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In der letzten Zeit häufen sich die Fälle von Menschen, die ewig lange Zeit unschuldig in den USA in der Todeszelle saßen und nun endlich freikamen (z.B. Alfred Dewayne Brown, Debra Milke, Anthony Ray Hinton, Glenn Ford, sehr empfehlenswert dazu: Netflix’ Making a Murderer).

Korrupte Polizisten hatten Geständnisse gefälscht, Beweise unterschlagen, Beweise manipuliert. Befangene Pflichtverteidiger hatten Deals mit den Richtern.

15 oder 20 oder 30 Jahre auf fünf Quadratmetern. Die Wärter spucken ins Essen. Besuche nur alle paar Monate, wenn überhaupt noch wer kommen will oder darf. Einzelhaft, niemand da außer der Angst vorm baldigen Tod durch die Giftspritze, die sich leider als recht unzuverlässiges Tötungsmittel erwiesen hat.

Einigen von uns widerfährt wirklich Unaussprechliches. In der Nacht, im Parkhaus oder auf der Straße. In der Kindheit. In der Ehe. Im Glauben, man könne noch ungefährdet auf einen Flughafen oder in ein Stadion gehen.

Ich weiß nicht, ob ich den Tätern je vergeben könnte, oder wie lange ich dafür bräuchte.

Doch es gibt immer wieder Leute, die es schaffen (eigentlich sollten sie myMONK leiten und nicht ich). Und es gibt ein Dutzend Prinzipien von Buddha, die dabei helfen können – Prinzipien, die die Vergebenden vermutlich mehr oder weniger unbewusst angewendet haben, auch wenn sie keine Buddhisten sind. Gelernt habe ich sie von Jack Kornfield.

Warum Vergebung so wichtig ist?

Buddha trifft den Nagel auf den Kopf:

An Zorn festhalten ist wie Gift trinken und erwarten, dass der Andere dadurch stirbt.

Schauen wir uns die Prinzipien an.

#1 Verstehe, was Vergebung ist – und was nicht

Vergeben heißt nicht, dass wir verdrängen und vergessen, was in der Vergangenheit passiert ist, erst recht nicht, dass wir es billigen. Vergeben heißt auch nicht, dass wir mit dem Täter sprechen müssen. Es geht dabei um uns, nicht um den Anderen. Vergeben bedeutet außerdem nicht, dass wir von heute auf morgen lächeln, Schwamm drüber – es braucht Zeit, es ist kein einmaliges Ereignis. Vergebung sagt ja zu unseren Gefühlen und nein dazu, dass so etwas nochmal passiert.

#2 Spüre die Last Deines Leidens

Wir spüren, wie sehr uns das Festhalten schmerzt. Wir verstehen: Es zeugt von wenig Selbstmitgefühl, uns über lange Zeit so zu fühlen, es ist nicht in unserem Interesse.

#3 Erkenne die Vorteile des vergebenden Herzens

Das Leben würde wieder leichter werden, viel leichter sogar. Wir könnten frei durchatmen, mehr nach vorn schauen, hier und jetzt unser Glück suchen.

#4 Du musst Deinem Leiden nicht treu bleiben

Manchmal fühlen wir uns unserem Leid gegenüber verpflichtet, glauben, wir müssten ihm loyal sein. Konzentrieren uns darauf, was uns passiert ist, machen es zum Mittelpunkt unseres Lebens, definieren uns darüber. Dabei sind wir doch eigentlich viel mehr unserem Seelenheil verpflichtet. Es ist schlimm genug, was uns durch diese Tat genommen wurde, warum sollten wir uns nun auch noch unseren inneren Frieden nehmen lassen für immer?

#5 Verstehe, dass Vergebung ein Prozess ist

Jack Kornfield erzählt von einem Amerikaner, der an die Steuerbehörde schrieb: „Seit ich Steuern hinterzogen habe, kann ich nicht mehr gut schlafen. Ich habe Ihnen einen Scheck über 2000$ beigefügt. Wenn ich nun immer noch nicht gut schlafen kann, sende ich Ihnen den Rest.“ So gut wie alles im Leben, das was wert ist, braucht Zeit, geschieht in kleinen Schritten. Alles andere ist mehr Hollywood als Realität.

#6 Lege Deine Absicht fest

Unsere Absicht – unsere Intention – festzulegen, ist wie ein Kompass für unsere Psyche. Ohne diesen Kompass treiben uns die Wellen einfach hierhin und dorthin. Mit ihm können wir unseren Kurs anpassen, wenn wir vorrübergehend etwas abgekommen sind. Was ist Dein Ziel, wie soll Dein Leben nach dem Leid aussehen?

#7 Erlerne die inneren und äußeren Arten des Vergebens

Im Buddhismus gibt es spezielle Meditationsübungen für die Vergebung sowie Techniken für den achtsamen Umgang mit schmerzhaften Gefühlen. Das ist die innere Form. Zur äußeren Vergebung kann zum Beispiel ein Brief dienen, den wir nicht zwangsläufig abschicken müssen.

#8 Beginne mit der leichtesten Vergebung

Vergeben ist eine Fähigkeit, die wir erlernen können. So, wie wir nicht mit einem dreifachen Salto vom Zehnmeterturm in ein 50 Zentimeter tiefes Becken beginnen, sondern eher mit einem Sprung vom Beckenrand, so können wir auch bei der Vergebung dort anfangen, wo es uns am leichtesten fällt – bei denen, die wir am meisten lieben und bei Dingen, die uns nicht allzu sehr weh getan haben. Wir können unserem Papagei verzeihen, dass er uns „Arschloch“ genannt hat. Oder unserem Partner, dass er uns zum Geburtstag diesen hässlichen Pullover geschenkt hat. Dann schreiten wir Stück für Stück voran zu den schwierigeren Punkten.

#9 Sei bereit zu trauern

Ab und an schützt uns die Wut vor dem Gefühl, das dahinter liegt: große Traurigkeit. Wut ist Nitroglyzerin im Blut, hat immerhin etwas Mächtiges, die Traurigkeit hingegen räumt unsere Machtlosigkeit ein – was passiert ist, ist passiert, es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, und oft ist dabei etwas verloren gegangen, das so nicht mehr zurückkommt. Doch nur, wenn wir das zulassen, können wir hinterher loslassen.

Siehe auch Die 4 Phasen von Trauer – Wie man Trennungen und Verluste überlebt.

#10 Vergebung umfasst alle Bereiche des Lebens

Vergebung ist eine allumfassende Arbeit. Sie ist nicht nur Sache des Verstands, sondern auch der Seele und des Körpers. Sie geschieht in unseren Gefühlen und Gedanken ebenso wie in unseren Beziehungen zu anderen Menschen.

#11 Vergebung verwandelt uns

Sie bringt uns näher an unseren Kern. An unsere wahre Natur. An unser Vermögen, frei und liebevoll und glücklich zu sein, egal, was uns passiert (ein langer Weg, klar, aber eben doch möglich).

#12 Vergebung erweitert unsere Perspektive

Mit ihr erkennen wir, dass es um mehr geht als um uns und unsere Geschichte. Wir können sehen, dass alle Menschen leiden, dass jeder von uns verletzt wurde, dass niemand verschont bleibt. Es mag nicht alle von uns gleichermaßen stark treffen, doch gehört es zum Menschsein, zum Lebendigsein. Wenn wir dies verstehen, können wir das eigene Drama womögich etwas weniger persönlich nehmen und etwas mehr gesunde Distanz gewinnen.

Mehr dazu im myMONK-Buch Wie man Sorgen, Stress und Selbstzweifel loslässt und unter Wie man aufhören kann, genervt und verletzt zu sein (in 60 Sekunden).

Photo: Amit Sankaran