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Es folgt ein Gastbeitrag von Patrick, digitaler Nomade, Backpacker und inspirierender Schreiber des wunderbaren 101places.de-Blogs.

In der westlichen Welt haben wir beinahe alles im Überfluss. Wir können alles kaufen, genießen viel Komfort und auch Freiheiten haben wir jede Menge. Ja, wir haben so viel von all dem und tun uns dennoch schwer damit, glücklich zu sein. Nichts genügt uns, wir wollen immer höher, schneller weiter. Wir vergleichen uns stets mit dem Erfolg von anderen und das macht uns nur noch unzufriedener.

Auf der Suche nach Glück und Zufriedenheit taucht ein Ratschlag immer wieder auf: sei dankbar! Tim hat es hier oft geschrieben und dennoch festgestellt, dass Dankbarkeit nicht so einfach funktioniert.

Vor einiger Zeit schrieb ich jeden Tag auf, für was ich heute dankbar bin, um bewusst darüber nachzudenken. Doch es hat keine zwei Wochen gedauert, bis ich immer seltener daran dachte und es aufgab. Für mich funktioniert es so nicht. Es war keine echte Dankbarkeit. Ich hatte sie mir selbst auferzwungen.

Eine Reise nach Laos

Vor einigen Wochen kam ich nach Laos. Zwischen Ländern wie Thailand, Vietnam und China liegend, erhält Laos wenig Aufmerksamkeit. Mit nur sechs Millionen Einwohnern ist es ein sehr kleines Land, aber vor allem ist Laos eines der 20 ärmsten Länder der Welt.

Hier spüre ich so etwas wie echte Dankbarkeit. Auch ein guter Anteil Demut mischt sich meinen Gefühlen bei. Und tatsächlich, ich fühle mich auch zufriedener. Wie könnte ich es auch nicht? In Laos zählen wieder die kleinen Dinge, denn das Leben hier ist weit von dem entfernt, wie wir es in Deutschland kennen.

Ich empfinde Dankbarkeit dafür, dass ich einen deutschen Pass besitze und wir längst nicht mit diesen widrigen Umständen zu kämpfen haben. Aber auch Demut, weil ich weiß, dass das nicht mein Verdienst ist. Ich hatte Glück, in ein Land geboren worden zu sein, in dem andere Menschen die Voraussetzungen für unser bequemes Leben geschaffen haben.

Dinge, die in Laos nicht selbstverständlich sind

Schon nach einer kurzen Zeit in Laos wird mir klar, wie viele Dinge im Leben überhaupt nicht selbstverständlich sind. Das betrifft natürlich nicht nur Laos. Die große Mehrheit der Menschen dieser Welt hat es schlechter als wir.

Ich erwarte nicht, dass wir uns das in unserem Alltag täglich vor Augen führen, denn wir haben ja trotz allem auch eigene Probleme. Doch ein Besuch in Laos öffnet die Augen.

Es werde Licht?

Wann denken wir schon über Strom nach? Ich denke nur an Strom, wenn sich die Schlagzeilen nach einer Preiserhöhung überschlagen. Dabei empfinde ich Strom nicht einmal als besonders teuer. Ohne mich um Sparsamkeit zu bemühen, gebe ich lediglich 2% meiner monatlichen Ausgaben für Strom aus.

Dabei wird ein enormer Aufwand betrieben, um 82 Millionen Menschen in Deutschland lückenlos mit Strom zu versorgen. Aus meiner Sicht funktioniert das wirklich gut.

In Laos kann es sein, dass kein Licht angeht, wenn ich den Schalter drücke. Vielleicht gibt es nicht einmal einen Schalter. An kleinen Ständen gibt es oft Kühlschränke mit Getränken – doch gekühlt sind sie nicht. Die Verkäuferin lächelt halb verschmitzt, halb beschämt.

Wasser

Über Wasser machen wir uns auch wenig Gedanken. Nur über die Preise können wir uns herzlich aufregen. Ich kenne das gut, denn ich habe drei Jahre bei den Berliner Wasserbetrieben gearbeitet.

Daher weiß ich auch, dass die Qualität des Leitungswassers in Deutschland vorbildlich ist. Wir können es bedenkenlos trinken und das zu einem lächerlich geringen Preis.

Ist es nicht eigentlich unglaublich, wie reibungslos die Wasserversorgung funktioniert? Ich drehe irgendwo in Deutschland den Wasserhahn auf und mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt frisches Trinkwasser heraus. Wenn ich den Hahn nach links drehe, wird es sogar warm!

Leitungswasser kennen viele Laoten nicht. Ich habe oft gesehen, wie abends ganze Familien zum Fluss gehen, um sich zu waschen.

In meinen Hotels ist das natürlich anders. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, das laotische Leitungswasser zu trinken. Nicht einmal die Zähne putze ich mir damit.

Es geht nur langsam voran

Laos ist das Land des Staubs. Denn befestigte Straßen gibt es hier nur wenige. Um die Jahrtausendwende gab es im gesamten Land gerade mal eine befestigte Straße. Heute sind es schon wesentlich mehr, aber oft ist einfach unverhofft Schluss und dann geht es eben auf Sand und Geröll weiter.

Auch Brücken gibt es in Laos nur wenige. Dabei zieht sich der mächtige Mekong längs durch das Land. Kleinere Brücken sind oft notdürftig zusammengezimmert und zwar auf private Initiative. Entsprechend kommt nur herüber, wer dafür bezahlt.

Wenn wir über Infrastruktur reden, darf das Lieblingsmeckerthema der Deutschen nicht fehlen: Die Bahn. In Laos gibt es gar keine Züge. Fertig, Ende der Diskussion.

In Deutschland haben wir eines der weltbesten Schienennetze. Etwa 90% der Fernverkehrszüge sind pünktlich, also maximal 15 Minuten später als angekündigt (das ist die Definition der Bahn). Im Nahverkehr sind es 99%. Das ist ein enormer logistischer Aufwand.

Ganz abgesehen davon, dass es in Laos keine Züge gibt, würde jeder Laote sich wundern, wenn ein Bus nur 15 Minuten Verspätung hätte. Die offiziellen Zeiten nimmt man gar nicht erst ernst. Meine letzte Busfahrt sollte 10 Stunden dauern, am Ende waren es 14 Stunden. So ist das eben.

Nichts im Überfluss

In Laos sind manchmal die einfachsten Dinge nicht verfügbar. Du gehst in ein besseres Café und bestellst etwas Honig oder Sahne dazu. Doch der Kellner lächelt nur mit um Verzeihung bittender Miene, denn so etwas Ausgefallenes gibt es hier gerade nicht.

Ich fahre mit meinem Motoroller zur Tankstelle, aber da heißt es nur: Sorry, heute kein Benzin.

Einen Supermarkt, wie wir ihn kennen, habe ich hier noch gar nicht gesehen. Bestenfalls kleine Minimärkte, die unseren Tankstellenshops ähneln. Mehr Produkte gibt es in Laos nicht. Während wir in Deutschland zwischen 10 Joghurts wählen können, heißt es hier: Der eine oder keiner.

Nur eingeschränkte Freiheit

Wir können reisen wohin wir wollen. Das allein ist schon ein guter Grund, dankbar für die deutsche Staatsbürgerschaft zu sein. Wir fahren einfach los und wenn wir mal ein Visum benötigen, bekommen wir es auch.

Laoten müssen sich wochen- oder monatelang mit Behörden herumschlagen, um eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Dann brauchen sie noch ein Visum und von den Reisekosten rede ich gar nicht erst.

Da ich vom Reisen schreibe: Ein Teil meiner Demut ist meinem Rückflugticket gewidmet. Wer in einem armen Land reist, hat oft leichtes Reden. Dass es nur halb so wild wäre und es sich hier auch gut leben ließe. Aber wir alle haben ein Rückflugticket. Mit diesem fühlt sich jeder freier.

Im Übrigen haben wir im Gegensatz zu den Laoten auch die Möglichkeit, alle vier Jahre unsere Regierung zu wählen. Es gibt die Pressefreiheit und auch als normale Bürger können wir im Wesentlichen reden was wir wollen. Vielleicht hält man Dich für bescheuert, aber eingesperrt wirst Du nicht.

Versorgung dritter Klasse

Wenn Du in Deutschland einen Unfall hast, wirst Du innerhalb weniger Minuten versorgt. Und zwar richtig professionell. In Laos ist es wahrscheinlich so, dass man Dich stundenlang auf einem Boot, Traktor oder Motorrad über staubige Straßen in die nächste Stadt bringt. Dort wird Dir eventuell geholfen, wenn Du dafür bezahlen kannst. Die Qualität ist in jedem Fall nicht vergleichbar mit der in Deutschland.

Begrenzte Aussichten

Ich persönlich finde am Kommunismus die fehlenden Zukunftschancen am wenigsten erträglich. Eine gute Ausbildung genießen in Laos die wenigsten Kinder, dafür arbeiten sie im Familienbetrieb mit. Leistung wird hier zudem nicht honoriert. In Laos zählen Parteizugehörigkeit und Korruption – wie das im Kommunismus nun einmal so ist. In Deutschland können wir in Sachen Chancengleichheit durchaus noch aufholen und doch sind wir Ländern wie Laos weit voraus. Wer gute Leistungen erbringt und sich anstrengt, der kann mit einem besseren Leben rechnen.

Was uns Laos lehrt

Über all diese Dinge denken wir im Alltag gar nicht nach. Sie fallen uns nur auf, wenn sie nicht funktionieren. Wir haben so viel, doch wir müssen verantwortungsvoller damit umgehen, anstatt immer mehr zu wollen und zu nörgeln.

Seit ich häufig reise, sehe ich viele Dinge mit anderen Augen. Nun kommt mir unsere Unzufriedenheit nicht nur nervig, sondern auch absurd vor. Gemessen an unseren Standards klappt in Laos überhaupt nichts. Pures Chaos, keine Verlässlichkeit, kein Komfort, nichts wird jemals fertig. Und was macht der Laote? Er lächelt es einfach weg. Das Leben geht weiter und morgen ist ja auch noch ein Tag.

Die größte Überraschung ist vielleicht, dass der Laote an sich gar nicht so unglücklich ist. Das Leben wird genommen wie es ist und dabei wird auch oft gelacht.

Natürlich gibt es auch hier Unzufriedenheit, die gibt es überall. Und ich behaupte, der Besuch aus dem Westen spielt dabei eine besondere Rolle. Je mehr sie von uns mitbekommen, desto mehr wollen sie uns nachahmen und auch besitzen was wir besitzen. Der Vergleich mit Bessergestellten nagt an jedem Menschen.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin kein Befürworter davon, sich nur mit schlechter gestellten Ländern oder Menschen zu vergleichen. Gerade als Selbständiger und Unternehmer weiß ich, dass man von den Besseren lernen muss.

Doch immer nur nach oben zu schauen, macht uns kaputt. Dabei können wir von Deutschland aus ja kaum noch nach oben gucken. Wir Deutschen fokussieren zwar stark darauf, wo andere Länder besser sind als wir, aber nachdem ich nun etwa 20 Länder besucht habe (mehr als die Hälfte davon westliche), stelle ich fest, dass Deutschland eines der lebenswertesten Länder der Welt ist.

Ich bin vielleicht nicht stolz darauf, Deutscher zu sein, da es nicht meiner Leistung zu verdanken ist (Stichwort Demut), aber ich bin dankbar dafür. Deutschland ist nicht perfekt und es gibt immer Raum für Verbesserung. Doch es ist nicht zu unserem Schaden, uns einmal vor Augen zu führen, wie viel wir schon haben und dass unser eigener Beitrag dabei recht beschränkt ist.

Deshalb komme ich nach meinen Reisen auch immer gerne nach Deutschland zurück und bin vor allem froh, einen deutschen Reisepass zu haben.

Das einzige, was stört, sind die unzufriedenen Deutschen und daher empfehle ich, mehr zu reisen und andere Länder kennenzulernen. Laos ist nur ein Beispiel, aber kein schlechtes. Die Chancen stehen gut, dass Du mit neuer Demut und Dankbarkeit zurückkehren wirst.

Ich für meinen Teil werde mit jedem Tag entspannter, den ich unterwegs bin. Ich freue mich über ein sauberes Zimmer mit warmem Wasser, freundliche Gastgeber, gutes Essen, ein halbwegs pünktlicher Bus und wenn es dann noch WLAN gibt, bin ich glücklich.

Es ist denkbar, dass Dich dieser Artikel nicht überzeugt. Erzwungene Dankbarkeit funktioniert eben nicht. Aber fahr doch einfach mal los und sieh Dir an, wovon ich rede. Dir zuliebe.

 

Text von und herzlichen Dank an:

Patrick Hundt

Seit Patrick Mitte 2012 sein Unternehmen verlassen hat, ist er in der Welt unterwegs. Seine Reise führte ihn von den USA über Südostasien bis nach Australien und Neuseeland. Den Sommer wird er in der Heimat verbringen, um dann wieder loszuziehen. Digitales Arbeiten macht’s ihm möglich. Patrick bloggt auf 101places.de.

 

Hier noch einige Photos, die Patrick in Laos geschossen hat: