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Es folgt ein Gastbeitrag von Inka Nisinbaum.

Als ich 1979 zur Welt kam stand der Name meiner schwerwiegenden Erkrankung schnell fest: Mukoviszidose. Die Ärzte gaben mir eine durchschnittliche Lebenserwartung von vier Jahren. Von da an bestimmten Atemtherapien, jeden Tag eine Hand voll Pillen, Kaloriendrinks und viel Disziplin meine Kindheit. Aber ich lebte und das beinahe unbehelligt bis zu meinem 22ten Lebensjahr. Mit 22 hatte mich die Mukoviszidose dann doch eingeholt und ich hatte nur noch eine Chance: Eine kombinierte Lungen/Leber-Transplantation. Ein harter Kampf begann, der mich viel über das Leben lehrte.

1. Wer sein Denken selbst in die Hand nimmt, lebt besser

Jeder wird das Szenario kennen, man geht zum Fachmann, sei es Arzt, Professor oder Ehefrau, der Fachmann sagt einem was zu tun oder zu lassen ist und man folgt dessen Anweisungen blind. Schließlich hat es der Fachmann gesagt, der muss es wissen. Doch leider ist es oft so, dass einem der Fachmann das eigene Denken nicht erspart.

Fachmann hin oder her, man sollte stets alles hinterfragen, was einem unklar, unsinnig oder auch idiotisch vorkommt. Nachhaken, um allgemein verständliche Erklärungen bitten und sich nur ja nicht von einem weißen Kittel, den Ellenbogenflicken eines Professors oder der Krawatte eines von der Stadt Angestellten verunsichern lassen. Keiner ist besser als sein Gegenüber, nur weil er studiert hat.

Jeder hat ein Recht darauf, die vorliegenden Optionen erklärt zu bekommen und dann eigenhändig zu entscheiden. Und jeder sollte es sich selbst wert sein, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Keiner kennt das eigene Leben besser als man selbst.

2. Angst regiert die Welt

Man muss nur einmal die Nachrichten einschalten und man weiß, was ich damit meine. Angst regiert die Welt. Angst regiert uns. Doch nicht nur die Nachrichten greifen zu Angst, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Angst lässt sich überall finden, auch im Alltag. „Sie müssen sich impfen lassen, sonst werden Sie an Grippe erkranken, zwei Wochen ausfallen, zwei Wochen nicht zur Arbeit gehen können. – Greifen Sie schnell zu, das Angebot ist begrenzt, die Nachfrage groß.“ – Oder, meine liebste Aussage: „Passen Sie auf, dass Ihnen niemand das Auge mit einem Regenschirm aussticht.“

Angst generiert Kooperation, Angst fesselt meine Aufmerksamkeit, denn wer will nicht darüber informiert sein, was für Ängste hinter der nächsten Ecke auf ihn warten. Und Angst lähmt. Ich bin mittlerweile nur noch an fachlichen, emotionslosen Informationen interessiert. In meinem speziellen Fall allen voran von Ärzten. Denn ob ich letztendlich Angst haben will, vor dem was ich gehört habe, kann ich dann auch alleine bei mir zu Hause entscheiden.

3. Verliere nie dein Lachen

Zwei Monate nach meiner Transplantation hatte ich einen gefährlichen Pilz im Kopf. Es war der Supergau. Ich war verzweifelt, wütend, habe viel geweint, mit Gott gehadert und gelacht. Ja, gelacht. Lachen hat, ich bin nicht die Erste die zu diesem Schluss kommt, eine heilende Wirkung. Wenn alles um einen herum zu Schutt und Asche zerfällt, dann braucht man neben Familie, Freunden und jeder Menge Taschentüchern auch eine gute Portion schwarzen Humor.

Es muss nicht immer jeder verstehen können, wie man über die möglicherweise tödliche `Champingon-Zucht` im Kopf auch noch Witze machen kann, meine Ärzte haben meinen Humor oft falsch interpretiert als „würde ich den Ernst der Lage nicht verstehen“.

Aber wen interessiert es, was andere denken. Lachen ist heilsam. Ganz besonders, wenn es eigentlich nichts mehr zu lachen gibt.

4. Ich bin nicht meine Krankheit

Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass ich krank bin, dass ich Mukoviszidose habe, dass ich ein zum Teil eingeschränktes Leben leben werde. Eine Lektion, die sich einprägt, die man glaubt, irgendwann zu einem selber wird. Manche Krankheiten lässt man ganz einfach nur sehr ungern los und so war es zum Teil auch mit meiner Mukoviszidose.

Eine chronische Erkrankung ist oft wie eine chronische Extrawurst, eine immer parat habende Entschuldigung und wie etwas Besonderes, denn andere leben ihr Leben schließlich nur ganz gewöhnlich als Gesunde. Als ich im Dezember 2002 transplantiert wurde, passte ich jedoch plötzlich nicht mehr in die Kategorie `chronisch krank`. Eine Tatsache, die mich erst in ein tiefes Loch fallen und dann, ich muss es so sagen, gesunden ließ.

Heute bin ich, wenn auch transplantiert, gesund. Natürlich werde ich mein Leben lang Medikamente einnehmen, alle vier Monate zum Kontrolltermin im Krankenhaus erscheinen, mich entsprechend meiner Diagnose verhalten müssen aber trotz allem bin ich gesund. Transplantiert UND gesund. Es steht nirgends geschrieben, dass man nur eins von beidem sein kann.

Doch es war ein harter Weg dahin, denn passt man erstmal in eine Kategorie wie `chronisch krank`, `transplantiert`, `Diabetiker` oder was auch immer, dann soll man sich doch bitte auch dementsprechend verhalten. Die Umwelt lässt einen nur ungerne gesunden, wenn man eine in Stein gemeißelte Diganose mit sich herum trägt. Doch es kommt zum Glück nur darauf an, woran man glaubt und das ist in meinem Fall meine Gesundheit.

5. Sag Danke

Ich zum Beispiel danke meinem Spender bzw. dessen Hinterbliebenen. Und dabei ist es gar nicht wichtig, tolle Worte zu finden, sich Literaturpreis-würdig auszudrücken. Es reicht schlicht das Wort: Danke! Denn es ist doch wie so oft, man denkt an jemanden, jeden Tag, wünscht ihm in Gedanken alles Gute, aber bei demjenigen kommt nur Schweigen an, weil man es eben doch nur in Gedanken macht.

Seit 2003 schreibe ich fast jedes Jahr an meine Spenderfamilie einen Brief, erzähle, wie es mir geht, was ich mache und zeige damit auch, dass ihr Verstorbener nicht vergessen ist. – Es ist so einfach, sich zu bedanken, das Miteinander zu fördern und doch machen es so wenige.

Hier, ich demonstriere einmal wie leicht es geht: Lieber Tim, danke für die Gelegenheit, hier einen Gastbeitrag zu schreiben.

6. Glaube kann in der Tat Berge versetzen

Als ich 2012 meinen Transplantationsärzten sagte, dass ich versuchen wollte schwanger zu werden, erntete ich einzig und allein das: Über dem Kopf zusammengeschlagene Hände. Und im Freundeskreis und der Familie war es nicht anders. Niemand wollte mich unterstützen, außer meinem Mann.

Um es kurz zu machen, es war ein steiler, steiniger, fast nicht passierbarer Weg, diesen Traum wahr werden zu lassen aber ich habe es vollbracht. Ich habe ein gesundes Kind zur Welt gebracht, was, mit meinen Diagnosen, bisher einzigartig ist auf der Welt.

Was ich damit sagen möchte ist nicht, dass es okay ist, gesundheitliche Risiken einzugehen. Ganz und gar nicht. Vielmehr möchte ich verdeutlichen dass, wer einen Traum hat, sei er auch noch so verrückt, unmöglich und weiter weg als die Sterne, aber dennoch dran glaubt, niemals aufgibt und die Zweifel anderer nicht in sein Herz lässt, der Erfüllung seines Traumes schon ein ganzes Stück weit näher gekommen ist. Es hat meinen Mann und mich über fünf Jahre gekostet Berge zu versetzen, doch letztendlich hat unser Glaube es möglich gemacht.

7. Weine, wenn doch mal alles Scheiße ist

Ich bin ein sehr positiver Mensch. Ich lache gerne und oft, habe selten schlechte Laune, selten ein halb leeres Glas vor mir stehen und selten den Eindruck, dass ich alles Leid der Welt gepachtet habe. Doch selbst die positivste Einstellung knickt irgendwann mal ein und dann gibt es meiner Ansicht nach nur noch ein Heilmittel: weinen.

Vor allem in Krankenhäusern stauen sich die Emotionen immer zu einem riesigen Haufen an. Das Warten auf Ergebnisse, mögliche Therapien, deren Erfolgschancen und dann auch noch das Krankenhaus-Essen. Die Emotionen wechseln oftmals so schnell, dass an Verarbeitung gar nicht zu denken ist.

Und das ist genau der Moment, in dem zu weinen Wunder wirkt. Es ist ein Gefühl, als ob man seinen Rucksack, dem ein das Leben mitgegeben hat, kurz ablegt, kurz aufatmen und sich für einen kurzen Moment auch einfach mal hängen lassen kann. Einfach laufen lassen, auf ein Taschentuch hoffen und weiter gehts.

 


inkaAutor:

Inka Nisinbaum kam mit der Diagnose Mukoviszidose zur Welt. Heute ist sie 37 Jahre alt, hat viele Hürden überwunden, viele Täler durchschritten, sich jedoch niemals aufhalten lassen, trotz allem zu leben. In ihrem Buch „Ich bin noch da“ erzählt sie von ihrer Lungen/Leber Transplantation und der Geburt ihres gesunden Sohnes.


Photo (oben): Nick Kenrick