Teile diesen Beitrag "Alkohol, Essen, Pornos – Woran man eine Sucht erkennt (und was man tun kann)"
Es folgt ein Gastbeitrag vom Psychotherapeuten Sandro Teuber.
Alkoholsucht, Tablettensucht, Spielsucht, Facebooksucht, Emailsucht, Bloggingsucht,… Der Mensch ist in der Lage aus allen Verhaltensweisen ein wiederkehrendes, selbstzerstörerisches Muster zu machen. Wieso ist das so? Woran kannst Du erkennen, ob Du Dich in diesem Kreislauf befindest? Und vor allem: Wie kommst Du wieder raus? Hier findest Du Antworten.
Ein Geständnis
Ich habe Drogen genommen. Einige. Nicht alle. Ich bin sogar ein wenig stolz darauf.
Was? Wie kannst Du darauf stolz sein? Darf man sowas? Drogen sind doch böse und bäh…
Gerade bei Drogen schießen die Emotionen in den Himmel. Meine Eltern haben mir mitgegeben, dass Drogen sehr sehr gefährlich sind. In meiner Kindheit war ich sehr ängstlich und habe nie gekifft ganz zu schweigen andere Drogen ausprobiert. Alkohol habe ich mit 16 oder 17 das erste Mal getrunken. Ich kam erst im Erwachsenenalter mit anderen Stoffen in Berührung. Zum Glück! Wer weiß was passiert wäre…
Denn: Meine Eltern hatten Recht! Ich gehöre definitiv zu den Menschen, die anfällig sind eine Sucht zu entwickeln. Nichtsdestotrotz war es wichtig, dass ich das selbst herausfinde! Ich habe meine Angst vor den Drogen überwunden und darauf bin ich auch stolz. Ich habe meine riesigen moralischen Gewissensbisse überwunden (Meine größte Befürchtung war, dass mich meine Freunde dann verlassen würden).
Meine Erlebnisse mit den Drogen waren wichtig, um den Beginn eines Prozesses zu erleben, den ich nun tagtäglich in meiner Arbeit als Suchttherapeut vom Ende her sehe.
Das Ende dieses Prozesses in Zahlen:
In Deutschland gibt es etwa 1,3 Millionen Alkoholabhängige Menschen und nochmal genauso viele Medikamentenabhängige und etwa 400.000 Spielsüchtige. Neu hinzugekommen sind Internetsucht (Surfen, Facebook, Twitter, etc.) und Computerspielsucht (World of Warcraft).
Die neuen Abhängigkeiten von sozialen Medien ist die Plage unserer modernen Welt: Wir scheinen vernetzt und „glücklich“ zu sein. Im Hintergrund macht sich die Leere breit. Dies führt zu Depression und fördert die Depression, wenn man schon eine hat. Depression und Facebookkonsum sind eine gefährliche Kombination. Sie verstärken sich gegenseitig.
Es packt dich!
Ich war nie abhängig, da ich früh bemerkte, was da mit mir passierte. Ich tat Dinge, die ich sonst nie mache. Erschreckend! Aufhören fiel mir leicht, aber ich habe diese Sogwirkung gespürt. Auch in anderen Bereichen erlebe ich diese Sogwirkung: Bei Computerspielen. Dort passiert genau das gleiche. Ich kann nicht wie andere Menschen ein Spiel spielen und dann aufhören. Ich muss es bis zum Ende spielen, durch die Nacht… Ohne Ende.
Was ist Suchtverhalten?
Suchtverhalten hat wie alle Verhaltensweisen eine Funktion. Das Verhalten befriedigt ein Bedürfnis, stillt ein Verlangen, macht etwas weg oder fügt etwas hinzu. Menschen suchen in ihrem übermäßigen Verhalten verschiedenste Dinge: Ruhe, Aufregung, Wohlbefinden, positive Stimmung, Anerkennung, usw. Und wir wollen, dass andere Dinge verschwinden z. B. Angst, Hilflosigkeit, Erinnerungen an schmerzhafte Momente.
Damit gibt es zwei Probleme: 1. Es funktioniert (Ja Facebook funktioniert um Einsamkeit zu unterdrücken).
2. Es ist nicht nachhaltig.
Die Befriedigung verschwindet relativ schnell nach Beendigung der Handlung und ein Loch entsteht. Leere, Mangel, Unwohlsein, Unruhe ist die Folge. Und dann entsteht der Wunsch eben diese Gefühle wieder weg zu machen.
Die Leere wird mit demselben Verhalten gefüllt, was dieses Loch hat entstehen lassen. Alkohol, Essen, Pornos… Das ist der Teufelskreis, der in die Sucht führt. Leere wird mit Leere gefüllt und das Loch wird immer größer. Das Verlangen wird stärker, die Einsamkeit, der Mangel immer intensiver und es scheint als könnte es nichts anderes geben, was die Leere füllen könnte.
Das ist die Außenperspektive.
Wie sieht es innen drin aus?
Freude und Lust entsteht anfänglich beim Suchtverhalten (übrigens völlig egal ob Alkohol, Pornos oder Essen). Dopamin, ein Botenstoff, der verantwortlich ist für Glücksgefühle wird beim Essen, Sex oder Alkohol ausgeschüttet.
Das Gehirn passt sich an diesen Zustand. Die Verbindungen im Gehirn werden so angepasst, dass dieser Zustand immer wieder erzeugt wird. Das Gehirn beginnt damit Dopamin schon auszuschütten bevor wir z. B. Drogen konsumieren. Das Lustvolle wird vorweg genommen und führt uns immer wieder in das Verhalten hinein. Zu Beginn einer Sucht erleben wir positive Gefühle. (Deshalb ist es auch so schwer wieder davon loszukommen. Wir wollen wieder dorthin.) Erst im Verlauf wird aus diesen positiven Gefühlen ein Mangel. Wir brauchen die Pornos, den Alkohol, um uns normal zu fühlen.
Und immer wieder erlebst Du: Mir geht es gut wenn ich was trinke, spiele, etc. Für den Moment. Der Mangel wird nicht dem Konsum zugeschrieben. Diese Brücke fehlt. Diese Brücke baut sich erst langsam auf wenn Du mitbekommst, dass dein eigenes Verhalten negative Auswirkungen auf die Umwelt hat.
Hat es nicht. Ich weiß.
Trotzdem sind hier sind ein paar Anzeichen, dafür dass dein Suchtverhalten außer Kontrolle gerät:
- Du fragst dich, was Du die letzten Stunden eigentlich gemacht hast (Lost in cyberspace, Drogenrausch)
- Du wolltest nur ein Bier, eine Stunde surfen, eine Line ziehen und es ist ein Vielfaches mehr geworden. Es ging fast automatisch weiter
- Dein Konsum (Drogen, Pornos, Essen) hat sich in der letzten Zeit gesteigert
- Du brauchst mehr vom selben, um die gleichen Effekte zu erzielen
- Partner, Familie, Freunde machen sich Sorgen, ziehen sich zurück, meckern oder streiten sich mit dir
- Alarmstufe Rot: Deine Beziehung, dein Job gerät in Gefahr.
Problem erkannt?
Der wichtigste Punkt ist das Erkennen des Suchtverhaltens und sich klar zu machen, dass es völlig normal ist. Unser Gehirn ist darauf programmiert angenehme Zustände anzustreben. Als sich unser Gehirn entwickelte gab es nur ein paar ausgewählte angenehme Aktivitäten: Essen, Schlafen, Sex und soziale Interaktionen.
Jetzt gibt es zusätzlich: Alkohol, Drogen, Facebook, Computerspiele, Pornos, u.v.a… Diese neuen Verhaltensweisen nutzen den gleichen Mechanismus in unserem Gehirn, welcher dafür verantwortlich ist, dass wir Essen oder Sex schön finden. Aktivitäten, die wichtig sind, werden wiederholt. Immer wieder.
Computerspiele nutzen die Mechanismen unseres Gehirns auf ganz perfide Weise. Gleich am Anfang werden kleine Erfolgserlebnisse geschaffen, um zügig deine Botenstoffe im Gehirn in Wallung zu bringen und Dir ein angenehmes Gefühl zu geben.
Soweit so unproblematisch. Ist doch schön, dass wir so tolle Spiele und Beschäftigungen haben. Was aber, wenn die Spiele dich abhalten die wichtigen Dinge in deinem Leben auszuleben? Wenn Du lieber Pornos schaust statt echten Sex zu haben? Wenn Du lieber Facebook nutzt statt mit Freunden abends auszugehen oder mit deinem Mann zu reden?
Den Trend umkehren
Wie kannst Du aus dieser Misere herauskommen? Wie kannst Du aus diesem Teufelskreis austreten und ein Leben führen, was Du bestimmst und nicht dein Konsum?
Am besten so wie Du hineingekommen bist. In kleinen Schritten. Und einem großen Sprung!
Aber bevor Du auch nur daran denkst irgendwas zu ändern, stelle dir folgende Frage:
„Was will ich mit meinem Leben machen, wenn ich nicht mehr dieses Suchtverhalten habe? Wie soll mein Leben ohne Konsum aussehen?“
Willst Du mehr Kontakt mit Deiner Familie? Willst Du ruhiger und gelassener Leben? Willst Du einfach mehr Zeit haben für Dich? Mehr Sport treiben?
Du brauchst eine sehr bildliche Vorstellung von dem, was passieren soll. Nimm Dir Zeit. Wie sieht dein perfekter Tag aus? Was machst Du an so einem Tag?
Erste Schritte raus aus dem Suchtverhalten
Hast Du eine klare Vorstellung, was in deinem Leben sein soll, wende Dich Deinem Suchtverhalten zu. Die Menschen mit denen ich arbeite sagen ganz schnell: „Ich muss damit aufhören!“ So einfach ist das aber nicht. Das Verhalten hat eine Funktion und hält wichtige Informationen über Dich bereit. Was Du brauchst und was Dir fehlt. Du solltest anfangen, Dich auf die Suche zu machen, was Du benötigst oder was Dir fehlt. Ist es Einsamkeit, die Du wegmachen möchtest?
Nun kannst Du beginnen einen Plan zu machen. Z.B. Bei Einsamkeit: Mit wem möchtest Du mehr in Kontakt treten? Wen willst Du anrufen oder treffen? Brauchst Du mehr Kick oder Aufregung im Leben? Dann schaue welche anderen Aktivitäten Dir Spannung bereiten? Was kannst Du neues machen in den nächsten Wochen?
Hier sind 4 Schritte, die dir helfen können Dich auf den Weg zu machen:
- Nimm wahr, welche Verhaltensweisen sich wiederholen. Gibt es Verhaltensweisen, die fast automatisch und ohne deine Kontrolle ablaufen?
- Was versuchst Du damit wegzumachen? Welchem unangenehmen Gefühl möchtest Du damit aus dem Weg gehen? Bemerke diese Gefühle. Gib ihnen einen Raum.
- Suche nach Möglichkeiten, dieses Bedürfnis auf andere Art zu befriedigen. (Ohne in ein neues Suchtverhalten zu rutschen)
- Reduziere das Suchtverhalten auf ein Minimum. Hör, wenn Du kannst, am besten ganz damit auf. Das Minimum ist dort, wo der Widerstand so groß ist, dass eine weitere Reduktion zu viel Willenskraft kosten würde. Beispiel: Nimm dir vor, jeden Tag nur eine Stunde Facebook zu nutzen. Oder nur zwei Mal die Emails zu checken. Statt zehn Mal. Reduziere die Dosis von Woche zu Woche. Kleine Schritte heraus. So wird die Willensenergie nicht sofort aufgebraucht.
- Leg eine Facebookpause ein, wenn Du soweit bist, deinstalliere das Spiel, schütte den Alkohol weg … Das ist dann der große Sprung!
- Schaffst Du das nicht alleine dann spreche jemanden an, der Dich unterstützen kann. Z. B. dich darauf aufmerksam macht, wenn Dein Suchtverhalten wieder stärker wird
Entgiftung?
Bei stoffgebundenen Süchten kommen noch körperliche Entzugssymptome hinzu. Diese Phase solltest Du nicht alleine und am besten unter ärztlicher Beobachtung durchleben.
Gewöhnlich braucht es einige Durchgänge bis Du es schaffst aus dem ausgetreten Pfad herauszukommen. Denn: „Rückfälle gehören zur Sucht dazu.“ Auch auf dem Weg aus der Sucht heraus! Sei freundlich mit Dir. Ermuntere Dich statt Dich herunterzumachen. Frag jemanden, ob er Dich auf diesem Weg unterstützen kann. Jemand, den Du anrufen kannst, wenn es Dir schlecht geht. Jemand, der Dich aufmuntert.
Das Bild des laufenden Kindes kann Dir helfen! Ein Kind, was beginnt laufen zu lernen geht einen Schritt, fällt hin, steht auf, fällt wieder hin. Mal hat es jemanden an der Seite. Mal ist es alleine. Nie käme ein Kind auf die Idee aufzugeben! Jeden Tag ist ein neuer Versuch. Erst wackelig, dann immer besser. Genauso fühlt sich der Weg aus der Sucht an. Jeden Tag ein bisschen wie laufen lernen.
Bevor Du mit den ersten Schritten beginnst: Bring Dein vorgestelltes Bild ins Spiel. Am besten fängst Du heute schon mit deinem „neuen Leben“ an. Was kannst Du heute tun, was Dir wichtig ist? Wer ist wichtig in Deinem Leben? Mit wem möchtest Du Zeit verbringen? Was möchtest Du für andere Menschen tun? Zögere nicht, sondern nimm Dein Leben in die Hand! Du kannst es schaffen! Veränderung ist möglich! Ich glaube an Dich!
Hast Du schon mal mit einer Sucht aufgehört? Wie bist Du von Deinem Suchtverhalten weggekommen? Was war Dein Geheimnis? Ich würde mich freuen von Dir zu lernen.
Siehe auch: Dir geht’s schlecht? 5 Anzeichen, dass Du eine Therapie brauchst.
Autor: Sandro Teuber Sandro Teuber ist Psychologe, Psychotherapeut und Blogger. Er hilft Menschen, Hürden zu überwinden und ein reichhaltiges Leben zu führen. Nach mehreren schweren Schicksalschlägen entschied er sich einen Blog und Plattform für ein offenes und vitales Leben zu gründen. Hier erfährst du mehr. |
Photo (oben): cappugino
Danke für die Offenheit Sandro!
Gerne doch. Ich hoffe, die Offenheit hilft einen Ort zu schaffen in dem es möglich ist, diese Probleme zu entstigmatisieren.
Alles Gute
Sandro
Es ist wichtig, dass wir zwischen echter Sucht und schlechter Gewohnheit unterscheiden. Zudem ist es so, dass das Suchtmittel oder das Suchtverhalten ja nie selbst das Problem sind, sondern bereits Symptome. Dazu gibt es einen interessanten Artikel hier: https://freiheitmachterfolg.com/2016/01/29/was-sucht-wirklich-ist/
Alles Gute
Lieber Oliver,
Danke für deinen Kommentar. Ich sehe Du hast Dich auch schon ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt.
Es gibt verschiedene Herangehensweisen an Sucht. Ich habe einen Ansatz, der guckt welches Verhalten in welcher Umgebung, welche Funktion hat. In diesem Sinne stellt sich bei mir die Frage: „Hilft Dir Dein Verhalten dabei Dein Leben so zu leben, wie Du es Dir vorstellst?“
Natürlich gibt es bei jeder Sucht eine Vorgeschichte. Meistens eine ziemlich schreckliche. Ich kenne viele davon! Und im Rahmen dieser schrecklichen Erlebnisse versuchen die Menschen das Beste daraus zu machen. Drogen waren für diese Menschen, das was ihnen möglich war.
Alles Gute Dir und Danke fürs Lesen und kommentieren
Sandro
Danke Sandro. Ich finde den Artikel sehr hilfreich. Ich würde noch Aspekte des sozialen Umfeldes anführen. Gewohnheiten im täglichen Ablauf aufzugeben, wie z.B. die gemeinsamen Rauchpausen, können ziemlich schwer fallen. So dass es hier Arbeit an der Bewusstheit und Umstellung braucht, die indirekt mit der Sucht zu tun hat. Welche Situationen verleiten mich ganz besonders?
Natürlich werden durch Suchtmittel letztlich Gefühle oder auch Schmerzen umgangen, die dann sehr oft in tieferen Problemen begründet sind. Und ohne diese anzugehen, fällt wohl eine Entwöhnung besonders schwer. Bzw. wird leicht die eine Sucht durch eine andere ersetzt.
Doch wie im Artikel beschrieben, führt der Weg über Absicht, Erkennen und Akzeptieren, dass diese Gefühle da sind. So hilft auf diesem Weg alles, was die Gefühle erträglicher macht und die Verdrängung weniger notwendig. Zudem sollten Strategien helfen, die den Griff zum Suchtmittel zumindest behindern.
Ich habe hier wieder recht gute Erfahrungen mit EFT gemacht. Vor der Zigarette erst „klopfen“. Danach erst die Zigarette vom Kofferraum holen. Das lässt Energie fliessen und reduziert momentane Gefühle. Zudem unterstützt die Fokussierung beim Klopfen die Bewusstwerdung. Doch eine Garantie kann auch mit EFT nicht gegeben werden. Zu tief sitzen meist die Probleme hinter der Sucht und zu verlockend ist die Möglichkeit, sich mit Suchtmittel dem momentanen Unangenehmen entziehen zu können. Zumal ja angeblich jederzeit die Sucht beendet werden kann, so die Illusion des Betroffenen.
Lieber Richard,
Danke für Deinen Kommentar. Der fügt noch weitere wichtige Aspekete hinzu. Bewusstheit ist ein ganz wichtiger Punkt. Zu bemerken, wann man in diese kleinen „Fallen“ tappt. Und das gemeinsame Rauchen ist ja auch etwas sehr soziales. Kann ich dieses „soziale“ auch auf andere Art leben? Kann ich jemanden auf einen Kaffee einladen?
Bei „tieferen Problemen“ denke ich an die „Vorgeschichte“ jeder Mensch hat verschiedenste Dinge erlebt in seinem Leben. Und es ist oft nicht sofort ersichtlich, was die „Vorgeschichte“ mit dem jetzigen Verhalten zu tun hat. Z.B. hat jemand in der Kindheit eine strafende Mutter gehabt und dabei immer versucht ihr alles recht zu machen. Als Erwachsener wird daraus, dass man immer noch versucht den Menschen alles Recht zu machen. Das funktioniert natürlich schlecht. Die Frustration wird z.B. Im Alkohol ertränkt. Das tieferliegende Problem bleibt so erstmal verdeckt: Der Wunsch geliebt und angenommen zu werden.
EFT kenne ich noch nicht. Das werde ich mir mal angucken. Danke für den Hinweis.
Alles Gute
Sandro
Die Abhängigkeit ist für manche Menschen, der einzige Halt.
Den Preis den Du zahlen musst, ist keine Selbstkontrolle mehr zu haben.
freier Wille vs. keine Selbstkontrolle (mehr).
Lieber Stephan,
Danke für Deinen Kommentar. Richtig. In gewissen Situationen ist das Suchtverhalten, das Beste, was den Menschen zur Verfügung steht.
Abhängigkeit unterminiert tatsächlich das Gefühl sich frei und ungebunden zu fühlen. Die Sucht und die Automatismen unseres Gehirn übernehmen die Führung. Das fühlt sich unfrei an und untergräbt das Lebensgefühl.
Alles Gute
Sandro
Meiner Ansicht nach liegen die größten Gefahren in der „Normalität“ des Dauerkonsums – auch ohne ständige Steigerung der Dosis. Wenn Dir beim Essen ohne das „normale“ Gläschen Wein etwas fehlt, dann hier und da noch ein „Absacker“ oder „Schlummertrunk“, dann behaupte ich, dass es da ein gutes Stück Suchtpotential gibt. Nach Jahrzehnten in der Gastronomie weiß ich, wovon ich spreche. Das Schlimme ist, dass es oft als unnormal angesehen wird NICHTS zu trinken, wenn man Alkohol angeboten bekommt. Der Unterschied zwischen schlechter Gewohnheit und Sucht ist recht einfach: Einfach mal für ein paar Tage verzichten. Oder eine Woche. Oder zwei. Wenn Du das tun kannst, bist Du nicht süchtig.
Lieber Lothar,
Danke für Deinen Kommentar.
Richtig Dauerkonsum und eine gewisse Menge über eine lange Zeit birgt Gefahren. Da wird schleichend der Konsum Bestandteil des Lebens. Ganz ehrlich: Das ist der Normalzustand für viele Menschen. Und sie kommen ganz gut damit zurecht. Und das ist auch das Argument von Menschen mit Alkoholproblemen: „Mein Nachbar, Arbeitskollege,… trinkt doch genauso viel.“ Das heißt also manche Menschen schaffen damit zu leben, während andere anfangen abhängig zu werden. Was ich als Knackpunkt bei vielen Menschen erlebt habe (Ich arbeite seit 4 Jahren im Suchtbereich) ist: Krisen! In Krisen fangen manche Menschen an Drogen für bestimmte Dinge zu nutzen. Z.B. um besser zu schlafen. Das ist häufig der Einstieg in ein tiefergehende Problem.
Weiterer wichtiger Punkt den Du ansprichst. Die Normalität des Alkoholkonsums: Stell dich mal in den nächsten Supermarkt und vergleiche die Gemüseabteilung mit der Alkoholabteilung… Alle wichtigen großen Sportübertragungen werden von Alkoholherstellern gesponsert. Stell Dir vor Du willst damit aufhören. Wie oft Du so im Alltag daran erinnert wirst…
Und letzter guter Punkt: Aufhören mit Drogen… Pause machen… Meine Erfahrung von Menschen mit Sucht ist, dass viele in der Vergangenheit schon versucht haben aufzuhören und das für einige Wochen, Monate oder Jahre geschafft haben. Aktive Abstinenz ist so gesehen ein guter Hinweise auf ein bestehendes Suchtproblem… Klingt komisch ist aber meine Erfahrung.
Danke nochmal für deine wertvollen Ergänzungen. Freue mich über weitere Hinweise.
Alles Gute
Sandro
Ich hatte mehr Angst vor jedem „Schritt ins Freie“, als vor der Gefahr im Gefängnis des Status Quo zu verharren.
Und das wollte ich nicht einmal wahr haben. Die „Selbstbestimmung“ war eine Illusion, weil sie nur in eine Richtung beschränkt war und mir Schritte in die andere Richtung sehr schwer fielen. Wie Du schreibst war die Sucht wie ein guter Freund. Sie versteht meinen Weltschmerz und gibt mir ein kleines bisschen Bestätigung. Je mehr sie von außen angefeindet wurde, desto mehr verteidigte ich sie. Auf keinen Fall durfte man das Wort „Sucht“ verwenden! Ich weiß nicht was ich hier schreiben soll, was mir vor 15 Jahren die Augengeöffnet hätte. Alles was den Mechanismus entlarven könnte, wäre (ist) auf inneren Widerstand gestoßen. Manchmal habe ich gemerkt, dass mein Verhalten widersprüchlich war. Ich konnte mich rhetorisch einwandfrei verteidigen. „Alles nicht so schlimm. Hab ich im Griff! ..“ Irgendwann hatte ich praktisch keine Beweise mehr.
Was mir geholfen hat: Verhaltenstherapie (Wahrnehmung gerade rücken), Umfeldwechsel und ganz wichtig: „andere Freunde“. Also richtige Freunde mit denen ich Spaß hatte, für die ich einfach „Josi“ war und mit denen ich schöne gemeinsame Erlebnisse hatte. Weitere Ziele zu haben: Schulabschluss und Ideale, die mir wichtiger waren (als der Stoff)! Ohne „den Stoff“, ist das nachher der einzige Halt. Und daher ist die Möglichkeit andere positive Erfahrungen zu sammeln sehr hilfreich und wichtig.
Aktiv bleiben: Rennen, Radfahren, Holz machen, im Chor singen, mit Nachbars Hund raus gehen.. irgendwas.. alles ist gut und wichtig. Aber nichts ist so toll wie die Arbeit in der Landwirtschaft:
Sinnvolle Einsatzmöglichkeit der jugendlichen Kräfte, positive Selbstwirksamkeitserfahrungen, was Sichtbares Schaffen, Selbstbewusstsein, „Urlaub vom Kopf“, guter Schlaf, tolle Erlebnisse in der Natur, mit den Tieren und den Menschen im Team … !!! Bis heute für mich ein wertvoller und bereichernder Erinnerungsschatz. ich nenne es gerne kurz:
Erdung! …. „ssssssssssssssssssssssssssst!“
Ein bisschen fühle ich mich wie eine „Verräterin“ wenn ich das hier schreibe. Ich habe hohen Respekt vor allen die den Mut haben einzusehen, dass „irgendwas schief läuft“ (man muss es nicht gleich Sucht nennen), die bereit sind ihre Angst vor den „Schritten ins Freie“ zu erkennen und ihr ins Auge zu blicken. Die bereit sind sich für „Hilfe“ von außen zu öffnen (auch wenn „mein Freund“ skeptisch ist, es geht um das was ich im Leben will). Das ist wirklich mutig!
Die Trennung von einem Freund ist schmerzhaft. Im besten Fall habe ich viele andere Freunde die jetzt jubilieren. Ich möchte mein Leben „danach“ nicht missen. Danach erst ist es wirklich „meins“ und ich habe neue Möglichkeiten meine Träume zu leben, die ich vorher nicht hatte.
Vielen Dank für den sehr guten Artikel! Ich habe mich in vielen Punkten wiedergefunden.