kollegen oder Freunde sagen „du solltest dein Verhalten mal überdenken, gesünder leben, etc.“, sondern aus deinem eigenen Willen heraus. Manche Dinge passieren auch einfach und man lässt sie zu. Ich habe auch länger überlegt das sich etwas ändern muss und ging spontan mit einer Freundin zum Training. Seitdem gehe ich 2mal die Woche zum Kung-Fu-Training und fühle mich super. (Ich war ein absoluter Sportmuffel!, nicht übergewichtig oder so, aber eher der Spaziergänger). Auch im Studium fehlte mir der Elan, der nun wieder da ist.
Als hätte ich das letzte Jahr einfach mal „Pause“ auf einer Bank gemacht und gehe nun weiter zum Gipfel. Allerdings ohne große Anstrengung, sondern mit gesammelten Kräften und neuer Motivation. Kleine Schritte und Überwindung sich auch eine schlechte Phase zuzugestehen, kann einen sehr Weit bringen. Auch mein Musiklehrer predigte mir damals immer: „Langsam dann gehts schneller“, wenn ich etwas holprig beim Spielen oder Üben wurde.
Mit Pausen und dem Annehmen von Veränderungen oder unplanmäßigen Situationen kann man viel aus sich heraus holen.
Hi Tim,
danke für den tollen Post!
Als langjähriger Kämpfer, der immer wieder hingefallen ist, mal mit mehr, mal mit weniger „dicken“ Wunden und aber trotzdem immer wieder aufgestanden ist und versucht hat zu ergründen, warum es denn jetzt wieder schief gelaufen ist, kann ich Dir nur zustimmen!
Auch wieder ein sehr schöner Erfahrungsbericht zum Thema Motivation/Disziplin. Ich denke, das Thema ist wichtig genug, um es von allen Seiten zu betrachten und zu hinterfragen. In extremen Fällen kann man ja sogar an Übersteigerung von Disziplin sterben.
Wo also ist Motivation gesund und wo beginnt Manipulation und wo wird die Übersteigerung so richtig gefährlich?
Man kann auch fragen: Wie viel Kraft kostet die Überwindung und die Überstimmung des Körpers, der zumindest einen Prozess braucht, um sich auf ein Ziel einzustimmen? Aber auch: Welchen Mangel empfinde ich oder welches Hochgefühl will ich dringend haben?
Bin ich nicht geneigt, darauf zu achten, ob ich innerlich (schon) bereit bin, mir dieses Ziel zu setzen, oder der Körper sendet bereits deutlich ablehnende Signale und ich will sie wegschieben? Dann bin ich vielleicht geneigt, mein Gesamtsystem zu manipulieren oder manipulieren zu lassen. Mir Illusionen zu machen. Gründe zu finden. Der Kopf scheint gut darin zu sein, mit so was auf Mängel oder erwartetes Scheitern zu reagieren. In Illusionen zu gehen, in denen die Welt viel angenehmer ist. Der Antrieb scheint nicht selten von anderen Menschen verstärkt oder gar ins Leben gerufen zu werden. Sicherlich meinen es viele Menschen gut, wenn das so ist. Und ohne Absichten und Ziele sind wir wohl eher untätig und können unsere praktischen Bedürfnisse kaum bedienen.
Die Antworten muss wohl jeder für sich finden, oder auch leidvoll erfahren. Doch ich glaube, dass es hilfreich sein kann, sich immer wieder mal diese Fragen zu stellen. Und zunehmend bewusster zu werden und auch mit dem Körper zusammen zu arbeiten. Der Körper teilt sich mit in Form von Gefühlen. Es ist an uns, diese ins Bewusstsein dringen zu lassen. Der Körper kann uns vielleicht sogar anstrengungslos zusätzlichen Antrieb liefern. Indem wir eben auf Gefühle und Stimmigkeit achten, oder besser noch, stimmige Gefühle fokussieren und damit Vertrauen in uns stärken.