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Es folgt ein Gastbeitrag von Peter Beer.

 

„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“, so Friedrich Nietzsche vor mehr als 100 Jahren. Leider passt diese Maxime des deutschen Philosophen nur noch bedingt auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts.

Immer mehr Menschen zerbrechen an den Belastungen und Krisen, die ihnen die moderne Gesellschaft stellt.

Für manche von uns hingegen scheint Nietzsches Behauptung zu stimmen: Sie stellen sich der Herausforderung, bleiben standhaft und wachsen daran. Diese Menschen scheinen eine innere Kraft zu besitzen, die sie in schweren Zeiten auf Kurs hält. Sie besitzen ein gewisses Maß an Widerstandskraft, um unter schwierigen Bedingungen einen klaren Kopf zu behalten. Sie sind in der Lage, persönliche Krisen zu überwinden, wenn andere einknicken.

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Wo ist der Unterschied zwischen diesen beiden Extremen?

Die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten dieser Frage angenommen. Unter dem Begriff Resilienz forschen verschiedene wissenschaftliche Disziplinen an dem Phänomen.

Wichtige Grundlagen für ein resilientes und kraftvolles Leben werden bereits in der Kindheit gelegt. Dabei haben sich die folgenden sechs Wachstumsbedingungen herauskristallisiert:

  • Eine enge emotionale und verlässliche Bezugsperson
  • Positive Vorbilder in Bezug auf Umgang mit Schwierigkeiten
  •  Individuell auf das Kind angepasste Leistungsanforderungen
  • Menschliche Unterstützung bei unseren Herausforderungen
  • Wohldosierte Verantwortung und kontinuierliches persönliches Wachstum
  • Ausgewogene Balance von Freiheit und Grenzen

Eine Liste, in der sichnur die wenigsten Menschen in jedem Punkt wiedererkennen. Eine gute Nachricht an all diejenigen, die in der Kindheit nicht die nötigen Wachstumsimpulse bekommen haben:

Es ist im Erwachsenenalter auch noch möglich, eine resiliente Persönlichkeit zu entwickeln.

Neue wissenschaftliche Ergebnisse zeigen eindrucksvoll: Unser Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich in jedem Lebensalter weiterzuentwickeln und neue Verknüpfungen zu schaffen. Jeder kann die nötige Widerstandskraft entwickeln und trainieren. Es zeigte sich sogar, dass weniger resiliente Menschen das mit Abstand größte Potenzial zur Entwicklung zeigten.

Dabei gibt es verschiedene Bereiche, in denen wir uns persönlich weiterentwickeln können, um uns auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

1. Auf sich achten und Entspannung finden

Niemand ist 24 Stunden am Tag in der Lage, Leistung zu bringen und den Schwierigkeiten des Alltags zu trotzen. Darum wissen widerstandsfähige Menschen ganz genau, dass sie sich Ausgleich, Genuss und Entspannung gönnen dürfen. Gemeint ist Sport, ein erholsamer Urlaub, eine Portion Humor oder ein positiver Start in den Tag.

Ein entspannter und ausgeglichener Geist kommt nicht so schnell aus der Balance, wenn äußere Belastungen am Leben rütteln. Jeder, der die Fähigkeit besitzt, nach einem anspruchsvollen Tag in die Entspannung zurück zu finden, gibt seinem Körper und seinem Geist die Möglichkeit zur Regeneration. Dabei steht uns heutzutage ein ganzes Arsenal an Entspannungsmethoden zur Verfügung. Wir brauchen uns nur auf den Weg zu machen, das Passende zu finden und uns die Zeit nehmen, es zu erlernen.

2. Mehr Bewusstsein entwickeln

Wenn wir uns Zeit nehmen, unser eigenes Stressverhalten genauer unter die Lupe zu nehmen, wo die „roten Knöpfe“ und die „wunden Punkte“ sind, können wir diesen in der Zukunft anders begegnen. Sobald wir anfangen, unser eigenes Verhalten besser zu verstehen, können wir ungünstigen Verhaltensmustern frühzeitig entgegensteuern, bevor die Situation eskaliert und wir uns hilflos und gestresst im Alltag verlieren.

Wie geht das?

Führe ein Stressprotokoll. Nimm dir eine ganze Woche Zeit, um dich selbst und deine Umgebung zu beobachten. Das Stressprotokoll darf hierbei dein täglicher Begleiter werden. Fülle es immer bei einer akuten Belastungssituation oder unmittelbar danach aus.

Führe mit den folgenden Fragen das Protokoll:

  • Was stresst mich gerade?
  • Woran erkenne ich als Erstes, dass ich gestresst bin?
  • Wann und wo tritt es auf?
  • Was oder wer verursacht den Stress?
  • Wie bewerte ich die stressige Situation?
  • Was fühle ich, wenn ich gestresst bin?
  • Wie reagierte ich bisher auf den Stress?

3. Neue Mentale Strategien aufbauen

Ob wir unter belastenden Situationen zusammenknicken oder gestärkt daraus hervorgehen, wird maßgeblich von unseren mentalen Strategien bestimmt. Die graue Masse zwischen unseren Ohren ist dafür verantwortlich, wie wir auf unsere Umwelt reagieren und wie wir unser Potenzial einsetzen. Das beginnt damit, welche Bedeutung wir den Dingen im Außen geben und endet mit einem gesünderen Umgang mit unseren eigenen Emotionen.

Eine kleine Übung möchte ich dir sofort mitgeben:

Die Toilettenmeditation:

Die Toilettenmeditation ist perfekt für die Arbeit (solltest du Zuhause sein, musst du nicht unbedingt auf die Toilette gehen 😉 ). Wann immer du dich angespannt, ausgelaugt oder unruhig fühlst, nimm dir 5 fünf Minuten Zeit, genau das zu fühlen. Setze dich hin, atme 3 Mal tief ein uns aus und lenke dann einfach deine Aufmerksamkeit nach innen. Schenke dir die Zeit, die Emotionen und körperlichen Symptome zu fühlen. Anfangs mag das unangenehm sein, weil du die Regungen am liebsten „weghaben“ willst. Aber mit der Zeit erkennst du, dass der angenehmste Weg, die eigenen Gefühle in Balance zu bringen, der natürliche Weg ist. Symptome wollen wahrgenommen werden. Tun wir es, strebt unser Körper automatisch nach Ausgleich.

4. Äußere Belastungen eliminieren

Widerstandsfähige Menschen lösen ihren Stress nicht nur in sich selbst. Sie besitzen konkrete Problemlösestrategien, mit denen sie den Schwierigkeiten im Außen begegnen.

Wie geht das?

Das Lösen von Konflikten und Problemen folgt 5 Schritten:

  1. Das Problem erkennen
    • Was stresst mich?
    • Wie bewerte ich die Situation?
    • Kommt der Stress von außen oder setze ich mich selbst unter Druck? Oder beides?
  2. Lösung finden
    • Wie kann ich die Situation aktiv beeinflussen?
    • Wer kann mich unterstützen?
    • Wie kann ich die Situation positiv beeinflussen?
    • Was würde mein Vorbild in Sachen Stress in dieser Situation tun?
  3. Planen
    • Welche Schritte darf ich konkret umsetzen? Wann? Wo?
    • Was könnte mir im Weg stehen?
    • Wie kann ich das aus dem Weg räumen?
  4. Handeln
    • Tu es!
  5. Analyse
    • Was hat funktioniert?
    • Was darf ich noch verbessern?
    • Habe ich etwas übersehen?
    • Was werde ich das nächste Mal anders machen?
    • Was brauche ich noch für den nächsten Versuch?
    • Woran erkenne ich, dass es überhaupt ein Problem ist?

5. Die eigene Zukunft gestalten

Ein resilientes und starkes Leben bedeutet nicht nur, mit den aktuellen Herausforderungen umgehen zu können, sondern im Leben Sinn zu finden und das Handeln nach eigenen Werten und Normen zu gestalten. Widerstandsfähige Personen orientieren sich an ihren eigenen Werten und gestalten aktiv ihre Zukunft.

Neben den 6 Wachstumsbedingungen, die bereits in der Kindheit angelegt wurden, habe ich dir (jetzt) die 6 wichtigsten Bereiche gezeigt, an denen du konkret wachsen kannst. Die spannende Frage ist:

Wo beginne ich jetzt?

Beginne mit dem Bereich, den du bisher vernachlässigt hast. In meinen Seminaren und Coachings begegne ich immer wieder einem spannenden Phänomen:

Wenn ich Führungskräfte und Ingenieure trainiere, sind diese meist hervorragend in der Lage, Probleme und Schwierigkeiten im Außen zu lösen. Was wenig verwunderlich ist, da ihre tägliche Aufgabe das Lösen von Problemen ist. Sie versuchen ihren Stress und ihre Belastungen fast immer mit effizientem Zeitmanagement, Verbesserung der Strukturen und Kommunikation im Außen zu lösen.

Wenn ich dagegen Coaches ausbilde oder im sozialen Bereich Seminare gebe, beobachte ich das gegenteilige Phänomen. Diese Menschen versuchen fast immer, den Stress des Alltags im Innen zu lösen. Sie schauen in sich hinein, versuchen den Dingen eine neue Bedeutung zu geben, ändern ihre Einstellung oder finden einen Umgang mit den eigenen Emotionen. Selten lösen sie Widrigkeiten im Außen.

Finde heraus, wo du deinen Stress und deine Schwierigkeiten bisher gelöst hast. Hast du den Stress im Außen gelöst, z.B. durch bessere Zeitplanung, Vermeidung der Situationen oder Freiräume? Oder hast du die Belastung im Innern gelöst, beispielsweise durch Neubewertung der Situation?

Egal auf welche Weise du bisher den Stress und die Belastungen des Alltags gelöst hast, du kannst lernen, Kompetenzen in den anderen Bereichen aufzubauen, um einen ganzheitlichen, entspannten, und flexiblen Umgang mit den Herausforderungen des Lebens zu entwickeln.

(Siehe auch: 13 Dinge, die mental starke Menschen nicht tun.)

 


Autor:

Peter Beer ist Coach und Autor mehrerer Sachbücher. Wann immer er eine freie Minute findet, bringt er das auf Papier, was er sonst in seinen Seminaren, Coachings und Vorträgen weitergibt. Sein neues Buch: Radikal STRESSFREI.


Photo (oben): Hernán Piñera