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Stephan Stockhausen ist Geschäftsführer der Manufaktur für Wachstum GmbH, einer Bochumer Beratung, die Unternehmen dabei hilft, ihre Führungskräfte und Mitarbeiter sowie deren Zusammenhalt zu stärken.

Lieber Herr Stockhausen, herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft zum Interview, ich freue mich, dass ich Sie dafür gewinnen konnte. Wie geht es Ihnen jetzt gerade – und worüber haben Sie sich heute schon gefreut?

Über kleine Dinge, wie z. B. das Rotkehlchen, das gerade auf meinem Balkon ein Bad nahm, die Crema des ersten Espressos heute und über den Einkauf auf dem Wochenmarkt. Die wahren Freuden sind meist die kleinen Freuden, von denen uns das Leben täglich reichlich gibt. Statt den großen Dingen nachzujagen, diese kleinen Freuden wahrzunehmen, nenne ich Lebenskunst.

Warum haben Sie die Manufaktur für Wachstum gegründet?

Seinerzeit war ich als Beamter mit Lebenszeiturkunde weit weg von Unternehmertum und in maximale Sicherheit gebettet. Mir fehlten jedoch seitens des Vorgesetzten und des eigentlichen Teams Wertschätzung, Zusammenarbeit, Feedback, Lernen, Fördern und Fordern usw. Nahezu alle Grundbedürfnisse des Gehirns wurden im Arbeitsumfeld ignoriert. Das wollte ich für mich ändern, so wurde ich Freiberufler.

Im zweiten Schritt wurde mir klar, wie wichtig mir persönlich ist, in einem Team erfolgreich zu sein und darin Verantwortung zu übernehmen. Dazu gibt es eine Reihe biographischer Erfahrungen. So habe ich eines meiner persönlichen Leitmotive identifiziert – und mich entschieden, es zum Leitmotiv meines unternehmerischen Handelns zu machen. Mir bereitet es Freude, mit Vertrauen und Wertschätzung miteinander zu wachsen. Als Team sind wir schlauer als jeder für sich, Stärken können sich potenzieren und in dynamische Balance zueinander treten, wir können Selbst- und Fremdbild abgleichen, uns immer wieder gegenseitig fordern. Die Manufaktur für Wachstum ist ein lebendes System, das nach innen und außen dasselbe will.

Auf Ihrer Website sind die Glaubenssätze der Manufaktur für Wachstum aufgeführt. Zu diesen gehört auch: „Jeder Mensch will wachsen und seine Autonomie erleben“. Was bedeutet Wachstum, was bedeutet Autonomie für Sie?

Wir sind stets autonom und interdependent. Wachstum heißt in erster Linie, sich seiner Abhängigkeit und seiner Möglichkeiten bewusst zu sein und dann Tun und Unterlassen zu verantworten.

Wachstum ist der Ausdruck von Lebendigkeit. Die eigene Komfortzone zu überwinden, bringt immer einen Wachstumsschub. Und dies beginnt allein schon in der Reflexion des Verhaltens mit sich selbst und mit anderen. Autonomie bedeutet dann, Verantwortung zu übernehmen und dem Bewusstsein auch Handeln folgen zu lassen – oder sich bewusst zu Nicht-Handeln zu entscheiden.

Was ist nötig, damit wir wachsen und uns als autonom erleben? Und warum treten scheinbar so viele von uns jahrelang auf der Stelle?

Unser Gehirn hat im Laufe unseres Lebens Erfolgsstrategien gelernt, die es dann gerne anwendet, da dies Energie spart. Und so sind unsere Verhaltensmuster und Glaubenssätze vergleichbar mit einer Autobahn zwischen den betreffenden Gehirnzellen.

Leider benötigen wir oftmals schmerzhafte Erfahrungen, um einzusehen, dass unser Muster eine Sackgasse sein könnte. Das verwirrt uns und lässt uns nach Hilfe rufen.

Unser Gehirn will aber nicht nur Schmerzen reduzieren, sondern auch Freude maximieren. Insofern hilft am besten, positive Zielrichtungen zu haben, also ein Hin-zu statt ein Weg-von. Viele treten auf der Stelle, weil sie dies nicht haben oder aber Utopien nachjagen.

Die Rollen in denen ich stecke immer wieder zu reflektieren, abzugleichen, wie ich auf dem Weg zur Zielerreichung unterwegs bin, mich selbst wieder ausrichten und Haltung auch zu Unveränderlichem einzunehmen, setzt in Gang. Dazu habe ich als Selbstführungsmethode mal die 8 F(ixpunkte) entwickelt.

Was empfehlen Sie jenen, die sich durch ihre berufliche Situation in ihrer Autonomie und in ihrem Wachstum beschränkt fühlen?

Eigene Glaubenssätze zu hinterfragen, ist Schritt 1. Gibt es wirklich keine Chance oder meine ich das nur? Welche Alternativen sind denkbar und was benötige ich, um zu handeln?

Risiko und Nebenwirkung: Das Leben wird unbequem – und erfüllender.

Was heißt es, „authentisch“ zu sein? Und wie können wir unsere Authentizität, unser „wahres Ich“ finden und ausleben?

Echt sein. Zeigen, was wahr ist. Emotionen (er)leben.

Dafür benötige ich Zugang zu mir selbst, zu meiner Intuition, zu meinem Unbewussten, zu meinen Emotionen. Was sagen mir eigentlich bestimmte Körpersignale? Was ist in mir los, ween dies oder jenes um mich herum geschieht? Aus welchem Motiv heraus handle ich gerade?

Persönlich habe ich in den ersten Jahren meiner beruflichen Aktivität über Supervision gelernt, wie ich einen Zugang zu mir bekomme. Es bleibt aber ein ständiger (Lern-)Prozess. Heute gehe ich andere Wege als allein über Worte und nutze Körperarbeit. Außerdem hilft mir, von Kunden (und anderen) ein Feedback zu bekommen. So weiß ich um besonders ausgeprägte Anteile meiner Person, die sich wie ein roter Faden bei anderen bemerkbar machen. Und ich kenne die Wendepunkte meines Lebens und mein Entscheidungsverhalten darin sowie biographische Erlebnisse, die emotional stark beladen sind. Dies sagt alles etwas über mich aus und mit guter Unterstützung erkenne ich zentrale Werte und Muster darin. Am Ende gibt es kein Pauschalrezept. Ohne Interesse, mich selbst zu reflektieren und mir meiner Wirkung bewusst zu sein, bleibe ich allerdings oberflächlich. Authentisch wirken wollen viele – das ist nur etwas völlig anderes als authentisch zu sein.

Echt zu sein, kann zugleich Zu-Mut-ung für andere sein. Diesen Mut leben leider nur wenige.

Was macht ein gutes Team aus – und warum können wir nicht glücklich als „Einzelkämpfer“ werden?

Zu Teil 1 der Frage:

Dazu erlaube ich mir den Hinweis auf einen Blogartikel: www.manufaktur-wachstum.de/blog/wann-ist-ein-team-ein-team/.
Im Grunde benötigt ein Team Klarheit über das oder die gemeinsame(n) Ziel(e) und den Weg dorthin. Das ist die Beantwortung der Fragen Wozu? und Wie? Gleichzeitig müssen die Rollen klar verteilt sein. Also die Beantwortung der Fragen, wer was dazu beitragen kann und will und was dafür von der Gruppe gebraucht wird. Damit werden die Beiträge des Einzelnen und die Regeln des Miteinanders geklärt. Wir arbeiten daher mit dem Faktor ZWEI:
Ziele vereinbaren
Werte klären
Einzelstärken nutzen
Interaktion verbessern

Zu Teil 2 der Frage:

Unser Gehirn ist ein soziales Organ. Einerseits ist es unser Bestreben, die eigene Autonomie und Selbstwirksamkeit zu leben und gleichzeitig ist unser Gehirn in hohem Maße auf soziale Interaktion ausgerichtet. Wir sind also autonom und interdependent.
Aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaften weiß man inzwischen, welche biochemischen Prozesse im Gehirn ablaufen. Und so sind z. B. bei sozialen Schmerzen identische Gehirnregionen aktiv wie bei körperlichen Schmerzen. Gleichzeitig agieren bei altruistischen Verhaltensweisen identische Belohnungssysteme wie z. B. beim Genuss von Schokolade.

In der Evolution war es die Erfolgsstrategie des Menschen, in der Gruppe zu agieren. Vielleicht suchen wir uns sachorientierte Beschäftigung wie „Arbeit“ auch nur, um darin unsere sozialen Bedürfnisse auszuleben. Wie beim Eisberg liegt der Fokus unserer unbewussten Aufmerksamkeit eben nicht auf Prozessdiagrammen, Projekten, Strukturen und Kennzahlen, sondern ganz einfach auf den Fragen: Was ist mein Platz in der Welt? Wie ist meine Beziehung zu anderen? Wer will was von mir? Wie sorge ich für meine Bedürfnisse? usw. Dabei will unser Gehirn fortlaufend vor allem zwei Dinge: Schmerzen reduzieren und Belohnungen maximieren.
Menschengerecht miteinander zu arbeiten, heißt also, den Grundbedürfnissen des Gehirns gerecht zu werden: Sicherheit, Zugehörigkeit, Fairness, Status und Autonomie.

Glücklich erleben sich diejenigen, die alle Gehirnbedürfnisse, altrozentrierte wie egozentrierte, in dynamischem Gleichgewicht als befriedigt erleben.

Kann eine Gruppe von Kollegen, die sich nicht mag, noch zu einem echten Team werden? Wenn ja, was ist dazu notwendig?

Team wird beschworen als Idealbild von Zusammenarbeit. Es gibt durchaus Aufgaben und Ziele einer Gruppe, die nicht auf die Eigenschaften eines Teams angewiesen sind.

Insofern steht diese Frage vorweg: Was soll zu welchem Zweck eigentlich besser werden? Und dieser Klärungsprozess kann dauerhafte Entwicklung, damit Wachstum bringen. Gruppen benötigen regelmäßige Reflexion über ihren gemeinsamen Zielpool. Sich nicht zu mögen, kann Ausdruck von behinderten eigenen Bedürfnissen sein (vielleicht erinnert mich ein Kollege aber auch zu sehr an meine eigenen Schwächen…).

In funktionierendem Teams herrscht nicht Gleichmacherei, sondern Raum für Unterschiedlichkeit und damit Individualität. Das dient dem Autonomie- und Statusbedürfnis. Zugleich ist das Verbindende in der Unterschiedlichkeit geklärt. Dies sorgt für Zugehörigkeit. Und daraus lassen sich Regeln für das Miteinander ableiten. Dies dient der Zugehörigkeit und dem Sicherheitsbedürfnis.

Für derartige Prozesse braucht es natürlich erst einmal Freiwilligkeit und Bereitschaft, nicht nur für sich, sondern für das Gemeinsame einzutreten. Nötig ist die Offenheit, sich mit der emotionalen Wirkung von Verhalten beschäftigen zu wollen. Und es braucht die Haltung, dass im schwierigen Verhalten des anderen einerseits ein guter Kern steckt (Geiz ist z. B. lediglich die Übertreibung von Sparsamkeit), der zugleich für die eigene Entwicklungsrichtung steht (Geiz ärgert mich nur dann, wenn ich selbst Großzügigkeit mit Verschwendung übertreibe). Dann kann tatsächlich Teamgeist entfesselt werden, dann können sich Einzelstärken gegenseitig potenzieren.

Den richtigen Rahmen und Raum dafür zu schaffen, ist Sinn und damit auch Mission meines Teams.

Herzlichen Dank für das Interview!

 

Photo: lragich