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Ich will einen Infinity-Pool  auf einer Dachterasse und einen Beamer für Filmeschauen auf 3×5 Metern. Ich will so eine geheime Höhle unter der Villa wie Batman. Ich will eine riesige Bibliothek mit Büchern in handgemachten Holzregalen bis an die Decke. Ich will eine eigene kleine Insel, nein, zwei Inseln, eine vor der norwegischen Küste und eine wo’s warm ist.

Ich brauche all das nicht. Ich hab alles, was ich brauche, und darüber hinaus. Aber ich will mehr (manchmal zumindest).

Ein Weg, damit umzugehen, mit diesen Wünschen, ist: Schuften bis der Arzt kommt, oder gleich der Tod. Kohle machen und die ganze Scheiße einfach kaufen und wenn man sie hat noch mehr wollen, noch mehr arbeiten, noch mehr kaufen.

Ein anderer Weg ist: Verstehen, was da in mir passiert, was hinter diesen Wünschen steht und sie bewusst loslassen. Und darum geht’s heute (für den anderen Weg empfehle ich Tschakka-Du-schaffst-alles-Erfolgs-Literatur).

Schauen wir dazu 250 Jahre zurück.

Diderot-Effekt: der Anfang ist die Hälfte des ganzen Schlamassels

Denis Diderot war ein berühmter französischer Philosoph. Er schrieb damals umfangreichste Enzyklopädie. Trotzdem war er arm, sein ganzes Leben lang. Eines Tages im Jahr 1768 jedoch, Diderot war gerade 52 Jahre alt, sollte seine Tochter geheiratet werden, aber ihm fehlte das Geld für die Mitgift. Als Katharina die Große, russische Herrscherin, davon hörte, schickte sie ihm 1.000 £ (heute entspräche das knapp 50.000€), denn sie war ein Fan seiner Arbeit.

Auf einmal hatte Diderot Kohle. Als er durch die Stadt schlenderte, sah er den schönsten Morgenmantel aller Zeiten. Seine Augen leuchteten auf. Er ging in den Laden und kaufte das Ding.

In diesem Moment kippte alles.

Der Morgenmantel war so schön. Soooo schön! Zu schön … im Vergleich zu dem alten, abgenutzten, billigen Zeug, dass Diderot sonst so besaß. Wie konnte er in so einem edlen Morgenmantel in so einer Bruchbude leben? Er folgte seinem Drang und kaufte einen passenden Teppich. Dann Skulpturen. Dann einen neuen Küchentisch. Dann einen Spiegel, damit er sich im Mantel betrachten konnte. Dann einen farblich abgestimmten Sessel, und noch einen, ist ja sonst Quatsch, nur ein Sessel. Und weil nun der Schrank nicht mehr ins Gesamtbild passte, ersetzte er auch diesen.

Es dauerte nicht lang und Diderot war wieder arm.

Er wurde Opfer einer Konsum-Kettenreaktion, die als Diderot-Effekt bekannt ist und heute längst in der Werbepsychologie erforscht und ausgenutzt wird.

Eine neue Anschaffung führt häufig zu einer Spirale weiterer Anschaffungen. Infolge kaufen wir lauter Dinge, die wir vor dem ersten Kauf überhaupt nicht wollten, geschweige denn brauchten. Jetzt hingegen glauben wir, sie würden uns fehlen, bevor wir wieder glücklich und zufrieden sein können.

Wir alle haben einen Diderot in uns.

Wir kaufen neue Kleidung und brauchen plötzlich neue Ohrringe, die dazu passen, oder eine neue Glitzer-Zahnspange. Wir melden uns im Fitnessstudio an und die alten Sportsachen gehen plötzlich einfach überhaupt nicht mehr, auf einmal sind wir total unzufrieden mit ihnen – so können wir scheinbar unmöglich in dieses Fitnessstudio gehen. Wir kaufen ein neues Auto und hinterher gleich noch das farblich passende Boot dazu und am besten gleich noch einen so großen Infinity-Pool, dass das Boot da reinpasst.

Prof. Juliet Schor, Ökonomin und Autorin von „The Overspent American: Why We Want What We Don’t Need“, schreibt:

„Der Druck, immer Neues zu kaufen, ist einseitig, er steigt immer weiter an.“

Wie wir uns Kaufdrang befreien können

Das Leben auf der Jagd nach mehr macht unglücklich, macht uns zu Eseln, die sich selbst immerzu die Karotte vor die Nase halten, an die sie nie ganz rankommen, es aber trotzdem versuchen, tagein, tagaus, Leistung ein, Freude aus (siehe: Du wirst nie glücklich sein, wenn …).

Der erste Schritt ist, dass wir uns bewusst machen:

Nicht wir wollen mehr, der Diderot in uns will mehr.

Jorunalist James Clear hat darüber hinaus ein paar Wege auf Lager, wie wir dem Diderot in uns nicht mehr gnadenlos zum Opfer fallen.

Zum Beispiel:

  • Uns weniger Werbung aussetzen: Den Ikea-Katalog in den Müll werfen. Newsletter abbestellen. Filme auf DVD oder per Streaming schauen statt von Werbung durchsetztes Fernsehen. Seltener Bummeln gehen.
  • Auf passende Dinge setzen: Im Vorfeld prüfen, welche neuen Wünsche die Anschaffung auf den Plan rufen könnte. Passt der Morgenmantel zum Rest im Kleiderschrank? Und im Zweifel lieber Dinge kaufen, die sich gut in all das einfügen, was wir schon haben.
  • Grenzen setzen: Etwa ein Klamottenbudget von max 100€ im Monat. Auch ein kauffreier Tag pro Woche (vielleicht zusätzlich zum Sonntag) oder eine Woche pro Monat ohne jeglichen Einkauf können helfen und uns festigen.

Ich ergänze:

  • Hinsetzen und den Drang wie aus der Distanz beobachten. „Oh, da ist dieser Wunsch in mir. Ich nehme ihn wahr, bis er von selbst wieder verschwindet.“ Wo genau sitzt dieser Drang in Deinem Körper? Wie fühlt er sich an? Drückt er, zieht er?  (So wie auch beim Umgang mit schmerzhaften Gefühlen ). Wir lassen ihn zu – und er lässt uns los. Ohne, dass wir mal wieder mit sechs Einkaufstüten in den Händen und Tränen in den Augen dastehen, weil wir’s uns doch eigentlich weder leisten konnten noch wirklich wollten, weil wir wieder schwach geworden sind.

Ein Satz, der mir dazu immer wieder einfällt:

„Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug“, sagte Epikur.

Der Tim in mir hat genug geschrieben für heute. Also bis bald.

 

P.S.: Wenn Du nun noch mehr myMONK willst, noch mehr lesen willst, hier ein paar Ideen: Warum Du so erschöpft bist (der schmerzhafte wahre Grund), Wie man seine geheimsten Ängste, Muster und Fantasien aufdeckt (ohne Therapie) oder 6 Wahrheiten über Geld, die Dein Leben leichter machen.