Teile diesen Beitrag "7 Erinnerungen, wenn Du denkst, Du bist nicht gut genug"
Es gibt Tage, da suche ich Beweise dafür, dass ich gut genug bin, ausreiche. Ich weiß nicht, vielleicht suche ich auch Beweise dafür, dass ich eigentlich doch eine miese, arme Wurst bin. Das Schlechte verdient und das Gute nur ergaunert habe.
Dann bin ich gnadenlos zu mir. Kritisiere jedes Wort, das ich schreibe, jeden Handgriff, den ich mache, jedes Haar, das falsch sitzt. Vergleiche mich kaputt mit all den Milliarden Menschen da draußen, die’s vermeintlich so viel mehr drauf haben, im Griff haben, Potenzial haben, Erfolg haben. Gib mir an diesen Tagen Zuspruch, und mein Gehirn verdaut ihn zu Scheiße. Gib mir an diesen Tagen Liebe, und sie versickert einfach, versickert, sickert, sick.
Wenn ich die vielen Mails und Kommentare von euch Lesern richtig deute, bin ich damit nicht allein. Vielen von uns scheint’s so zu gehen. In jeder Lebenslage. Preisgekrönten Unternehmern, Künstlern, Langzeitarbeitslosen (siehe Künstler), Müttern, Vätern, Rentnern und Jugendlichen, frisch Verlassenen und frisch Verliebten, Auswanderern und Einsitzenden, Durchstartern und Abgehängten.
Könnte auch an der Gesellschaft liegen, in der oft nur der totale und radikale Erfolg zählt und alles andere mit Scham besetzt ist, alles unter Sixpack, Millionen und strahlender Happy-Family (Zusatzpunkte, wenn schon die Kinder n Sixpack haben). Ein Druck, der nicht Diamanten presst, sondern uns immer das hässliche Gefühl gibt, falsch zu sein und mangelhaft.
Dann vergessen wir, dass wir im Kern gut und gut genug sind. Menschen, die ihr Bestes tun in einem Leben, das uns allen eine Menge abverlangt. Und dass es verglichen damit völlig egal ist, wie weiß unsere Zähne, knackig unsere Ärsche und prall gefüllt unsere Konten sind.
Hier sind ein paar Gedanken, an besagten Tagen helfen (inspiriert vom wunderbaren Tiny Buddha). Gedanken, an die wir uns erinnern können, wenn wir mal wieder hineingetappt sind in die Nicht-gut-genug-Falle. Am besten wirken sie, wenn wir immer sofort einen davon aufschreiben, sobald uns die ungnädige bis brutale innere Stimme in Stücke reißen will.
1. An Dir ist viel mehr richtig als „falsch“
Der Achtsamkeits-Lehrer Jon Kabat-Zinn sagte: „So lange Du nicht aufhörst zu atmen, ist an Dir viel mehr richtig als falsch.“ Auch, wenn wir aus Gewohnheit eher mit der Lupe auf unsere Fehler schauen … gibt es da nicht auch Vieles, für das wir uns mögen könnten? Für die Kämpfe, die wir gekämpft haben. Die Liebe, für die wir uns verletzbar gemacht haben. Das Mitgefühl und die Hilfe, die wir anderen entgegengebracht haben. Die Geschichte, die uns einzigartig macht.
2. Auch die Menschen, mit denen Du Dich vergleichst, vergleichen sich mit anderen
Vergleichen ist menschlich. Wir wollen damit unseren Platz finden. Wissen, wo wir stehen. Das hört auch bei jenen nicht auf, die anscheinend alles haben. Denn auch in ihnen schlägt ein ähnliches Herz und denkt ein ähnliches Hirn. Schauen wir auf uns selbst und die anderen mit liebevollen Augen statt verurteilenden, dann können wir sie klar sehen: die universellen Herausforderungen des Menschseins. Hören wir auf, unser Inneres mit dem Äußeren anderer Leute zu vergleichen. Und denken wir daran, dass es niemanden auf der Welt gibt, dem es besser gelingt, wir selbst zu sein als uns.
(Siehe auch: An alle die glauben, sie hängen im Leben hinterher.)
3. Der innere Kritiker ist ein chronischer Lügner
Wir halten es für wahr, was die Stimme in uns sagt. Schließlich kommt sie ja aus unserem eigenen Kopf. Doch sie lügt sehr oft. Und sie ist eine verdammt gute Verführerin. Weiß, wie sie was gegen uns verwenden kann. Da hilft nur eins: „Glaub nicht alles, was Du denkst“, wie Byron Katie schreibt. Gedanken sind Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger – auf keinen Fall aber ein Gradmesser für unseren Wert.
(Siehe auch: Von Leid befreien mit einer einfachen Frage.)
„Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt“
4. Du brauchst Liebe am meisten, wenn Du glaubst, Du hättest sie am wenigsten verdient
Geht es mir schlecht, geht Liebe an mir vorbei. Sie wärmt mich dann nicht. Sie prallt ab. Das betrifft jedoch nur die Liebe von außen. Was ich dann wirklich brauche, ist Zuwendung von mir selbst. Verständnis und Mitgefühl. Das Zulassen und Da-Sein-Lassen von altem Schmerz und Blut aus nie ganz verheilten Wunden, von Wut und Scham und auch von Traurigkeit darüber, wie ich manchmal mit mir umgehe. Doch auch das ist okay. Darf sein. Machen wir’s, wie der buddhistische Lehrer Jack Kornfield, der sagte: „Beuge Dich über den Schmerz wie über ein Kind, das Du sanft streicheln möchtest.“
5. Du kannst Dinge am besten verändern, wenn Du sie zunächst akzeptierst
Wenn wir nicht Frieden schließen mit dem Jetzt, wird auch die Zukunft ein Krieg bleiben. Wir fühlen uns nicht schlecht, weil uns etwas fehlt. Sondern weil wir Widerstand leisten gegen das, was ist. Mit überzogenen Idealen. Mit der Meinung, wir hätten schon längst dieses und jenes erreicht haben müssen. Mit absurden Ansprüchen, die häufig nicht mal unsere eigenen sind. Die Wahrheit ist: Wir sind genau da, wo wir sind. Und genau hier ist der beste Ort, um dorthin zu starten, wo wir hinwollen. Wie viel schöner, angenehmer und lohnenswerter die Reise doch wird, wenn wir das akzeptieren.
(Siehe auch: 5 Dinge, die Du übers Akzeptieren wissen solltest.)
6. Du kannst Dich nicht in ein gutes Leben hinein-hassen
Was aus Selbsthass entsteht, wird der Selbsthass auch wieder vernichten. Jede Diät, in der wir mit zusammengebissenen Zähnen (dann passt immerhin nichts in den Mund) hungern, wir „fetten Schweine“, die wir für den Tyrann im Kopf sind. Jeder berufliche Erfolg, mit dem wir uns zur Liebenswürdigkeit peitschen wollen, wird so nach hinten losgehen. Wenn überhaupt etwas passiert statt einfach noch mehr Frustfressen und Couchbesetzen. Uns zu sagen, wie minderwertig wir seien, raubt uns schließlich massig Kraft und hält uns klein. Das Versprechen, es sei anders, wir müssten uns nur noch mehr in den Hintern treten, ist nur ein weiterer mieser Trick des inneren Kritikers. Pflanzen wachsen nicht, indem man sie anschreit, sie brauchen Licht und Wärme. Wir genauso.
7. Konzentriere Dich auf den Weg
… und darauf, wie weit Du schon gekommen bist. Nicht nur darauf, wie viel da noch vor Dir liegen mag. Ich vergesse das die meiste Zeit. Nehme meine Fortschritte für selbstverständlich oder überhaupt nicht wahr. Bin kein bisschen stolz darauf. Trotz der Steine im Rucksack, die ich während der gesamten Strecke mitschleppte. Es tut gut, mir das öfter klar zu machen. Da sind haufenweise Zweifel und Risiken und Narben und Ängste und Depressionen gewesen und immer wieder Rückschritte und Tiefs. Trotzdem habe ich ein paar ziemlich gute Sachen gelernt und geschafft. Hab mich entwickelt. Auch in meiner Beziehung zu mir selbst. Ich wette, das trifft auch auf Dich zu – ich wette, auch Du weißt heute mehr über Dich und das Leben als vor zehn Jahren. Und was ist schon wirklich von Bedeutung, wenn nicht das?
Mehr dazu unter Sei wie der hässliche alte Baum und das myMONK-Buch für mehr tiefes, dauerhaftes Selbstwertgefühl.
Photo: David Michalczuk
Auf dem Weg sein ist schon viel, denke ich. Und was ist das dann für mich? Ist wohl für jeden etwas anderes. Für mich ist es das nicht ganz, wenn ich mich darauf konzentriere, wie viel ich „geschafft“ habe. Viele sprechen von Hoffnung als DEN Weg. Ich denke das ist so. Doch ist Hoffnung nicht DAS Ziel. Solange ich hoffe, bin ich noch nicht angekommen. Besser wäre wohl, einfach zu vertrauen, dass es gut ist, statt zu hoffen mit Mangel und Wollen im Rücken. Im „Fluss“ zu sein braucht wohl solches Vertrauen. Geben wir das Wollen auf, dann nennen wir das tiefe Vertrauen auch Gnade. Und wie ich diese finde, sagt mir nicht so leicht ein Wissenschaftler und ich erreiche es wohl sogar schwerer mit dem Intellekt, der ständig was bewiesen haben will. Und was wenn ich nichts geschafft habe, auf das ich blicken könnte, wenn alles Streben sich nur als Luftblase entpuppt, und alles als vergänglich? Bestimmt liegt Akzeptanz auf diesem Weg, wie er es für mich ist. Und Liebe, egal was ist. Die anderen Punkte sind belastendes, das wir am Besten mit „Verlernen“ angehen, denke ich. Hinter unserem Werten und Pflichtdenken steckt schon auch eine unglaubliche Selbstüberschätzung. Noch dazu eine, die uns vom Fluss fernhält.
Ich denke auf dem Weg sein ist etwas ganz tolles, auch wenn es manchmal so mühsam bergauf geht oder wir uns im Spießrutenlauf befinden. Es ist letztlich alles für etwas gut, denn ja wir können darauf Vertrauen, dass uns der Weg irgendwo hinführt und jede Erfahrung die wir machen ist notwendig um irgendwo hinzukommen, alles ist ein Schritt, alles ist Gute kann als schlecht empfunden werden und alles Schlechte kann als gut empfunden werden, vielleicht werden wir irgendwann ja fühlen, dass alles sowieso Eins ist.
Das ist mein Empfinden und eine Erfahrung bzw. Erkenntnis, die mich von dem „hoffen“, wie du schreibst, ein bisschen weg gebracht hat, ich bin mir sicher, dass es nochmal wieder kommen wird, aber hey, das ist die Berg- und Talfahrt des Weges, das ist das verrückte bunte Leben mit den Flüssen und Bergen und vielfältigsten Landschaften
Hi Julia, ohne Hoffnung, was bleibt uns da? Verzweiflung oder Lethargie? Oder doch einfach Vertrauen ohne Hadern?
Hoffnung ist für mich, wenn es den Berg hoch geht und ich denke, das ist jetzt genug und ich denke an eine Strecke ohne Steigung hinter der nächsten Kurve. Oder andue Hütte, die jetzt bald kommen muss.
Jedenfalls ist es nicht gut, wie es im Moment ist. Vertrauen ist ohne Denken. Es braucht keine Ersatzbilder oder Erlösung in der Ferne. Es ist gut. Und ich kämpfe nicht innerlich an. Der Fluss mimmt mich schon mit.
Ich lese deinen Blog sein Anfang des Jahres. Es klingt sehr stupide ..aber stehst du hinter jedem deine Beiträge? Ich finde mich in sehr viel wider..aber manche Methoden Klingen zu euch..
Melde dich 🙂
Prima und vielen dank für diesen Beitrag. Das hat mir am besten gefallen: -Pflanzen wachsen nicht, indem man sie anschreit, sie brauchen Licht und Wärme. Wir Menschen genauso.
ja wir brauchen sie alle, die Liebe 🙂 Tiere wie Pflanzen
Habe heute hier gar nichts gelesen.Wollte mich nur bedanken dass es euch gibt…Habt mir viel geholfen einen wichtigen Schritt zu wagen..Zum Schutz meiner Kinder und meinem eigen Schutz…Ich glaube gar nicht dass ich sowas machte..dass ich mich traute…Ich liebe my monk seite…weiter so…auch wenn ich nicht immer lesen kann…grüsse an alle die schreiben vor allem die ,die eh immer da sind wie ich öfters.LG Tatjans
Wunderschöne Gedanken. Danke dass du mir mit diesem Artikel wieder mut machst!
Deine Beiträge lese ich oft, ich mag den Schreibstil und dieses ehrliche Ansprechen von Empfindungen, das hatte ich so bisher noch nie gelesen. Aber heute, da musste ich Dein Bild mal deutlich anschauen. Wie kommst Du immer auf die Themen? Hast Du gerade eine schwere Zeit? Liebe Grüße, Stephanie.
Ich glaube du hast dich mit diesem Artikel mal wieder selbst übertroffen, oder es liegt an meiner heutigen beseelten Stimmung, dass ich Gänsehaut bekommen habe und ich mein Herz leben spürte beim lesen. Ehrlich, das was du da geschrieben hast zeugt von viel Erfahrung und ist von großer Wahrheit, sprachlich erfasst du die Spitze! “ und sie versickert einfach, versickert, sickert, sick.“ , einem feinfühligem Menschen schlägt bei so einem guten Ausdruck das Herz höher! Punkt 4 erfasst mich persönlich gerade am meisten, am Wochenende war ich beim Mantra-Singen und somit in einer sehr ehrlichen Umgebung, in der man sich, wenn man sich traut, einfach fallen lassen kann. Und ich habe mich getraut.. nach einiger Zeit und Beklommenheit, habe ich meinen Schmerz herausgelassen und ihn streicheln lassen und selbst gestreichelt. Siehe da, nach diesen Ereignissen und ein bisschen schlafen und ruhen konnte ich nicht nur mein Herz wieder spüren sondern auch die Liebe von außen wieder durch mich leuchten lassen. Deshalb möchte ich es jedem an dieser Stelle einfach nur ans Herz legen, sich zu trauen auch den Schmerz zuzulassen, auch wenn das Angst und Unbehagen macht. In der heutigen Gesellschaft kommen die Gefühle oft zu kurz, aber wir können alle für uns entscheiden das für uns Richtige zu tun.
Das musste ich jetzt mal loswerden. Schöner Artikel, tiefsten Dank Tim! 🙂
Super Tim, dass Du auch Auswanderer erwähnst, das tut gut. Ja, es gibt da immer wieder Rückfälle. Unnötigerweise, denn es soll erstmal jemand nachmachen. Und durch das erstmal entwurzelt und abhängig sein, entstehen Schwächen, die ich so vorher nicht kannte. Umso lieber lese ich Deine Beiträge; die holen mich oft wieder in die Realität zurück (statt in verquerlten Gedanken zu suhlen). Danke 🙂
Tatsächlich fühle ich mich schlechter nach dem Lesen dieses Artikels.
Hallo Tim,
du glaubst nicht wie sehr mir deine Texte zu Herzen gehen und ich lerne viel aus deinen Tipps! Vor allem schreibst du so, dass ich alles richtig verstehe, in bildhafter Sprache sehr oft. Keine ,, Fremdworte“ wo ich den Sinn erst nachschlagen muss. S C H R E I B weiter so !
Herzliche Grüße Angelika
Sehr guter Artikel, wie so viele Artikel hier! Vielen Dank und Gottes Segen dafür an alle Beteiligten!!