Und folgst Du myMONK schon bei Instagram?

Text von: Romy Hausmann

Vom Kabarettisten Gerhart Polt stammt der schöne Ausspruch „Ich sinnlose vor mich – und das mit Begeisterung.“ Jawoll, Gert, da setze ich – dito – sehr begeistert mein Autogramm drunter – zumindest tagsüber. Wenn ich vor meinem Rechner hocke und je nach Anforderung schlau, witzig oder sonstig produktiv sein will, sollte oder muss. Stattdessen starre ich sinnlos auf weiße Word-Dokumente – sie starren grell und leer zurück. Manchmal artet das förmlich in Hypnose aus, ich werde müde und müder, könnte mich auf der Couch langmachen oder im Büro unterm Schreibtisch und ad hoc ein kleines Nickerchen halten.

Aber wehe, der Tag ist vorbei.

Wehe, ich liege endlich in meinem Bett.

Wehe, ich gehe gar ein bisschen früher in die Kiste, im festen Vorhaben, morgen wacher, fitter und dadurch wirklich mal produktiver zu sein und die weißen Dokumente zu bezwingen wie Nibelungen-Siegfried den fiesen Drachen, ja dann… bin ich wach. Hellwach. Schießen Gedanken, Einfälle, Sorgen, Termine oder die Songtexte sämtlicher Lieder, die irgendwann mal, vor zwanzig Jahren, auf irgendeinem Bravo-Hits-Sampler drauf waren („Es ist 1996, meine Freundin ist weg und bräunt sich…“ – Na, Ohrwurm? Gern geschehen!) durch meinen Schädel wie Flipperkugeln. Ich bin müde, aber ich komme einfach nicht zur Ruhe. Ich wälze mich von einer Position in die nächste. Ich zähle Schäfchen, bis ich mit meiner imaginären Herde ganz Nordrhein-Westfalen besiedeln könnte.

Ich. Kann. Nicht. Schlafen.

Und das ist ein Problem. Denn auf eine schlaflose, zu kurze oder sonst wie unerholsame Nacht folgt auch wieder nur ein Tag, an dem ich mich fühle wie Brei. Mein Körper ist schwach, mein Geist auf dem Konzentrationslevel eines Badewannenstöpsels. Und damit bin ich bei Weitem nicht alleine. 2017 schon veröffentlichte die DAK ihren Gesundheitsreport mit alarmierenden Zahlen: 80 (!) Prozent der deutschen Erwerbstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren schlafen schlecht. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sind das in etwa 34 Millionen Menschen (stell Dir mal vor, wie oft da in nur einer Nacht „Fettes Brot“ gesungen wird!). Jeder zehnte schläft sogar annähernd gar nicht. Dementsprechend sind laut der Studie 43 Prozent der Arbeitnehmer müde, 31 Prozent fühlen sich zumindest erschöpft. Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, sagt dazu: „Die zunehmenden Schlafstörungen in der Bevölkerung sollten uns wachrütteln.“ Und bringt weiterhin auf den Punkt, was Erklärung und Folge der ansteigenden Schlafprobleme sein könnten: „Viele Menschen kümmern sich nachts um volle Akkus bei ihren Smartphones, aber sie können ihre eigenen Batterien nicht mehr aufladen.“ Die Beschwerden sollten laut Storm ernst genommen werden, da chronisch schlechter Schlaf der Gesundheit möglicherweise ernsthaft schade: „Schlafstörungen erhöhen beispielsweise das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit dem starken Anstieg der Krankmeldungen bei den psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren.“

Ich bin morgens immer müde, aber abends bin ich wach…

Was können wir also tun?

Die amerikanische Ärztin und Wellness-Spezialistin Dr. Susan Biali verschreibt neuen Patienten, die sie wegen ihrer Schlafstörungen aufsuchen, zuerst einmal keine Pillen – sondern empfiehlt ihnen die Beantwortung folgender fünf Fragen.

1. Nimmst Du Dein Handy mit ans Bett?

Okay, erwischt. Tue ich. Nur noch mal ganz, ganz fix bei Instagram und Co. reinschauen, bevor der Kopf auf’s Kissen kommt – warum auch nicht? Sind doch schließlich viele schöne Bildchen, könnte eine gute Inspiration für’s Träumen sein. Außerdem will ich ja auch wissen, wie oft mein neuster Frisuren-Post geliked wurde, sonst kann ich doch erst recht nicht schlafen!

Dumm nur, dass das Displaylicht die Freisetzung des Schlafhormons Melatonin hemmt. Schlafforscher raten daher, ab mindestens einer Stunde vor dem Schlafengehen komplett aufs Handy zu verzichten. (Wer das wegen der „Lebensnotwendigkeit“, seine Likes zu checken, partout nicht hinkriegt, sollte wenigstens so weit wie möglich die Bildschirmhelligkeit runterregeln.)

2. Was tust Du unmittelbar vor dem Schlafen?

Diese Frage ist die entfernte kleine (und vor allem: schlaflose) Schwester der ersten, weil sie ebenfalls etwas mit Bildschirmen und Hirnaktivität zu tun hat. Schnell noch ne SMS schreiben, eine Email beantworten, die Online-Ausgabe der Tageszeitung lesen oder, so wie ich, abends um zehn doch noch mal ran an den Laptop, weil einem endlich der eine, perfekte Satz eingefallen ist, auf den man den ganzen Tag gewartet hat – nicht gut. Denn dadurch bringen wir unser Gehirn auf Touren und regen Denkprozesse an, die es weiterführen will – selbst dann noch, wenn wir längst entschieden haben, dass für heute nun wirklich Feierabend sein soll. Lesen vor dem Schlafen an sich ist völlig okay, mehr noch: Wie die Universität Sussex bestätigt, reichen schon sechs Minuten, um unser Stress-Level um bis zu Zweidrittel zu reduzieren. Gilt aber natürlich – Du ahnst es schon – nur für’s bildschirmfreie Lesen, also für’s gedruckte Buch.

3. Wie verbringst Du Deinen Abend?

So n schöner, lautstarker Streit mit Schatzi oder noch mal schnell das Kind falten, weil es schon wieder mal sein Zimmer nicht aufgeräumt hat – mir ging es oft so, dass sich der tagsüber aufgestaute Frust dann abends entladen hat. Das hielt ich sogar für schlau, schließlich will man ja nicht mit schlechten „Vibes“ ins Bett gehen. Doch jeglicher Stress flutet uns mit Hormonen, die unseren Körper auf Anschlagsmodus halten. Vor lauter Adrenalin und Cortisol kann er gar nicht runterfahren auf das zum Schlafen benötige Ruhelevel. Daher wird empfohlen, schwierige Gespräche, fordernde Aufgaben und sogar Sport nicht unmittelbar vor dem Schlafen anzugehen, sondern früher am Tag, damit wir vor dem Zubettgehen noch genügend Zeit haben, um uns wieder zu beruhigen.

4. Machst Du Dir über irgendetwas Sorgen?

Ich glaube, es gibt keinen anderen Ort auf dieser Welt, an dem ich mir öfter die Frage nach irgendeinem Sinn gestellt habe, als nachts in meinem Bett liegend. Da wälze ich meine Probleme mindestens so oft wie meinen Körper, um die richtige Liegeposition zu finden. Plötzlich ploppt da in meinem Kopf die Nachzahlung für’s Finanzamt auf, von der ich keine Ahnung habe, wie ich sie in hundert Jahren bezahlen soll. Frage ich mich, ob das mit dem Schreiben nicht reine Zeitverschwendung ist, ob ich eine gute Mutter bin, was ich überhaupt auf die Kette kriege. Ist ja auch irgendwie logisch: Tagsüber sind wir abgelenkt durch unsere Jobs und Verpflichtungen, durch andere Menschen in unserem Umfeld. Erst abends, in der Stille, kommen wir dazu, uns mit uns selbst zu beschäftigen und Probleme wiegen mit einem Mal doppelt schwer.

Dr. Biali empfiehlt, in solchen Momenten Tagebuch zu schreiben. Einfach ein kleines Notizbuch und einen Stift auf dem Nachtkästchen bereitlegen und runterschreiben, was uns beschäftigt. Das löst zwar die Probleme nicht, macht aber wenigstens für den Moment den Kopf frei. Und dass Probleme sich ausgeschlafen sowieso immer besser lösen lassen, ist ja eigentlich auch klar.

5. Für welche Aktivitäten benutzt Du Dein Bett?

Ein Schelm, wer hinter dieser Frage irgendwas aus dem FSK 18-Bereich vermutet, gemeint ist hier nämlich etwas ganz anderes – etwas, das sich „Reizsteuerung“ nennt. Wenn wir im Bett zum Beispiel auch Filme schauen, E-Mails beantworten oder Anrufe entgegennehmen, verwirren wir Körper und Geist über den Zweck des Bettes. Was da hilft, ist Disziplin, Selbstkonditionierung. Das Bett wieder zu dem machen, was es eigentlich sein soll: ein Ort, an dem wir zur Ruhe kommen. Abschalten. Schlafen. Unsere Akkus aufladen, damit wir mit Energie und Kraft unsere Tage bestehen können.

In diesem Sinne: Möge das Sandmännchen mit Dir sein – schlaf gut!

PS: In manchen Fällen ist Schlaflosigkeit krankheitsbedingt. Zugrunde liegen können Angst- oder bipolare Störungen, Hormonstörungen aufgrund von Wechseljahresbeschwerden oder Medikamenteneinnahmen, etc. Wenn Du das Gefühl hast, Dir selbst nicht mehr helfen zu können, solltest Du unbedingt ärztliche Hilfe suchen.

P.P.S.: Wenn Du lernen willst, wie Du aus dem Gedankenkarussell aussteigen kannst, wird Dir das myMONK-Buch helfen: Wie man Sorgen, Stress und Selbsttzweifel loslässt.

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