Wenn mir etwas Unerwünschtes zustößt, hadere ich mit meinem Schicksal, verfluche es, schmeiße mich auf den Boden und höre wütend Musik für deprimierte Teenies. Wochen, Monate oder Jahre später stelle ich dann oft fest, dass mir nichts Besseres hätte passieren können. Und vieles, was so gut schien, entpuppte sich im Nachhinein als üble Falle, als ein glänzend polierter Klumpen Kacke.
Ich erlebe, wie die Dinge umschlagen, ihre Richtung wechseln (wie die Schaukel auf dem Bild oben).
So geht es vermutlich vielen von uns.
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Der Religionsphilosoph Alan Watts sagte dazu:
Die ganze Natur ist ein integrierter Prozess von immenser Komplexität. Es ist unmöglich zu sagen, ob ein Geschehnis gut oder schlecht ist – weil man nie weiß, was die Folgen eines „Unglücks“ oder eines „Glücksfalls“ sind.
Ein Beispiel:
Millionen Menschen spielen jede Woche Lotto. Aber 44% der Millionen-Gewinner sind nach fünf Jahren bankrott, komplett abgebrannt, mieser dran als vorher. Etwa ähnlich viele sind nach dieser Zeit geschieden. Ob der Rest durch den plötzlichen Geldsegen wirklich glücklicher ist?
Oder andersherum:
In meinen dunkelsten Stunden – als ich an einsamen Tagen hinter zugezogenen Gardinen mehr Alkohol als Lebenswillen im Blut hatte – wurden die ersten Samen gesät für myMONK. Unsichtbar waren sie, und es brauchte eine Menge Zeit und Licht, bis sie aufgingen … aber heute schreib ich für etliche hunderttausend Leser im Monat und kann davon leben. Ob das ohne den erlebten Schmerz passiert wäre?
Wir wissen so wenig über das Leben. Und wir urteilen so schnell, entscheiden über Gut und Schlecht … ohne Kenntnis, was das Gute an Schlechtem in sich trägt und das Schlechte an Gutem.
Wie in dieser berühmten Geschichte aus dem Taoismus:
Ein Bauer hatte ein Pferd. Eines Tages lief es fort. Der Bauer und sein Sohn mussten die Felder nun selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!” Aber der Bauer antwortete: “Man wird sehen.”
Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn. Aber der Bauer sagte nur: “Man wird sehen.”
Kurz danach wollte der Sohn des Bauern eines der wilden Pferde reiten. Dabei wurde er abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder nur: “Man wird sehen”.
Ein paar Tage später zog der Herrscher des Landes alle jungen Männer in sein Heer ein, damit sie in die Schlacht ziehen. Doch den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: “Was für ein Glück, dass Dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: “Man wird sehen.”
Wenn uns das Schicksal gerade das Bein gebrochen hat, oder beide Beine, oder das Herz, dann tut das weh, dann kullern Tränen, verkümmern Pläne.
Aber ist vielleicht ist es nicht nur schlimm? Vielleicht ist es der Grundstein für etwas Gutes, sogar Großartiges?
Wir werden sehen.
Siehe auch: Von Leid befreien mit einer einfachen Frage.
Photo: Thomas Leuthard
Ich bin gerade in einer solchen Situation,wo ich denke es ist vllt für was gut. Manchmal hilft es aber nicht immer….
Derzeit wünsche ich mir eigentlich nur Sachen, die für andere einfach nur täglich selbstverständlich sind. Ich rackere mich ab und es klappt nichts oder es geht total schief….da sehe ich absolut keinen Sinn darin. Denke wohl, es kommt auf die Wünsche an.
Den Gedanken hatte ich in Phasen schwerer Depression häufig: Was kann ich aus diesem schlimmen Zustand mitnehmen, wenn die Sonne um mich herum wieder aufgeht? Vor allem Dankbarkeit, dass ich die meiste Zeit meines Lebens morgens aufstehen kann, den Tag anpacken und schöne Dinge erleben kann. Jeder der schon einmal wirklich depressiv oder auch anders schwer krank war, kennt das glaube ich. Weil man sich in solch schweren Zeiten nichts sehnlicher wünscht als einfach nur wieder normal leben zu können. Das klingt so abgedroschen, aber es ist tatsächlich so. Die Prioritäten verschieben sich, was im Idealfall dazu führt, dass man glücklicher und zufriedener lebt.
,,, herzlichen Dank für den wunderbaren Beitrag, ich habe ihn an eine Freundin weitergeleitet, für die er heute besonders gut passt…
Lieben Gruß
Antje
PS: Wo findest du immer diese ausdrucksstarken Fotos?
Danke für den Beitrag. Ich habe vor einigen Jahren begonnen, so meine gescheiterten Beziehungen zu reflektieren. Am Anfang ist man traurig und möchte alles rückgängig machen, doch wenn mal etwas Gras drüber gewachsen ist sehe ich was es mir persönlich an Erfahrung und wichtigen Entscheidungen gebracht hat, ohne die ich heute nicht da wäre wo ich bin: viel Selbstbewusster und gehe mehr meinen Interessen/Talenten nach, als 40 Stunden im Büro zu vergammeln.
Danke für diesen tollen Impuls, Tim! „Es ist für etwas gut“ ist einer meiner Lieblingssätze zusammen mit „es ist wie es ist“ 🙂 Wenn man den nötigen Abstand hat und jede Aktion dankbar zur Kenntnis nimmt, bekommt man eigentlich immer heraus, wofür es gut war. Jeder Ärger, jede Hürde, jede gescheiterte Beziehung, jeder Rückschlag. Manchmal muss uns „das Leben“ eben etwas zu unserem Glück schieben. Wir dürfen die Zeichen von Außen, genauso wie die unseres Körpers nicht ignorieren <3
„Es ist, wie es ist.“ Den Satz mag ich auch sehr. Hat was sehr beruhigendes in Situationen, die man gerade nicht ändern kann und hält davon ab damit unnötig zu hadern.
definitiv und die Erkenntnis, auch mal „etwas nicht ändern zu können“ oder gar zu müssen ist auch wieder beruhigend. Beobachten, annehmen und fließen lassen. Wenn es gelingt, kann das die großartigsten Dinge hervorrufen 🙂
Die taoistische Geschichte ist wunderbar.
Mir hilft es immer besser, die Dinge einfach auf mich zukommen zu lassen. Das viele Gedanken machen und hätte-könnte-wenn-und-aber hat mich immer ganz kirre gemacht.
Es scheint also ganz gut zu sein, etwas taoistischer an die Sachen heranzugehen …
Merci vielmal!
Fussige Grüsse, Jana
*kopfnickend* das hab ich auch erst vor ein paar Tagen erlebt.. diesen Augenblick wo ich auf einmal wusste: „es war gut so, wie es verlaufen ist!“
Hugs,
Linda
Es könnt leicht minder sein…
[…] Dankbar sein, auch für die Dinge, die wir uns anders vorgestellt hätten. Uns erinnern, wie sehr wir an den Herausforderungen der Vergangenheit gewachsen sind. Und daran denken: Man weiß nie, wofür’s gut ist. […]
Die beste Geschichte die ich je von dir gelesen hab. Und ich lese alle… 🙂
Danke für seine wundervollen und so wahren Texten. Ich kann das alles nur bestätigen so nach dem Motto: man wird sehen (einstweilige bin ich noch blind)…😉
Hat mich heute voll erwischt, die Geschichte. Also gut…“Man wird sehen“
[…] Quelle:myMONK.de | Für innere Ruhe und verwirklichte TräumeVeröffentlicht = Mittwoch, den 10.08.2016https://mymonk.de/glueck-und-unglueck/ […]
[…] Geschichten aus dem Taoismus findest Du unter Sei wie der hässliche Baum und unter Du kannst nie wissen, wofür es gut ist. Siehe auch Warum unsere Gesellschaft so kaputt […]
Woooow…Aus so einer Depression die mit Alkohol „betäubt“ wurde ist also My Monk entstanden….
Wundebare Geschichte.Meine Gratulation!
LG Tatjana
Und die Geschichte mit dem Pferd hörte ich vor kurzem von Taufpaten von meinem Sohn..aber auf meiner Muttersprache…ich finde es auf deursch noch schöner:)….unglaublich dass ich auf diese auch hier stößt
Umarmung an die Welt:)
Super
Sehr kraftvoll finde ich auch „ich existiere“, das die Seele spricht. Und sie gibt es ewig. Ansonsten kenne ich die Geschichte von Kurt Tepperwein, der dazu sagt „urteile nie!“
Obwohl ich diesen Artikel schon häufiger gelesen habe, ploppt er immer mal wieder auf und hält mich dazu an, ihn wieder zu lesen… und ich lese ihn immer wieder gerne und habe auch schon erfahren, dass etwas, was ich nicht bekam oftmals eine tolle Fügung des Schicksals war… also, komme was wolle, ich werde schon sehen 😀
Ich sage immer: „ aus jeder Scheiße wächst ein Blümchen!“ war in meinem Leben noch immer so!😍