Teile diesen Beitrag "Weniger besitzen ist gut. Weniger wollen ist besser."
Neulich habe ich mein Kellerabteil ausgeräumt. Er war so voll, dass die Tür nicht mehr aufging. Ich musste sie ausheben. Dann habe ich in der Wohnung weitergemacht. Kubikmeterweise altes Gerümpel und alte Klamotten ausgemistet. Hinterher einige Regale und Kommoden abgebaut, die nun nicht mehr nötig waren.
Überrascht hat mich, wie anders sich der leere Keller anfühlt, über den ich sonst eigentlich nie bewusst nachdachte. Vielleicht ist es so, wie Sigmund Freud sagte: der Keller steht für unsere unbewussten Laster und Seelenregungen, spiegelt die Belastungen unserer Psyche wieder, wie bei der sprichwörtlichen „Leiche im Keller“. Leichen hab ich in meinem Gott sei dank nicht gefunden, und trotzdem hat es mir sehr geholfen, mich dem verdreckten und verdrängten Altlasten da unten zu stellen und mich von ihnen zu lösen.
Ich fühle mich jetzt klarer, weniger abgelenkt, weniger belastet, freier.
Weniger besitzen ist gut.
Aber es ist nicht alles. Und es ist alles nichts, solange wir nicht zufrieden sind mit dem, was wir haben.
Minimalismus-Blogger Joshua Becker schreibt von einem Freund, der sehr nervös war. Was denn los sei, fragte er ihn.
„Weißt Du, für das Wochenende haben wir ein paar neue Freunde zum Essen eingeladen … und ich schäme mich ein bisschen für unser kleines Haus. Letzte Woche waren wir zum ersten Mal bei ihnen. Joshua, die Bude war nicht nur riesig und wunderschön, sondern auch fantastisch eingerichtet. So etwas hab ich noch nie gesehen! Was werden die nur denken, wenn sie hier bei uns sind?“
Das ist traurig, denn den neuen Freunden wird es, wenn sie ihr Herz am rechten Fleck haben, doch um die gemeinsame Zeit gehen und nicht um die Quadratmeter. Entscheidend ist, ob man sich wohlfühlt, ob es ein liebevolles Heim ist, und nicht, wie viele Schritte man von der einen zur anderen Wand laufen kann.
Trotzdem: Ich kann das gut nachvollziehen. Scham ist mir nicht fremd, im BWL-Studium an der LMU München war ich von lauter Rich Kids umgeben. Und in unserer Welt, in der das Materielle so stark überbewertet wird, vergleichen wir unseren Besitz eben umso eher mit dem anderer Menschen (natürlich vor allem mit denen, die mehr haben).
Doch das muss nicht so bleiben. Wir können unsere Aufmerksamkeit immer wieder zurücklenken auf uns. Die Sorge, was andere denken, nur wahrnehmen und einfach weiterziehen lassen. Uns bewusst machen, was für uns wirklich zählt. Erfahrungen sammeln, wie gut weniger Ballast tun kann und wie frei wir werden, wenn wir uns nicht mehr abstrampeln, nur um irgendwen zu beeindrucken mit Klamotten, Autos, Möbeln und Wohnflächen.
Wir können loslassen. Nicht nur Dinge, sondern vor allem Lebensmodelle, die nicht mehr zu uns gehören, die nur noch altes Gedanken-Gerümpel sind. Mit der Zeit werden das Vergleichen, das Habenmüssen, das Hetzen, die Sorge um die Meinung der anderen mehr und mehr verschwinden und Raum schaffen für das Glück und für die tiefe Erkenntnis:
Weniger besitzen ist gut. Weniger wollen ist besser.
Siehe auch: Leben, als wohnte man in einer Blockhütte im Wald (der Rat eines Aussteigers) und Du willst entrümpeln? Befreie Dich von diesen 10 Dingen zuerst.
Photo: m01229
Hallo Tim,
wie lustig, der Artikel passt gerade. Genau das mach ich auch zur Zeit. Ausmisten in jeder noch so kleinsten Ecke, alles an Ballast loslassen, alles weg- und weitergeben, was eh nur ungenutzt rumsteht oder -hängt. Anderen eine Freude machen mit Dingen, die man (viel) zu viel hat. Platz schaffen. Nicht für Neues, sondern für Raum, für Weite. Je weniger man besitzt, umso weniger muss man auch putzen, sich kümmern, beiseite schieben. Konzentrieren auf das Wesentliche statt auf das Haben.
Es gibt viel Wichtigeres als Besitz.
Freut mich sehr, dass es dir nun besser geht und du NOCH klarer bist.
Alles Liebe,
Jazz
Wenn wir entrümpeln, kommt unweigerlich das „Weniger wollen“. Allerdings glaube ich, dass es wichtig, die Dinge in seinem eigenen Tempo loszulassen. Ich habe schon oft erlebt, dass Leute mit der entstandenen Leere nach dem Entrümpeln nicht zurecht gekommen sind, und alles wieder zugekauft haben.
Wenn man Schritt für Schritt loslässt, fällt es dann auch leichter weniger zu wollen, und auch alte Lebensmodelle und Gedanken-Gerümpel loszulassen.
Ja das eigene Tempo und das eigene bewusste Ausmisten halte ich auch für sehr wichtig. Da stimme ich Birgit zu, Wenn der Prozess des Loslassens nicht richtig gelebt wird, dann steht um Handumdrehen wieder alles voll. Hab ich an mir schon mehrfach erlebt.
Schöner Text. Motiviert mich, bald mal wieder an Abstellkammer und Speicher ranzugehn.
Klasse Artikel, erstmal gebookmarked weil es eines meiner größten Probleme ist.
Da es mir früher immer extrem unangenehm war das meine Eltern sich für mich und uns etc nicht viel leisten konnten und man nicht ,,mithalten“ konnte mit anderen, bin ich jetzt wo ich allein lebe, getrieben davon diesem Defizit immer nachzukommen.
Dabei ist es einfach nicht wichtig. Etwas was ich mir immer wieder vor Augen halten muss.
Lieber Tim,
ich denke, das „weniger wollen“ ist einer der Knackpunkte für ein glückliches Leben. Nur, wer sich nicht immer an materiellen Werten messen und vergleichen muss, kann wirklich frei sein.
Wie Birgit sagte, denke ich auch, dass das ein Prozess ist. Entrümpeln und dem ganzen Kram ins Auge schauen, wie wenig er doch über einen selbst aussagt, ist ein guter Weg. „Du bist nicht Dein Besitz“ 🙂
Liebe Grüße,
Nicole
Hi Tim,
ich stimme dir absolut zu. Dazu fällt mir das Zitat aus Fight Club ein: „Von dem Geld dass wir nicht haben, kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die wir nicht mögen.“
Ich hab generell recht wenige Sachen, nur mein Sportgeräte die ich regelmäßig nutze und meinen Computer zum arbeiten. Wenn dann andere Leute mein Zimmer sehen, oder meinen recht leeren Kleiderschrank sehen, sind sie immer überrascht. Dann habe ich oft den Eindruck, dass ich mehr brauche, obwohl das Schwachsinn ist.
Liebe Grüße
Dario
Das ist auch gerade eines meiner Themen. Ich habe mich entschieden meine Arbeitszeit wegen ständiger Überlastung auf 30 Stunden zu reduzieren. Erst dachte ich, oh je, dann habe ich natürlich auch weniger Gehalt. Dann habe ich überlegt, für was ich mein Geld eigentlich ausgebe und festgestellt, dass ich das meiste nicht brauche, da es immer nur kurzfristig Freude bereitet, Klamotten und so. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, nie etwas sofort zu kaufen, sondern immer noch ein paar Tage zu überlegen, ob ich es wirklich brauche. Damit erledigt sich das meiste von selbst. Ich freue mich jetzt darüber, mehr Zeit für mich zu haben. Eigentumswohnung, teures Auto und so, sind so natürlich nicht für mich drin, aber ich brauche das auch wirklich nicht. Ich lebe so freier und entspannter. Ich lebe allein, da geht das natürlich einfacher als wenn man eine Familie ernähren muss, das ist mir schon klar. Da gibt es übrigens einen netten Song von Silbermond zu diesem Thema, der oft im Radio läuft. Der bringt es auf den Punkt.
Schöner Blogbeitrag!
Wahre Worte Tim,
und wenn man sich erstmal von dem vielen Ballast befreit hat ist man schon auf einem guten Weg.
Ich will auch immer mehr, aber eben besondere Augenblicke, mehr von mir und mehr für mich. Aber das betrifft eben nicht den Konsum. Und wenn ich mir mal etwas kaufe oder leiste sind das wirklich besondere Dinge, die mich lange erfreuen und mich ständig begleiten.
Liebe Grüße, Jürgen
[…] auch: An alle die glauben, sie hängen im Leben hinterher und Weniger besitzen ist gut. Weniger wollen ist besser und Haben oder […]
[…] auch Ein bedeutsames Leben braucht keine Karriere und Weniger besitzen ist gut. Weniger wollen ist besser. Sowie das eingangs erwähnte Zitat, das auf den Punkt bringt, warum unsere Gesellschaft so kaputt […]
Witzigerweise kommen Geld und Wohlstand zu dir zurück, wenn sie in Bewegung bleiben. Und mir gehen gerade die Stufen von Hermann Hesse durch den Sinn – heiter Raum um Raum zu durchschreiten und nicht hängen zu bleiben ist eine große Herausforderung und es erfodert Mut, die Dinge gehenzulassen, für die man irgendwann mal Geld ausgegeben oder Zeit investiert hat – aber am Ende sind es nur ungelebte Möglichkeiten, die man vermutlich nie leben wird – und wenn doch, wird keiner von uns in dem altem Zeug suchen, weil wir gar nicht mehr wissen, was da noch ist…
[…] Mehr dazu unter Du willst entrümpeln? Befreie Dich von diesen 10 Dingen zuerst und unter Weniger besitzen ist gut, weniger wollen ist besser. […]
Ja Tim da hast du recht, ich habe nur eine kleine Wohnung, lebe allein, bin frei,
kann tun was ich will,
niemand stört mich, ich kann Nachts, auf dem Balkon sitzen, ich hatte noch nie einen.
Ich habe keine Wünsche mehr, ich bin so zu sagen Wunsch los glücklich.
Emilia
Liebe Tim , ich glaube hier ; auf deinem Blog sind viele junge und kluge Menschen…vielleicht passe ich hier nicht 100 % , bin weit über 60 ,aber das alles was hier über entrümpeln steht…habe ich selber erlebt. Ich bin ein Sammler. Künstler. Viele Kisten voll mit Stoffen, Farben,Perlen, Wolle…“haben wollen“ Kopf voll mit Ideen….Dann kommt zu Trennung… Erst war große trauer über Verlust von Lebensträumen …Koffer packen, ganze Leben in Kisten…Ich habe mich ständig verglichen mit anderem…was habe ich in Leben erreicht… ???und was verloren…Kopfarbeit….
Heute lebe ich einfach. Ich bin Harz 4 Empfänger, 1 Zimmer Wohnung- gemütlich.Ich stehe morgen auf und sage mir-mein Leben ist gut ! Ich fühle mich so reich ! Ich habe genug zum essen, zu anziehen, ich bin gesund !
Zu Zeit verschenke ich noch meine Bücher, Stoffe an Kita und Schulen . Ich habe Zeit, arbeite als Ehrenamtliche Helfer .
So lange ich mich nicht mit anderem vergleiche , stehe zu mir – fühle mich stark. Wenn ich mich vergleiche , kratz mein Ego.
Renate
Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Matthäus 6
In der Kirche hängen mir zu viel Gestörte rum aber in der Bibel lese ich trotzdem sehr gern.
Sehr inspirierend!
Das weniger wollen, ist tatsächlich wesentlich schwieriger. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich immer mehr Sachen haben will, obwohl ich mich schon extrem minimiert habe. Kleinere Wohnung , weniger Zeug. Und doch ist da dieses Gefühl im Bauch immer mehr wieder haben zu wollen.
Ich arbeite an mir. Jeden Tag.
Viele Grüße
Björn
Hallo, ich bin ein „Papierbuchleser“… gibt es nur noch so wenige von meiner Art?
Ich würde gern die Bücher erwerben, aber halt im klassischen Buchformat. Ist da was in Planung?
Lieber Gruß Hartmut