Text von: Lena Schulte
Wie gut ich doch das Gefühl kenne, dass alles in meinem Leben viel zu langsam vorangeht. Dass ich ganz und gar nicht da bin, wo ich eigentlich sein sollte. Und das Glück noch in weiter Ferne liegt. Warum ist das so?
Glück will gelernt sein. Doch auch Unglück will gelernt sein. Genauer: Es muss gepflegt werden. Durch Gewohnheiten, die mir – und Dir vielleicht auch – oft gar nicht mehr bewusst sind. Und die einen gerade deshalb gefangen halten.
Hier sind zehn dieser Gewohnheiten:
1. Ständige Negativvergleiche
Vergleiche sind wichtig. Sie helfen uns, einen Platz zu finden. Doch zu oft machen wir daraus einen verbissenen Wettbewerb nach der besten Biografie. Meist richten wir dabei die größte Lupe der Welt ganz sorgfältig auf genau das, was uns gerade (noch) fehlt und der andere hat. So wird das Gesamtbild unscharf.
Lange Zeit wollte ich unbedingt das Leben eines Freundes führen. Er kam mir immer vor wie ein Glückspilz. Egal, was er sich vornahm, ob es um Karriere, Noten oder Partnerschaften ging – ihm gelang alles mit Leichtigkeit. Ich hätte sofort mit ihm getauscht. Dann erhängte sich sein Vater. Und ich bemerkte, wie vermessen meine Vergleiche waren.
2. Auf die Erleuchtung warten
Da warten wir auf unsere „wahre Bestimmung“, auf die erfrischende Klarheit über unser Selbst. Doch sie kommt nicht. Oder die große Erleuchtung schimmert ab und zu mal am Horizont … und verschwindet dann auch gern mal wieder. Ich selbst weiß manchmal mehr und manchmal weniger, wer ich bin, was ich kann und wo es hingehen soll.
Nicht nur einmal hat sich so manch große Erkenntnis verwischt oder mit der Zeit verändert. Aber das ist kein Versagen. Manche Klarheiten bleiben eben (zum Glück) nicht für immer so klar. Und dann müssen wir eben wieder eine Weile lang durch den Nebel wandern.
3. Auf die rettende Zukunft warten
Seit Anbeginn der Menschheit ist „morgen“ wohl der Tag, an dem wir endlich unser Potenzial entfalten und unsere Träume in Erfüllung gehen. Aber gestern war heute auch schon morgen.
Manche Dinge mögen sich durch das Eintreten der Zukunft von allein regeln. Aber das zählt nicht für die Gewohnheiten, die uns unglücklich machen. Oder für Lebensumstände, mit denen wir grundsätzlich unzufrieden sind. Wenn ich mich dabei erwische, wie ich mein Glück wieder auf morgen verschiebe, sage ich mir inzwischen: In einem Jahr würdest du dir wünschen, heute mit einem winzigen kleinen Schritt angefangen zu haben.
4. Gedanken zu ernst nehmen
Wir wissen Bescheid. Warum wir keine Liebe verdient haben. Warum wir keinen guten Job bekommen. Warum die Leute immer auf uns herabsehen (scheinbar). Unser Gehirn hat alle Antworten. Wie oft verliehen mir meine Gedanken schon die „Weil du einfach scheiße bist“- Ehrenmedaille? Das hilft nicht, dennoch denken wir gern, wir sind unsere Gedanken. Primär aber haben wir nur Gedanken. Und gerade die, die uns unglücklich machen, sollten wir prüfen. Denn auch dass wir sie vielleicht schon hunderttausend Mal hatten, macht sie noch lange nicht wahr.
5. Die Ratschläge anderer zu wichtig nehmen
Guter Rat ist teuer. Und glücklicherweise kann man schnell googeln, was Buddha zu sagen hat, wenn die Ehe den Bach runtergeht. Nichts gegen Buddha, aber mit Lebensweisheiten und Ratschlägen anderer ist es wie mit unseren eigenen Gedanken: Sie ungeprüft zu übernehmen kann gefährlich sein. Das verbannt uns in eine passive Position und lässt unseren eigenen Intuitionsapparat rosten.
6. Ungeduldig sein
Kurz nachdem meine Großeltern sich kennen lernten, zog meine Oma weit weg. Acht Jahre lang konnten sie sich nur schreiben. Als ich meinen Opa fragte, wie er so viele Jahre des Wartens auf Oma aushielt, sagte er:
„Wenn man aus tiefstem Herzen weiß, dass gute Dinge Zeit brauchen, dann kann nur Geduld zum richtigen Ziel führen.“
Gut, man muss es mit der Geduld nicht übertreiben. Aber man muss sich auch nicht wundern, wenn man mit 200 durch die Spielstraße brettert und einen Unfall nach dem anderen baut. Wir haben alle eine eigene individuelle Lebensgeschwindigkeit. Die Frage ist nur: Kenne ich sie überhaupt noch? Und kann ich zwischendurch überhaupt noch durchatmen?
7. Den Ruf seines Herzens vernachlässigen
Endlich auswandern, endlich mal Akkordeon lernen, das Herz ruft „Bitte, bitte“ – aber leider nein, keine Zeit, der heilige Alltag ruft. Und die Herzenswünsche müssen warten. Vielleicht haben wir Zweifel, vielleicht haben wir Angst … aber vielleicht haben wir einfach nur noch genug Ausreden parat. Unser Herz wird traurig und unsere Unzufriedenheit groß, wenn wir diese Dinge auf Dauer vernachlässigen.
8. Immer nur auf Sicherheit setzen
Neues zu probieren kann schiefgehen. Kann aber auch die beste Entscheidung deines Lebens werden. War uns als Kindern doch auch egal, dass es fürs Fahrradfahren keine Sturzgarantie gab. Oder was die anderen dann wohl denken würden.
Kleine Info (auch und vor allem an mich selbst): Den anderen ist es ziemlich egal, was wir tun und ob wir mal scheitern. Sie merken es in der Regel nicht einmal. Denn sie sind mit sich selbst beschäftigt. Aber für uns ist es wichtig, was wir tun. Und dass wir ab und zu mal ins kalte Wasser springen.
9. Opfer spielen
Die Welt gegen mich. Warum passiert das immer nur mir? Warum bekommt die so einen Traummann ab und ich nicht? Weil Traummänner nicht auf selbstmitleidige Schmollmöpse stehen? Nee, das Schicksal ist gegen mich!
In meinen gelegentlichen Phasen als leidenschaftliches Opfer kann ich mich vor allem gut beschweren. Dann fällt es mir schwer einzusehen, dass nicht die Welt und mein Leben voller Dreck sind, sondern mein Wahrnehmungsfilter. Dummerweise führt das oft zu selbsterfüllenden Prophezeiungen, die unser Unglück weiter vergrößern.
10. Die Realität verweigern
Was kann uns noch mehr zerstören als die Realität? Sie zu verweigern. Der amerikanische Autor Thaddeus Golas hat sinngemäß geschrieben:
„Wenn Du lernst, die Hölle zu lieben, bist Du im Himmel. Und wenn Du die Hölle nicht lieben kannst, dann liebe Dich erst einmal dafür, sie nicht lieben zu können.“
Das Leben passiert und niemand ist davor sicher. Doch wir können unsere Aufmerksamkeit lenken, wenn sich gerade alles andere nicht mehr lenken lässt. Ich denke, das ist so ziemlich immer ein guter erster Schritt.
Auch, wenn die Dinge manchmal anders laufen als gewünscht: Keiner von uns ist dazu verdammt, unglücklich zu sein. Oft ist das Unglück eben nicht viel mehr als eine Ansammlung schlechter Gewohnheit, die wir auch wieder loswerden können.
Mehr unter 10 Gewohnheiten, die Dich nachweislich glücklicher machen und im myMONK-Buch 12 Gewohnheiten, die Dein Leben verändern.
Photo: Sadness / Shutterstock
Der blog-Beitrag von Lena Schulte ist gedanklich prima erarbeitet und knackig bis salopp aber immer informativ geschrieben. Kein Psychologen-Exkurs sondern praktisch, ehrlich, leseleicht. Und man spürt, dass sie weiß, wovon sie redet. Schön, dass mir jemand mal die Wahrheit eröffnet. Danke 😉
Also bewusst bleiben, um dabei den eigenen Zustand mindesten bei Wertschätzung (und damit auch annehmend) zu halten, so gut es geht. Und dabei auch Authentizität und Vertrauen kultivieren. Ich finde, das ist eine gesunde Haltung.
LG Richard
Lena, ich mag Deine Art zu schreiben und wie Du das Leben siehst. Schön, dass Du da und jetzt auch hier bist! 🙂