Teile diesen Beitrag "Was „Meditation“ wirklich bedeutet (v. Ingo-Wolf Kittel)"
Das Wort „Meditation“ hat einen sehr weiten und reichen sprachlichen Hintergrund. Es verwundert deswegen nicht, dass mit diesem Begriff ganz Verschiedenes gemeint sein kann.
Für viele noch erstaunlicher dürfte sein, dass es sprachhistorisch auf das indogermanische Wurzelwort *me[d] mit der – psychologisch auf den ersten Blick nichtssagenden – Bedeutung von „wandern, schreiten“ zurückgeführt wird. (Etymologisch soll diese Wurzel noch vielen anderen bekannten Worten und Begriffen zugrunde liegen wie zB. messen, Meter, Metrum, Mal und Maß, Dimension und immens, müssen auch und Mond sowie noch manch anderen wie etwa dem Begriff der Medizin!)
Der psychologische Zusammenhang von Wandern und Meditieren ist aber derart offensichtlich, dass es genügen dürfte, einfach darauf hinzuweisen: Meditieren als Geistestechnik ist mit der geistigen Aktivität identisch, die wir bei realem Wandern „in der Tat“ immer auch ausüben (sollten), wenn wir dabei unsere „Sinne auf das richten“, was man vor sich hat. Es gilt ja dabei gezielt auf Geräusche zu lauschen, den Weg vor sich „ins Auge zu fassen“ und auch sonst alles um sich herum zu beachten, zu beobachten und achtsam zu verfolgen.
Meditieren besteht so gesehen darin, sich in unmittelbarem WAHRNEHMEN zu üben, in schlichtem, einfachen, ungekünstelten, direkten und aufmerksamen Beobachten. Nötig dazu ist ein bewusstes und damit absichtiches und gezieltes, hellwaches Achtgeben auf das, was wir mittels unserer Sinne oder „Sinnesorgene“ so alles mitkriegen solange wir nicht dösen oder schlafen.
„Aufwachen“ ist denn ja auch ein alter spiritueller Schlachtruf! Bemerkenswerter Weise bedeutet auch der Ehrentitel „Buddha“ Erwachter, genauer sogar „der vollkommen“ oder vollständig „Erwachte“! Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass die die zentrale und wichtigste Geistestechnik des Buddhismus „Achtsamkeitsmeditation“ genannt wird und legendäre Effekte haben soll, und zwar nur sie; heute gilt dieses Wundermittel vielen mittlerweile sogar als universelle Heilmethode!)
Meditieren als bewusstes Wahrnehmungstraining, das immer auch mit gleichzeitiger Aufmerksamkeitssteuerung einhergeht, ist damit ersichtlich etwas anderes als sich in ein Buch zu vertiefen, sich einen Film anzusehen, Anteil am Leben anderer zu nehmen usw. usf. oder Erinnerungen nachzuhängen und Tagträumen, sich etwas zu überlegen, zu planen oder zu grübeln usw. Zu Konzentrationsleistungen beim Handeln, Erleben oder Denken sind wir von Natur aus alle fähig, auch wenn wir sie ebenfalls perfektionieren, also üben können. –
Ein weiterer Zusammenhang ist ebenso bemerkenswert: Denken gilt gemeinhin als Domäne der Philosophie; Meditieren wird dagegen mit religiösen Traditionen in Zusammenhang gebracht (dort aber von „Kontemplieren“ im Sinne religiöser Einkehr und Besinnung oft nicht unterschieden).
Ob die Zuordnung von Meditieren zu Denken in religiösen Vorstellungen oder zu religiös gedeuteten Erlebnissen sachlich zu Recht vorgenommen wird (oder auf ganz anderen Zusammenhängen beruht), wäre zu prüfen; denn hinter dieser Zuweisung verbirgt sich ein noch verwickelterer und subtilerer evolutionspsychologischer und geistesgeschichtlicher Zusammenhang. Er hat mit der Entstehung und Entwicklung dessen zu tun, was wir vieldeutig unser „Bewusstsein“ nennen, und von dem wir überdies sehr verschiedene Formen kennen, ein Thema, das zudem auch noch zur Klärung dessen nötigt, was wir unter „Wissen“ verstehen – und zur Beantwortung der Frage, was wir denn so alles tsatsächlich wissen oder zu wissen glauben… –
Wer in der einfachsten und gleichzeitig grundlegenden Form meditiert und seine Fähigkeit zur genauen und umfassenden weit-offenen und hoch-aufmerksamen oder achtsamen Wahrnehmung schult, braucht sich um historische und sachliche Zusammenhänge dieser Art allerdings nicht zu kümmern.
Es ist jedoch möglich, dass er dennoch auf sie stößt, dann aber auf ganz andere und sehr direkte Weise: indem er mit ihnen nämlich bei seinem aufmerksamen Verfolgen seines Selbsterlebens zu tun bekommt! Es geht beim Meditieren ja um solche Zusammenhänge, wie sie jeder bei sich beobachten kann, und Menschen auch früher schon an oder „in“ sich erlebt haben (so dass sie davon auch irgendwie zu erzählen versucht haben, auf welche Weise auch immer). An- und Einsichten über „die Natur des eigenen Geistes“ – oder besser gesagt: seiner Eigenschaften und Eigenheiten – kann deswegen jeder immer wieder aufs neue gewinnen und das auch jederzeit…
…wenn auch nicht ohne eigenes Bemühen um sie und nicht ohne Arbeit an ihrer begrifflichen Fassung und sprachlichen Darstellung für die gegenseitige Verständigung darüber! Es gibt zB. ebensowenig „einen Geist“ wie „Geister“, wie sich mittlerweile zumindest hinsichtlich letzterer weithin rumgesprochen hat, auch wenn wir uns seit alters her und bis heute gerne so verdinglichend ausdrücken. Gerade im Zusammenhang mit Meditation dürfte aber leicht ersichtlich sein, worauf mit dieser irreführenden alten Redeweise eigentlich gezielt wird: auf jene unserer eigenen Fähigkeiten, die wir traditionell als „geistig“ bezeichnen, ein Begriff, der ursprünglich ganz anders, nämlich emotional gemeint war; er bedeutete anfangs nämlich so etwas wie „schauerlich“! Es gibt im Zusammenhang mit einem meditativen Geistestraining also noch weit mehr zu klären und zu beantworten als die Frage, was Meditation eigentlich „ist“.
Text von und herzlichen Dank an:
INGO-WOLF KITTEL – Facharzt für Psychosomatische Medizin
Philosophische und Psychotherapeutische Praxis
86150 Augsburg, Bahnhofstr. 8 Tel.: 0821-3494505
http://alturl.com/sa4zq + http://alturl.com/3jrze
Photo: Mike Tungate
Hallo Ingo! Meditation im Tibetischen bedeutet „vertraut werden mit“…. nur so als Gedanke… Liebe Grüßevom Apura-Yoga Team
Hi Yvonne, vielen Dank – das ist ein sehr schöner Hinweis! LG Tim
Hi Yvonne, finde zufällig gerade Deinen Hinweis; danke dafür! Ich meine, ich habe davon schon mal gehört oder gelesen. Wie das aber immer mit Übersetzungen so ist: wenn man das nicht kennt, wovon der Übersetzer ausgegangen ist, ist schwer oder gar nicht zu beurteilen, wie treffend die gewählte Ent-Sprechung ist.
Das aber meine ich anmerken zu können: weil „meditieren“ eine Aktivität, eine Tätigkeit oder Tat ist, würde das wahrscheinlich Gemeinte wohl besser mit „sich vertraut machen“ wiedergegeben werden müssen.
Was meinst Du? – Dir auch wie nebenbei auch an Tim herzlichste Grüße! Ingo
Hi Ingo, freu mich, von Dir zu lesen!
Über die Meditation als Tätigkeit musste ich erst mal kurz nachdenken … erst dachte ich: „nur weil ‚meditieren‘ ein Verb ist, muss es keine Tätigkeit sein“ … denn geht’s nicht eigentlich darum, nichts zu tun? … aber Du hast Recht … man tut eben doch aktiv und bewusst eine Menge … überprüft und wahrt die Körperhaltung, beobachtet seinen Atem bewusst … führt seine Gedanken zurück …
Aber Aktivität oder nicht, ich finde den Hinweis von Yvonne sehr schön.
LG Tim
Moin Tim
Fast hättest Du’s, wie es scheint, übersehen, worauf es beim Meditieren einzig und allein, also ganz zentral ankommt: auf das Beobachten, Achtgeben, das bewusste u.d.h. absichttliche und gezielt ausgerichtete Aufmerken, auf’s hochachtsame Aufpassen!
(…worauf auch immer! DAS ist zweitrangig! Und wird doch immer sooo wichtig genommen – weil es in alten Schriften erwähnt wird: als wenn man nicht auch aus denen selbst herauslesen müsste, was wichtig ist und worauf es ankommt!)
Meditieren ist Achtgeben-Üben: die Fähigkeit zum Achtgeben kennenzulernen, alle Formen davon sozusagen auszuprobieren oder zu erproben und bei genügendem Interesse dafür zu üben, sie alle auch genügend zu beherrschen – die extremsten Formen der Engstellung oder „Konzentration“ einerseits bis zu deren Gegenteil (oder Gegensatz/Gegenpol) andererseits: die maximale Weitstellung der Aufmerksamkeit, traditionell „offene Weite“ genannt oder von Chögyam Trungpa „Panoramabewusstheit“. (Erläuterungen in den hier http://alturl.com/fnn9h verlinkten Texten.)
Diese „offene Weite“ bringt’s oder isses, wie heute gerne so gesagt wird! Das ist unsere natürliche „geistige“ Einstellung! Sie haben wir uns bloß aus unzähligen Gründen, deren älteste weit in die Menschheitsgeschichte zurückweisen und sehr stark mit dem kulturell bedingten Wechsel vom Hören zum Sehen zu tun haben, seit langem selbst „vermiest“, um es mal ein wenig locker zu formulieren. (Es wäre auch möglich zu sagen, dass wir uns „erschweren“, diese natürliche Aufmerksamkeitshaltung einzunehmen oder dass wir uns davon „ablenken“; wir verunmöglichen uns aber nicht, die Aufmerksamkeitseinstellung der „offene Weite“ einzunehmen – wir können sie jederzeit und deswegen auch zufällig einnehmen, nämlich bei dazu anregenden äußeren Umständen, die irgendetwas mit Weite zu tun haben. In meinem Connection-Artikel hier http://alturl.com/mnrzf habe ich am Ende einige Beispiele angeführt. s.a. auf Facebook hier http://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=278845788854263&id=100001204332030)
Schönes Wochenende! Herzlichst Ingo
Hallo Ingo,
die eindrucksvollsten Erfahrungen mit „offener Weite“ habe ich tatsächlich nicht beim Meditieren in einem engen Raum gemacht, sondern -unabsichtlich- (so, wie es immer heißt, wie man auch meditieren sollte) beim Sitzen auf Parkbänken, mit der Sonne im Gesicht und einem Buch in der Hand.
Jedenfalls danke ich Dir für Deine Zeilen – hier und auch in den o.g. Artikeln, die ich sehr interessiert gelesen habe.
Liebe Grüße und Dir einen schönen Abend
Tim
Hallo und vielen Dank für den Beitrag,
ich habe mich mit dem Thema vor dem Hintergrund des frühchristlichen Herzens-Gebetes und der sog. Wüstenväter und Wüstenmütter beschäftigt. Anders als der Autor komme ich zu dem Schluss, dass Meditation auch dann funktioniert, wenn man sich einer „unsichtbaren“ Welt bewusst ist. Es kann von mir aber auch einfach etwas falsch verstanden worden sein.
Zitat: „Es gibt zB. ebenso wenig „einen Geist“ wie „Geister“, wie sich mittlerweile zumindest hinsichtlich letzterer weithin rumgesprochen hat, auch wenn wir uns seit alters her und bis heute gerne so verdinglichend ausdrücken.“
Wann, wo und wie ist dies so explizit bewiesen worden? Hier handelt es sich m. E. um eine persönliche Glaubensaussage die ich gerne als solche respektiere. Aber bis zu mir hat sich das noch nicht herumgesprochen 🙂
Ja, und da ich mich frisch und unbedarft mit „myMONK“ beschäftige, frage ich doch gleich mal direkt… Dürfen „myMONKS“ auf braune, graue oder regenbogenfarbene Kutten tragen, oder ist orange hier die gewollt vorgegebene Frage. Bitte – dies mit einem Augenzwinkern gefragt, aber wissen möchte ich es schon 🙂
Gruß in die Runde und bis bald
Stefan
Hi Stefan,
Danke für Deine Gedanken. Das Inhaltliche sollte der Autor des Artikels beantworten, aber hierzu kann ich mich gern äußern:
Da geht an Farben echt fast alles durch, hier! 😉
Kann auch Batik-Muster sein. Oder fleischfarben. Oder golden mit Strasssteinchen.
Hauptsache es passt, würde ich mal sagen.
Bye und noch n schönen Sonntag Dir!
LG
Tim
Du arrogantes, kleines Menschlein (aus „ein Kurs in Wundern“), was denkst du dir, was du alles weißt. Nur weil unsere Wissenschaft derzeit nichts zu sagen weiß über Begriffe wie Geist und Geistwesen, sind die uralten Weisheiten nicht derart lächerlich, wie es hier anklingt. Mit Verlaub, sind wir umgeben von Geistwesen, wie zB unsere Schutzengel und nur weil ein Vernunftsmensch dies ablehnt, muss dieser nicht jeden Glauben verneinen und von oben herab in seine eingeschränkte Wahrnehmung zwängen.
Vielleicht kann ich bzgl. der Hilflosigkeit zum Begriff „schauerlich“ noch eine Idee liefern. Vielleicht hattest du einmal guten Sex? Ich meine, so richtig guten Sex, mit aller Offenheit und Hingabe. Die Welt existiert nicht mehr. Kein weltlicher Gedanke. Kein aufkommendes Gefühl wird abgelehnt. Du fühlst deineN PPartneIn ganz tief, nimmst alles an, ob verborgene Panik oder Ängste, du fühlst mit. Du weißt vielleicht gar nicht was es ist, scheint aber unangenehm zu sein. Aber du bleibst weg vom Weltlichen und bleibst somit im „Geistigen“. Diese Erfahrung nenne ich schauerlich. Lass dich fallen in das Geistige, dann kommt auch der Schauer, vielleicht weil dahinter Licht ist. Und der Schauer kann sich auflösen, dem Körper entweichen.
„Willst Du meditieren, dann putze Dein Klo.“
Meditation ist für mich persönlich mein Spaziergang durch die Natur, den ich jeden Morgen mit meinem Hund unternehme. Genau dann beachte ich das, was um mich herum ist und der Geist kommt zur Ruhe (auch der Körper und ebenso die Seele), da meine Gedanken während dieser Zeit nicht in die Vergangenheit oder Zukunft abschweifen. Danach fühle ich mich wie erfrischt.
Ich kann beispielsweise nicht meditieren, wenn ich in einem Raum einfach nur sitze. Die Bewegung in Zusammenhang mit der Natur – das ist für mich die beste Verbindung 🙂
Für mich ist das Pilze suchen im Spätsommer eine höchst meditative Tätigkeit. Der Fokus ist auf eine Sache gerichtet mit ganzer Aufmerksamkeit und Konzentration. Der Blick schärft sich immer mehr. Das bewegen und atmen in der Natur…
Das hatte ich zuvor schon verstanden, dass in der westlichen Medizin psychische Probleme mit Analyse, Training und einem Plan mit Aktivitäten angegangen werden. Doch finde ich diesen Artikel gerade hier unpassend und die Ableitungen zum Wort Meditation auch abenteuerlich.
Für mich bedeutet Meditation das Abschalten der äußeren Sinne und das Aktivieren der inneren Sinne. Und genau ein solcher Zustand ist es, der heilsam ist. Wir können weit mehr wahrnehmen und erfahren, als unsere äußeren Sinne und unser Denkinstrument uns erlauben. Wir schreiten oder wandern so in eine anders nicht wahrgenommene Weite, die auch im Artikel abklingt.
Aber Meditation basiert auf Nichtstun und Nichtdenken, oder eben auf ein Tun, das weitestgehend vom Unterbewusstsein übernommen wird. Wollen wir gezielt über etwas meditieren, so richten wir dann in diesem Zustand unser Bewusstsein auf einen Punkt und werden uns den Eingebungen gewahr.
Leider verführt eben ein Artikel wie der vorliegende eher dazu, sich allzu viele Gedanken über den Ablauf einer Meditation zu machen und wirkt so dem Loslassen und Nichtdenken entgegen.
LG Richard
Ich möchte noch ergänzen, dass mit Nichtstun und Nichtdenken auch ein Nichtverhindern gemeint ist. Alles darf sein, wie schlimm die Gefühle oder Gedanken auch sein mögen. Doch bin ich nur Beobachter und gebe so den Dingen keine neue Energie. Ich persönlich sende im Geist Liebe und Licht in alte Situationen und möglichst ALLE beteiligten Personen.
In diesem Sinne:
Einatmen…ausatmen…wiederholen…;-)