Teile diesen Beitrag "TCM gegen Stress und ein Schlag, der nicht Krankenhaus, sondern Friedhof bedeutet – Interview mit Dr. Christopher Po Minar"
Dr. med. univ. Christopher Po Minar ist Gründer und Leiter des Anshen Institutes für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und Heilkunst in Wien. Als Arzt für westliche Medizin und TCM kann er die Stärken der modernen Schulmedizin mit denen der Akupunktur, des Qigong und der chinesischen Kräutermedizin verbinden. Außerdem trainiert Dr. Minar seit seiner Kindheit Karate und Shaolin Kung Fu. Über Stress, Heilung und den Kampf spricht er mit mir im myMONK-Interview.
Hallo Herr Dr. Minar, vielen Dank für Ihr Einverständnis mit dem myMONK-Interview, über das ich mich sehr freue. Wie geht’s Ihnen in diesem Moment?
Wunderbar. Es ist ein wunderschöner Sonntagmorgen. Ich habe gerade eine entspannte Runde Taiji Quan hinter mir und bin ganz glücklich, dass die neue Kreation meines Reisflockenfrühstückes tatsächlich auch gut schmeckt. Ich freue mich auf einen entspannten Tag mit meiner Familie.
Seit Ihrer Jugend trainieren Sie unter anderem Shaolin Kung Fu. Hat Sie das Training dieser Kampfkunst verändert, wenn ja, wie?
Vor meiner Kung Fu Praxis habe ich eigentlich einige Jahre Karate trainiert. Beide Praktiken haben meinen Körper und Geist ganz maßgeblich verändert. In meiner Jugend erhielt ich dadurch die Kraft und Ausdauer, sowie die Ausgeglichenheit und Ruhe, die man gerade in diesem Lebensalter benötigt. Vor allem aber öffnete sich für michdurch das Kampfkunsttraining die Welt des Qigong, was dann in weiterer Folge mein Leben noch weiter beeinflusste. Etwas, dass ich unter keinen Umständen missen möchte. Auch jetzt ist ein regelmäßiges Kung Fu Training für mich und mein Wohlbefinden essenziell.
Welche Sätze Ihrer Meister und Lehrer gehören zu jenen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind? Und was bedeuten diese Sätze?
„Ein Schlag, nicht Krankenhaus, sondern Friedhof“. Dies ist ein Satz, den mein erster Kampfkunstlehrer einmal erwähnt hat. Er war damals einer der absolut liebenswertesten und friedvollsten Lehrer, die ich je gehabt habe. Gleichzeitig war er aber auch trotz seines hohen Alters (ich schätzte ihn in meiner Jugend auf gefühlte 150 Jahre alt) ein unglaublicher Meister seiner Kunst, der im Ernstfall sehr gefährlich werden konnte. Mit diesem Satz wollte er auf seine liebevolle Art einfach sagen, dass man Dinge nicht halbherzig, sondern mit ganzem Einsatz tun sollte, und zwar nicht nur während des Trainings, oder im Ernstfall, sondern in allen Bereichen des Lebens. Kung Fu ist daher keine Kampfkunst, sondern viel mehr eine Lebenskunst.
Auf Ihrer Website zitieren Sie Hippokrates mit „„Eure Nahrungsmittel sollen Eure Heilmittel sein, Eure Heilmittel sollen Eure Nahrungsmittel sein.“ Was bedeutet dieser Satz – und welche Nahrungsmittel heilen?
Fast alle traditionellen Medizinsysteme kennen die Wichtigkeit und den Wert einer guten Ernährung. Auch in der chinesischen Medizin gibt es den Leitsatz, dass man eine Krankheit immer zuerst über die Ernährung zu heilen versuchen sollte und erst wenn dies fehlschlägt zu Kräutern, oder Ähnlichem greifen sollte. Welche Nahrungsmittel heilsam sind hängt in der chinesischen Medizin immer davon ab, wer dieses Nahrungsmittel gerade isst, in welchem Zustand sich diese Person befindet, welche Jahreszeit gerade ist und wie das Nahrungsmittel zubereitet wurde. Aus diesem Grund gibt es in der TCM per se kein Nahrungsmittel, das definitionsgemäß gesund oder ungesund ist. Was für den einen sehr heilsam sein kann, kann dem anderen vielleicht sogar schaden. Ernährungsempfehlungen sollten daher immer individuell angepasst werden.
Was ist aus Sicht der TCM schief gelaufen, wenn jemand an übermäßigem Stress oder einem Burn-out leidet?
Wie wohl unschwer zu erkennen ist, stellen Stress und Burn-out eine große Herausforderung unserer heutigen Gesellschaft und Lebensweise dar. Auch wenn es aus der westlichen Schulmedizin wunderbare Stufenmodelle gibt, die das Entstehen eines Burn-outs beschreiben, so stehen an der Basis doch meist immer unser Ego und unsere Ich-Haftigkeit. Das Anhaften an Dingen und das Nicht-erkennen der wahren Natur des Seins lassen uns das Leben führen, welches unsere Gesellschaft derzeit so prägt. Dieser sehr „holzige“ Lebensstil, welcher durch Wachstum und „immer höher, weiter und schneller“ geprägt ist führt letztendlich zu einer toxischen Hitze im Herzen (Feuerelement) und verbraucht im Laufe der Jahre die Nierenessenz (Wasserelement), bis wir völlig „ausgebrannt“ sind.
Was tun Sie, wenn Sie sich sehr gestresst fühlen? Gibt es da „Hausmittel“ aus der TCM?
Das Nummer Eins Hausmittel der TCM gegen Stress heißt „Qigong“! Aber auch jede andere Übungspraxis, wie Taiji Quan, Kung Fu, Meditation, oder ähnliches arbeiten nach demselben Prinzip, indem sie das Loslassen üben, den Geist zentrieren und uns wieder in den gegenwärtigen Moment versetzen. Derartige Übungspraktiken gibt es in vielen Kulturen und diese sind mit Sicherheit die effektivste Methode gegen Stress. Auch ich übe aus diesem Grund täglich meine Übungen, weil ich genau weiß, dass der Tag ein anderer ist, wenn ich sie einmal auslasse. Wenn gar nichts mehr hilft, so können diverse chinesische Heilpflanzen, oder auch Akupunktur Abhilfe schaffen.
Wann greifen Sie lieber auf die westliche Schulmedizin als auf die TCM zurück, wenn ein ausgebrannter Patient zu Ihnen kommt?
Prinzipiell arbeite ich bei ausgebrannten Patienten fast ausschließlich mit der traditionellen chinesischen Medizin, da Burn Out eine sehr dankbare Indikation und sehr gut zu behandelndes Krankheitsbild für die TCM darstellt. Vor allem die Kräutertherapie kann hier sehr gut Hilfe geben. Bei massiven Angstzuständen kann es vielleicht einmal nötig sein auch ein westliches Beruhigungspräparat zu geben. Auch eine begleitende Psychotherapie kann natürlich sinnvoll sein. Während es natürlich andere Erkrankungen gibt, wo die westliche Schulmedizin absolut Vorrang hat (beispielsweise akute Erkrankungen wie Herzinfarkt, oder Schlaganfall etc.), so lässt sich dieses Krankheitsbild in den meisten Fällen mittels TCM wirklich gut behandeln.
Wem empfehlen Sie Ihr Buch „Der Weg des Meisters – das Geheimnis des Qigong und der Traditionellen Chinesischen Medizin“? Und was kann man durch das Lesen dieses Buches lernen?
Der Weg des Meisters entstand eigentlich im Laufe der Jahre aus meinen unzähligen Aufzeichnungen und Skripten, die ich für meine Kursteilnehmer verfasst hatte. Es ist der bescheidene Versuch all das Hintergrundwissen, welches jemand benötigt, der Qigong praktiziert, oder kennenlernen möchte, in ein Buch zu packen. Auch wenn in diesem Werk einige Übungen beschrieben sind, so liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Hintergrundwissen und soll einen Einblick in die Welt der TCM vermitteln. Ich habe mich bemüht, es locker und humorvoll zu schreiben, trotzdem aber eine sehr große Dichte an Wissen und Information hinein zu packen. Letztendlich ist es für jeden gedacht, der Interesse an der chinesischen Heilkunst hat.
Wo können die Leser mehr über Sie und das Anshen Institut erfahren?
Unser Hauptsitz ist in Wien, wo wir gerade ein neues TCM-Gesundheitszentrum an der wunderschönen alten Donau erbauen. Dort befindet sich auch meine Ordination und finden alle Kurse in der Kunst des Ba He Fa (Acht Harmonien Heilkunst) statt. Weitere Informationen finden Sie auf meinen beiden Webseiten www.anshen.at und www.bahefa.at. Es ist mir eine große Freude und Ehre die traditionelle chinesische Medizin und Heilkunst praktizieren und an andere Menschen weitergeben zu dürfen.
Herzlichen Dank!