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Das Wort „Meditation“ hat einen sehr weiten und reichen sprachlichen Hintergrund. Es verwundert deswegen nicht, dass mit diesem Begriff ganz Verschiedenes gemeint sein kann.

Für viele noch erstaunlicher dürfte sein, dass es sprachhistorisch auf das indogermanische Wurzelwort *me[d] mit der – psychologisch auf den ersten Blick nichtssagenden – Bedeutung von „wandern, schreiten“ zurückgeführt wird. (Etymologisch soll diese Wurzel noch vielen anderen bekannten Worten und Begriffen zugrunde liegen wie zB. messen, Meter, Metrum, Mal und Maß, Dimension und immens, müssen auch und Mond sowie noch manch anderen wie etwa dem Begriff der Medizin!)

Der psychologische Zusammenhang von Wandern und Meditieren ist aber derart offensichtlich, dass es genügen dürfte, einfach darauf hinzuweisen: Meditieren als Geistestechnik ist mit der geistigen Aktivität identisch, die wir bei realem Wandern „in der Tat“ immer auch ausüben (sollten), wenn wir dabei unsere „Sinne auf das richten“, was man vor sich hat. Es gilt ja dabei gezielt auf Geräusche zu lauschen, den Weg vor sich „ins Auge zu fassen“ und auch sonst alles um sich herum zu beachten, zu beobachten und achtsam zu verfolgen.

Meditieren besteht so gesehen darin, sich in unmittelbarem WAHRNEHMEN zu üben, in schlichtem, einfachen, ungekünstelten, direkten und aufmerksamen Beobachten. Nötig dazu ist ein bewusstes und damit absichtiches und gezieltes, hellwaches Achtgeben auf das, was wir mittels unserer Sinne oder „Sinnesorgene“ so alles mitkriegen solange wir nicht dösen oder schlafen.

„Aufwachen“ ist denn ja auch ein alter spiritueller Schlachtruf! Bemerkenswerter Weise bedeutet auch der Ehrentitel „Buddha“ Erwachter, genauer sogar „der vollkommen“ oder vollständig „Erwachte“! Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass die die zentrale und wichtigste Geistestechnik des Buddhismus „Achtsamkeitsmeditation“ genannt wird und legendäre Effekte haben soll, und zwar nur sie; heute gilt dieses Wundermittel vielen mittlerweile sogar als universelle Heilmethode!)

Meditieren als bewusstes Wahrnehmungstraining, das immer auch mit gleichzeitiger Aufmerksamkeitssteuerung einhergeht, ist damit ersichtlich etwas anderes als sich in ein Buch zu vertiefen, sich einen Film anzusehen, Anteil am Leben anderer zu nehmen usw. usf. oder Erinnerungen nachzuhängen und Tagträumen, sich etwas zu überlegen, zu planen oder zu grübeln usw. Zu Konzentrationsleistungen beim Handeln, Erleben oder Denken sind wir von Natur aus alle fähig, auch wenn wir sie ebenfalls perfektionieren, also üben können. –

Ein weiterer Zusammenhang ist ebenso bemerkenswert: Denken gilt gemeinhin als Domäne der Philosophie; Meditieren wird dagegen mit religiösen Traditionen in Zusammenhang gebracht (dort aber von „Kontemplieren“ im Sinne religiöser Einkehr und Besinnung oft nicht unterschieden).

Ob die Zuordnung von Meditieren zu Denken in religiösen Vorstellungen oder zu religiös gedeuteten Erlebnissen sachlich zu Recht vorgenommen wird (oder auf ganz anderen Zusammenhängen beruht), wäre zu prüfen; denn hinter dieser Zuweisung verbirgt sich ein noch verwickelterer und subtilerer evolutionspsychologischer und geistesgeschichtlicher Zusammenhang. Er hat mit der Entstehung und Entwicklung dessen zu tun, was wir vieldeutig unser „Bewusstsein“ nennen, und von dem wir überdies sehr verschiedene Formen kennen, ein Thema, das zudem auch noch zur Klärung dessen nötigt, was wir unter „Wissen“ verstehen – und zur Beantwortung der Frage, was wir denn so alles tsatsächlich wissen oder zu wissen glauben… –

Wer in der einfachsten und gleichzeitig grundlegenden Form meditiert und seine Fähigkeit zur genauen und umfassenden weit-offenen und hoch-aufmerksamen oder achtsamen Wahrnehmung schult, braucht sich um historische und sachliche Zusammenhänge dieser Art allerdings nicht zu kümmern.

Es ist jedoch möglich, dass er dennoch auf sie stößt, dann aber auf ganz andere und sehr direkte Weise: indem er mit ihnen nämlich bei seinem aufmerksamen Verfolgen seines Selbsterlebens zu tun bekommt! Es geht beim Meditieren ja um solche Zusammenhänge, wie sie jeder bei sich beobachten kann, und Menschen auch früher schon an oder „in“ sich erlebt haben (so dass sie davon auch irgendwie zu erzählen versucht haben, auf welche Weise auch immer). An- und Einsichten über „die Natur des eigenen Geistes“ – oder besser gesagt: seiner Eigenschaften und Eigenheiten – kann deswegen jeder immer wieder aufs neue gewinnen und das auch jederzeit…

…wenn auch nicht ohne eigenes Bemühen um sie und nicht ohne Arbeit an ihrer begrifflichen Fassung und sprachlichen Darstellung für die gegenseitige Verständigung darüber! Es gibt zB. ebensowenig „einen Geist“ wie „Geister“, wie sich mittlerweile zumindest hinsichtlich letzterer weithin rumgesprochen hat, auch wenn wir uns seit alters her und bis heute gerne so verdinglichend ausdrücken. Gerade im Zusammenhang mit Meditation dürfte aber leicht ersichtlich sein, worauf mit dieser irreführenden alten Redeweise eigentlich gezielt wird: auf jene unserer eigenen Fähigkeiten, die wir traditionell als „geistig“ bezeichnen, ein Begriff, der ursprünglich ganz anders, nämlich emotional gemeint war; er bedeutete anfangs nämlich so etwas wie „schauerlich“! Es gibt im Zusammenhang mit einem meditativen Geistestraining also noch weit mehr zu klären und zu beantworten als die Frage, was Meditation eigentlich „ist“.
Text von und herzlichen Dank an:

INGO-WOLF KITTEL – Facharzt für Psychosomatische Medizin
Philosophische und Psychotherapeutische Praxis
86150  Augsburg, Bahnhofstr. 8 Tel.: 0821-3494505

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Photo: Mike Tungate